Standpunkte Warum nur Open Source digital souverän ist

Schleswig-Holstein setzt als eines von nur zwei Bundesländern auf Open Source. Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei, erklärt im Standpunkt, warum und was sein Land für 2025 geplant hat.
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Jetzt kostenfrei testenEin Umstieg auf Open Source ist aus folgenden Gründen zwingend: Die Lizenzpolitiken großer Hyperscaler sind sehr problematisch. Neben sehr hohen Lizenzkosten schränken die unerwünschten Funktionalitäten wie Produktaktivierungen in großem Umfang, Telemetriedatenabflüsse aus den verwendeten Produkten und Lizenzauditierungen die Handlungsfähigkeit entscheidend ein.
Auch der Zwang, Cloudsysteme der gleichen Hersteller zu verwenden, ist problematisch. Denn damit gehen erhebliche, nahezu unverhandelbare Lizenzbedingungen und -kosten einher. Das alles sind schwerwiegende Gründe, sich mit Alternativen zu den IT-Systemen von marktdominierenden Herstellern auseinanderzusetzen.
Open Source ist digital souverän
Schleswig-Holsteins Strategie ist deshalb auch für das Jahr 2025 klar: Wir schaffen digitale Souveränität durch Open-Source-Lösungen und verbinden dies mit der Stärkung des Digitalstandorts Deutschland. Diese zwei Seiten einer Medaille müssen wir bundesweit noch größer denken als wir es bislang getan haben.
Diese doppelte Strategie spiegelt sich in der Ende November 2024 veröffentlichten Open-Innovation- und Open-Source-Strategie des Landes Schleswig-Holstein wider. Digitale Souveränität bedeutet für Individuen und Institutionen, ihre Rollen in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können. Diesen Anspruch an uns selbst als Land wollen wir umsetzen. Diese Fähigkeiten und Möglichkeiten lassen sich aber nur dann ausprägen, wenn wir in der digitalen Transformation über ausreichend Gestaltungsmacht verfügen.
Unsere Strategie zeigt den Weg auf, wie wir genau diese Gestaltungsmacht erreichen können. Dazu gehören in erster Linie die Nutzung offener Software, aber auch offene Schnittstellen, Austauschformate, technische Geräte, Netze, Dienste und Infrastrukturkomponenten.
Open Source Software ist ein elementar wichtiger Baustein, um einzelne, monopolartige wirtschaftliche oder technologische Abhängigkeiten zu vermeiden. Damit geht einher, jederzeit Einfluss auf die Betriebsprozesse der IT-Systeme nehmen zu können und Herr über unsere Daten zu sein. Das ist die digitale Souveränität, die wir brauchen. Das gilt eins zu eins ebenso für unsere Unternehmen, insbesondere für unsere KMU.
Was Schleswig-Holstein vorhat
Das strategische Vorgehen zum Einsatz von Open Source in den IT-Systemen des Landes wurde im Regierungsprogramm der schleswig-holsteinischen Landesregierung fest verankert. Im Rahmen des Programms „Open-Source-Vorhaben Schleswig-Holstein“ wird ein digital souveräner Arbeitsplatz entwickelt, der auf quelloffener Software basiert und in einer überwiegend auf Open Source Software basierenden Infrastruktur betrieben wird.
Es ist anzuerkennen, dass die Lizenzzahlungen für proprietäre Software das Risiko abdecken, dass die Entwicklung der Software unerwartet eingestellt werden könnte. Dennoch bleibt das beschriebene Risiko plötzlicher und unbeeinflussbarer Lizenzgebührenanpassungen und der bedingungslosen Anbieterabhängigkeit. Beides liegt in der Natur der Sache monopolartiger Strukturen, die es aufzubrechen gilt. Beides spricht aber auch dafür, dass wir andere und neue Wege gehen müssen.
