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Standpunkte Digitale Souveränität braucht Mut zu neuen Wegen

Christian Knebel, Geschäftsführer der Publicplan GmbH
Christian Knebel, Geschäftsführer der Publicplan GmbH Foto: Publicplan

Ohne Open Source bleibt der Staat durch steigende Lizenzkosten und geschlossene Systeme erpressbar, findet Christian Knebel. Warum Schleswig-Holstein mit gutem Beispiel vorangeht und was der Bund davon lernen kann, erläutert er im Standpunkt.

von Christian Knebel

veröffentlicht am 05.03.2025

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Wenn ich an dieser Stelle schreibe, dass die Digitalisierung mehr Schub braucht, dann ist das sicherlich für niemanden überraschend. Sondern es ist (hoffentlich) längst Konsens – über Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und alle politischen Lager hinweg. Doch mehr Schub allein kann nicht unser Interesse sein, wenn es uns um einen wirklich smarten Staat geht. Es muss uns auch um die richtige Richtung gehen. Und die muss heißen: ein souveräner, digitaler Staat. So zeigen es uns auch Entwicklungen wie die Abhängigkeit von Gas aus Russland oder Netzwerktechnologie aus China.

Im Digitalen geht es nicht darum, ob die Heizung plötzlich kalt bleibt und die Industrieanlagen plötzlich stillstehen. Auf dem Spiel steht hier, ob Monopol-Anbieter dem Staat ihre Lizenzbedingungen und die Nutzung der eigenen Cloudinfrastruktur diktieren können. Mit der Folge, dass nicht nur Digitalbudgets schneller und schneller durch steigende Lizenzkosten aufgefressen werden. Im schlimmsten Fall können sogar Daten von Bürgern und Unternehmen abfließen aus den „Black Boxes“, die proprietäre Softwaresysteme schaffen.

Der richtige Weg: Mehr Open Source für mehr digitale Souveränität

Auch diese Probleme sind in der deutschen Politik- und Verwaltungslandschaft natürlich nicht unbekannt. Dirk Schrödter, der Chef der schleswig-holsteinischen Staatskanzlei, hat zuletzt an dieser Stelle in seinem sehr lesenswerten Standpunkt dargelegt, wie sein Bundesland als Vorreiter entschieden in Richtung einer Stärkung der digitalen Souveränität steuert: Mit einem klaren Commitment zu Open Innovation und Open Source auch 2025. Ich stimme ihm aus vollem Herzen zu. Nur mit mehr Open Source kann sich die deutsche Verwaltung nachhaltig souverän aufstellen. Dazu braucht es den politischen Willen, der sich in konkretes Handeln übersetzen muss – wie es in Schleswig-Holstein schon mit verschiedenen Programmen geschieht. Und die Verwaltung muss ihre Möglichkeiten aktiver nutzen: Sie muss bevorzugt Open-Source-Lösungen beschaffen und mit ihren Aufträgen heimische IT-Dienstleister stärken, die diese Lösungen professionell umsetzen und betreuen können.

Mehr Schub für die souveräne digitale Transformation

Jedoch: Mit politischem Willen zu mehr Förderung von Open Source ist es nicht getan. Auch nicht mit Unterstützung der IT-Wirtschaft, um vor Ort in Deutschland weiter Kompetenzen zu stärken oder mit Anpassungen des Vergaberechts. Angesichts der Dringlichkeit der digitalen Transformation von Staat und Verwaltung kommt es darauf an, dass wir das „Wie“ verstärkt in den Blick nehmen. Gerade vor dem Hintergrund der durch frühere Weichenstellungen anfallenden Milliardenkosten für proprietäre Software – jährlich.

Dirk Schrödter hatte hierzu schon angerissen: Einer veränderten Vergabepraxis kommt eine zentrale Rolle zu. Doch wenn es einen Bereich gibt, der die ungeheure Komplexität des deutschen Verwaltungssystems illustrieren kann, ist es sicher das Vergaberecht. Veränderungen brauchen hier Zeit, um rechtssicher umgesetzt zu werden. Längst arbeiten natürlich schlaue Köpfe in Schleswig-Holstein wie bundesweit daran, hier gute Lösungen zu finden. Doch bestimmte Grundsätze wie beispielsweise das Gleichbehandlungsgebot werden sich auch mit politischem Willen nicht außer Kraft setzen lassen und es wird auch einiges an Gegenwind geben.

Meine These ist: Es muss mehr passieren als nur ein Drehen an vorhandenen Stellschrauben. Wir brauchen wichtige Neuregelungen und Anpassungen in Vergaberecht und Vergabepraxis. Und die Verwaltung muss willens sein, neue, innovative und mutige Ansätze zu verfolgen, wenn es ihr ernst ist mit einer substanziellen Stärkung der digitalen Souveränität.

Zwei Bausteine zur Stärkung der digitalen Souveränität

Erster Baustein: Die Entwicklung von Open Source Software dient nicht nur dem einzelnen Projekt, sondern schafft digitales Gemeingut mit jeder entwickelten Lösung, die als offener Quellcode zurück in die Community fließt. Gute Ideen und smarte Lösungen, die für eine Verwaltungseinheit entwickelt wurden, können von Entwicklern in anderen Projekten genutzt werden. Open Source trägt dazu bei, schonend mit Steuergeldern umzugehen. Und Open Source trägt dazu bei, effektive, sichere und kompatible Softwarewelten zu schaffen.

Daher sollten Open Source Produkte und Dienstleistungen – analog zu anderen Leistungen, die zum Gemeingut beitragen – dem verminderten Steuersatz von 7 Prozent unterliegen. Das hilft nicht nur, die bereits angesprochene Stärkung der deutschen IT-Landschaft zu erreichen. Es spart auch Kosten für die Verwaltung und ermöglicht, dass Open Source Software durch Kostenvorteile bei Vergaben bevorzugt berücksichtigt werden können. Auch ohne tiefgreifende Anpassungen im Vergaberecht.

Zweiter Baustein: Auch wer nicht auf Open Source setzt, sollte zum Ziel der Stärkung der digitalen Souveränität des Staates beitragen. Ein geeignetes Mittel ist eine Umlage für proprietäre Software. Wann immer proprietäre statt quelloffener Software in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt wird, wird für die Lösungsanbieter eine Abgabe fällig. Diese kann direkt die digitale Souveränität stärken, indem sie einschlägigen staatlichen Institutionen wie dem Zentrum für digitale Souveränität und der Sovereign Tech Agency zugeführt wird. So können gezielt zentrale Projekte unterstützt werden. Diese ermöglichen es wiederum mehr Verwaltungen, verstärkt auf sichere und nachhaltig supportete Open Source Lösungen zu setzen.

Vereinte Kräfte für einen digitalen souveränen Staat

Am Ende braucht es viele Bausteine: Die Erkenntnis, dass digitale Souveränität entscheidend ist für das Gelingen der digitalen Transformation. Den politischen Willen, diese Erkenntnis in konkretes Handeln umzusetzen. Gezielte Unterstützungsprogramme und die Anpassung des bestehenden Rechtsrahmens. Und eben den Mut, neue Wege zu gehen, um Open Source und digitale Souveränität in der Verwaltung konsequent zu stärken. Dann bekommen wir beides: mehr Schub und Tempo in der Verwaltungsdigitalisierung sowie eine resiliente und souveräne Umsetzung der Digitalisierung.

Christian Knebel ist Gründer und Geschäftsführer der Publicplan GmbH, einem auf die öffentliche Verwaltung spezialisierten Open-Source-Unternehmen. Seit 2003 arbeitet er im E-Government an der Umsetzung von Softwarelösungen.

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