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Standpunkte Die Start-up-Strategie der Bundesregierung braucht ein Update

Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU
Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU Foto: Jens Schicke

Es braucht ein Update, findet die Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrates, Astrid Hamker – und zwar für die Start-up-Strategie der Bundesregierung. Die Wachstumsindikatoren für den Sektor seien zuletzt negativ ausgefallen und es mangele unter anderem an Kapital für große Finanzierungsrunden, hoch qualifizierten Mitarbeitern und Ausgründungen.

von Astrid Hamker

veröffentlicht am 17.09.2024

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Deutschland fällt im europäischen Vergleich weiter zurück und ist nur noch Mittelmaß in Europa. Um den Innovationsstandort Deutschland wieder nach vorne zu bringen und die großen Aufgaben unserer Zeit zu bewältigen, braucht Deutschland ein leistungsstarkes Start-up-Ökosystem.

Die Bundesregierung hat zwar im Zuge ihrer Start-up-Strategie bereits viele Maßnahmen umgesetzt, der große Aufbruch in der Start-up-Szene blieb aber bislang aus. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Die Anzahl der Start-up-Neugründungen liegt mit 2.489 Gründungen wieder auf dem Vor-Corona-Niveau von 2019; Start-ups in Deutschland sammelten 2023 mit 6 Milliarden Euro sogar 39 Prozent weniger Kapital ein, als noch 2022 und die Anzahl der Investments mit einem Investitionsvolumen von über 100 Millionen Euro, sogenannte „Mega-Investments“, fiel 2023 auf gerade acht – hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr mit 19 Investments mehr als halbiert. So ist es auch wenig überraschend, dass die Anzahl der Unicorns 2023 mit 33 Start-ups weiterhin auf einem im internationalen Vergleich niedrigen Niveau verharrt.

Die Liste der negativen Wachstumsindikatoren für das Start-up-Ökosystem in Deutschland ließe sich fortführen. Damit in Zukunft wieder mehr Start-ups hierzulande gegründet werden, aber auch Scale-ups erfolgreich in Deutschland bleiben, und insgesamt die Gründeraktivität wieder zunimmt, braucht die Start-up-Strategie der Bundesregierung dringend ein Update.

Mehr Kapital für Start-up-Gründungen ist nötig

Ein zentraler Baustein für ein leistungsstarkes Start-up-Ökosystem ist eine ausreichendRisko- und Wachstumskapital. Während es in den USA und anderen Ländern an privaten Risikokapitalgebern nicht mangelt, haben es Start-ups in Deutschland weiterhin schwer, an ausreichend Risiko- und Wagniskapital zu kommen.

Für die ersten Finanzierungsrunden junger Start-ups ist der aufgelegte Zukunftsfonds in Höhe von zehn Milliarden Euro zwar ein guter Start, für die späteren, weitaus größeren Finanzierungsrunden mit einem Kapitalbedarf von 100 Million Euro und mehr, braucht es jedoch einen zweiten Fonds in Höhe von mindestens 100 Milliarden Euro. Dafür muss mehr Kapital privater institutioneller Investoren wie von Versicherungen, Stiftungen, Pensionsfonds, ähnlich wie in Frankreich, Großbritannien und Schweden aktiviert werden. Außerdem sollte Deutschland in Zeiten niedriger Zinsen über Anleihen Kapital aufnehmen und es Gründern zur Verfügung stellen.

Eine ausreichend gute Perspektive für einen späteren Börsengang spielt eine ebenso entscheidende Rolle bei großvolumigen Finanzierungsrunden. Damit Start-ups für den Börsengang im Zuge einer Eigenkapitalbeschaffung zukünftig nicht mehr ausländische Börsennotierungen wählen, muss der Börsenstandort Deutschland noch attraktiver werden. Dafür müssen regulatorischen Anforderungen für den Zugang zum Kapitalmarkt weiter vereinfacht werden.

Um Start-ups über alle Wachstumsphasen hinweg neben einem verbesserten Zugang zu Risiko-, Wagnis- und Eigenkapital besser zu unterstützen, muss der Staat zukünftig noch viel häufiger als Ankerkunde für Start-ups auftreten. Es geht darum, dass der Staat im Zuge von öffentlichen Ausschreibungen die Produkte und Dienstleistungen von Start-ups testet und erwirbt und die jungen Unternehmen im Vergabeprozess nicht schlechter stellt oder kategorisch ausschließt. Das ist nur möglich, wenn öffentliche Ausschreibungen zukünftig auch darauf abzielen, innovative Lösungen zu identifizieren und die Besonderheiten von Start-ups im Vergaberecht besser berücksichtigen.

Mehr Talente anwerben und Ausgründungen fördern

Neben einer ausreichenden Finanzierung kommt es für Start-ups darauf an, hochqualifizierte Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Im globalen Wettstreit um Talente müssen daher alle Hürden, die es hochqualifizierten Fach- und Führungskräften erschweren, nach Deutschland zu kommen, restlos und zügig abgebaut werden. Die aktuellen Visa- und Verwaltungsverfahren dauern mit durchschnittlich zwölf Monaten im globalen Wettstreit um Talente schlicht viel zu lange. Der ganze Prozess sollte nicht länger als ein bis zwei Monate dauern. Dazu braucht es mehr qualifiziertes Personal und eine vollständige Digitalisierung der Verfahren.

Den zweiten großen Bremsklotz für Start-ups zur Gewinnung von Talenten, die sogenannte „Dry-Income“-Problematik, hat die Bundesregierung nach vielen Anläufen inzwischen angepackt. Wie praxistauglich die neuen Regeln wirklich sind, kann erst in ein paar Monaten beurteilt werden.

Ein weiterer zentraler Punkt sind in einem leistungsstarken Start-up-Ökosystem Ausgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Da die Übertragung von Nutzungsrechten an geistigem Eigentum oftmals sehr komplex und zeitaufwendig ist, braucht es für die Hochschulen und Forschungseinrichtungen eine umfassende Toolbox mit erprobten Best-Practice-Vorgehensmodellen und Musterverträgen. Auch Start-up-Factories spielen eine entscheidende Rolle für die erfolgreiche Ausgründung und sind flächendeckend in ganz Deutschland gefordert.

Damit innovative Technologien und Geschäftsmodelle von Start-ups in Deutschland entwickelt und vorangetrieben werden, dürfen sie nicht bereits in der Entwicklungsphase durch rechtliche Grenzen ausgebremst werden. Andernfalls verlagern Start-ups ihre Geschäfts- und Entwicklungstätigkeit ins Ausland oder gründen erst gar nicht in Deutschland. Damit die Neugründungen noch nicht zugelassene innovative Technologien und Geschäftsmodelle hierzulande unter Realbedingungen in sogenannten Sandboxes testen und weiterentwickeln können, und nicht von rechtlichen Grenzen ausgebremst werden, braucht es jetzt das Reallabore-Gesetz.

Astrid Hamker hat Betriebswirtschaft in St. Gallen studiert und ist seit 2019 Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, einem CDU-nahen Lobby- und Berufsverband, der die Interessen seiner Mitglieder aus der Wirtschaft vertritt. Sie ist Gesellschafterin und Mitglied des Beirates der Piepenbrock Unternehmensgruppe. Seit dem Ausscheiden aus der Geschäftsführung ihres Familienunternehmens bringt sie ihre Erfahrungen in Aufsichts- und Beiräte ein, wie unter anderem der Tengelmann Verwaltungs- und Beteiligungs GmbH, der Schmitz Cargobull AG oder der Drägerwerk AG.

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