Die Trump-Regierung behauptet, sich gegen „die unfaire Ausbeutung amerikanischer Innovation“ zu wehren – und meint damit unter anderem die EU-Regulierung mächtiger Digitalkonzerne. Trump geht sogar so weit, mit einer Abschaltung seiner digitalen Dienste zu drohen, um die EU zu erpressen. Damit nutzt er seine Macht, um die Interessen der in den USA herrschenden Koalition zu stärken – eine Koalition aus Regierung und Big-Tech-Unternehmen. Das Big Tech die Nähe der Regierung sucht, ist auch eine Reaktion auf bestehende und sich ankündigende Regulierung in aller Welt.
Undemokratische Herrscher
Die Plattformen der Big-Tech-Unternehmen gestalten den Alltag von Menschen weltweit, von Messengern und sozialen Medien zu Online-Marktplätzen und Suchmaschinen. Doch sie entziehen sich zunehmend dem Zugriff demokratischer Kontrolle: Auch wenn die EU-Kommission Rechtsverstöße feststellt, können Unternehmen über Jahre dagegen klagen und Zahlungen hinauszögern. Im Fall von Apple stellte die EU-Kommission schon 2016 fest, dass Irland Apple unzulässige Beihilfe geleistet hatte, sodass Apple 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen musste. Nach mehreren Runden vor Gericht zahlte das Unternehmen erst 2024 – und hat damit effektiv US-Steuern umgangen, wenn auch legal.
Big Tech kann europäische Regulierung wie den Digital Markets Act (DMA) und den Digital Services Act so interpretieren, dass sie quasi wirkungslos bleibt, wie bei Apple wegen unzureichender Umsetzung des DMA, wozu die Kommission im Laufe des Monats entscheiden wird. Die Unternehmen können auf immer neue Art gegen Regulierung verstoßen, wie sich aus Metas Entscheidung ergibt, die aktive Inhaltemoderation zu beenden.
Nationale Champions sind kein Ausweg
Die enorme Verhandlungsmacht der Konzerne speist sich auch daraus, dass nicht nur Unternehmen an ihren Cloud- und KI-Diensten hängen. Auch Staaten setzen zunehmend auf diese Cloud-Dienste und werden zu abhängigen Kunden. Das Innenministerium hat noch im Dezember 2024 einen Auftrag in Höhe von 235 Millionen über vier Jahre an Bechtle AG vergeben, um Cloud-Dienste von Amazon einzukaufen. Auch die „souveräne“ Cloud bei SAP und Delos ist ein Weiterverkauf von Microsoft-Cloud-Produkten mit 15 Prozent Aufschlag.
Gerade in Deutschland und Frankreich gibt es immer wieder den Ruf nach „nationalen Champions“. Dieser Impuls ist angesichts der angedrohten Erpressung und der angespannten geopolitischen Lage verständlich. Viele Beobachter konstatieren, dass das bloße Setzen auf Start-ups sich nicht bewährt hat. Für Unternehmen ergibt es meist wenig Sinn, mit Big Tech zu konkurrieren, daher versprechen private nationale Champions wenig Erfolg.
Gegen Big-Tech-Unternehmen zu konkurrieren bedeutet nicht, ein KI-Modell zu entwickeln. Modelle sind nur ein winziger Teil eines Ökosystems, das sie beherrschen. Es reicht auch nicht aus, wenn die EU Rechenzentren und Datensätze anbietet, um Modelle kostenlos zu trainieren. Sobald ein Modell trainiert ist, muss es irgendwo verkauft werden, und das ist heute die Cloud, ein Markt, der von Amazon, Microsoft und Google beherrscht wird.
Eine Vision über Grenzen hinaus
Daten, Algorithmen und Rechenkapazitäten sind notwendig, um sich von der Macht von Big Tech zu lösen, wie auch der Euro-Stack-Vorschlag aufzeigt. Diese aufzubauen sollte keine rein europäische Aufgabe sein: Wir brauchen eine Hardware-Infrastruktur für das Training, die Verarbeitung und die Entwicklung digitaler Lösungen, die von internationalen öffentlichen Konsortien bereitgestellt wird.
Dazu sind Plattformen wie Suchmaschinen und einfache KI-Modelle nötig, die nach dem Prinzip der Commons unter Beteiligung von Staaten und der Zivilgesellschaft geleitet werden sollten. Das heißt, es geht nicht allein um industriepolitische Handlungsempfehlungen, sondern wir sollten den Einfluss demokratisch legitimierter Akteure stärken, um alternative Technologien zu gestalten. Das schafft überhaupt erst die Möglichkeit dafür, dass diese Alternativen sich an den sozialen und ökologischen Bedürfnissen unserer Zeit ausrichten.
Damit diese Alternativen effektiv mit dem Einfluss von Big Tech brechen, brauchen wir einen öffentlichen Online-Marktplatz auf einer wirklich öffentlichen Cloud. Auf diesem können Organisationen ihre IT-Dienste dem öffentlichen Sektor anbieten. Dann endlich kann und sollte dieser seine Verträge mit den Big-Tech-Clouds und ihren lokalen Verbündeten kündigen. Die öffentliche Beschaffung muss Wegbereiter sein, um die anfängliche Nachfrage auf dem Marktplatz sicherzustellen.
Denn das wesentliche Problem mit den digitalen Technologien, die wir haben, ist nicht, dass sie aus den USA (und mit Deepseek und Tiktok auch aus China) kommen. Das Problem ist, dass sie von einigen wenigen Riesenkonzernen kontrolliert werden, die Wissen aus der Wirtschaft, der Forschung, den Medien ziehen und es nutzen, um alles und jeden, einschließlich Staaten, von sich abhängig zu machen.
Sie sammeln die Daten, bestimmen die Forschungsagenda und schaffen Abhängigkeiten, für die alle anderen teuer bezahlen. Mehr demokratischer Einfluss bedeutet auch, stärker mitbestimmen zu können, zum Beispiel welche Arten von KI überhaupt entwickelt werden – und welche gesellschaftlich nicht wünschenswert erscheinen. Es geht nicht um ein imaginäres Wettrennen zwischen Regionen der Welt. Es geht darum, das öffentliche Interesse vor den Tech-Oligarchen zu schützen.
Cecilia Rikap ist leitende Forscherin und Professorin für Internationale Politische Ökonomie am Institute for Innovation & Public Purpose am University College London. Sie forscht und berät Regierungen aus aller Welt zu Fragen zu Technologiepolitik, KI und Monopolen.
Aline Blankertz ist angewandte Ökonomin und arbeitet zu Themen der Datenökonomie, der Wettbewerbspolitik und der Plattformregulierung. Sie arbeitet als Tech Economy Lead bei der NGO Rebalance Now und hat das digitalpolitische Kollektiv Structural Integrity mitgegründet.