Open Source braucht Unternehmen
Es ist naiv zu glauben, das Land würde Produkte einsetzen, die Studierende in stillen Kämmerchen programmieren und deren Code wir irgendwo heruntergeladen haben, um damit unsere Verwaltung zu automatisieren. Die Frage nach dem Fortbestand einer Software wird dadurch beantwortet, ob sich jemand findet, der in der Lage ist, die Software dauerhaft zu betreuen. Auch beim Einsatz von Open-Source-Software arbeiten wir deshalb mit hochprofessionellen und profitablen Unternehmen zusammen. Aber deren Geschäftsmodelle sind andersartig aufgebaut.
Weil es im besonderen Interesse der Landesverwaltung ist, Open-Source-Software dauerhaft einzusetzen, wird ihre Entwicklung auch direkt durch die Steuerung des Mitteleinsatzes unterstützt. Anstelle der Finanzierung von Lizenzgebühren werden diese Mittel eingesetzt, um Entwicklungsaufträge oder Supportverträge zu finanzieren. Wenn wir die heimische Digitalwirtschaft einbinden, stärken wir auch den Standort. Mit digitaler Souveränität durch den Einsatz von Open-Source-Software-Lösungen ist also eine Industriepolitik für die Digitalwirtschaft verbunden. Diese Entwicklung wollen wir mit dem „Digital Hub Schleswig-Holstein“ bei unserer „Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH“ forcieren und ausbauen.
Schleswig-Holstein will Mitglied der Zendis werden
Digitale Souveränität ist der Eckpfeiler der Open-Source-Strategie in Schleswig-Holstein. Deshalb besteht im Land ein großes Interesse, der Zendis beizutreten. Das Zentrum Digitale Souveränität (Zendis) koordiniert und steuert Open-Source-Softwareentwicklungsvorhaben und bildet dafür die zentrale Anlaufstelle für die öffentliche Verwaltung.
Für das Jahr 2025 ist der Weg vorgegeben. Schleswig-Holstein wird seinen digital souveränen Arbeitsplatz weiter vorantreiben und entwickeln, mit dem Ziel, dass sich bis Oktober 2025 der weit überwiegende Teil der Landesverwaltung von Microsoft Office verabschiedet. Wir werden in unserer Landesverwaltung stattdessen LibreOffice, Open Xchange und Thunderbird sowie Nextcloud Stück für Stück ausrollen und einsetzen. Unser Betriebssystem werden wir auf Linux umstellen und die eingesetzten Fachverfahren anpassen. Hersteller solcher Verfahren werden sich umstellen müssen, wenn sie zukünftig in Schleswig-Holstein eine Rolle spielen wollen.
Marktmacht der öffentlichen Hand ausspielen
Weiter müssen wir den Bund und andere Länder dahingehend bewegen, dass sie sich ebenso auf den Pfad der digitalen Souveränität begeben. Derzeit werden weit mehr Haushaltsmittel für Lizenzen in Hyperscaler wie Oracle und Microsoft und Anstrengungen in die Delos-Cloud gesteckt, als in Zendis. Das ist nicht länger hinnehmbar.
Zukünftig gilt es, die Marktmacht der öffentlichen Hand auszuspielen und Wettbewerb durch den Einsatz von Open-Source-Lösungen zu ermöglichen. Das gelingt am besten durch das Umsteuern unserer IT-Budgets in quelloffene Systeme. Wir brauchen nicht immer neue Förderprogramme. Wir können eine Industriepolitik für unsere heimische Digitalwirtschaft entwickeln, die schlicht die Möglichkeiten nutzt, die unsere IT-Budgets bereits jetzt eröffnen. Es kann nicht angehen, dass lediglich ein halbes Prozent des Softwareentwicklungsbudgets des Bundes für Open-Source-Projekte eingesetzt wird.
Und das, obwohl eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie prognostiziert, dass eine Erhöhung der Open-Source-Software-Beiträge um 10 Prozent jährlich ein zusätzliches Wirtschaftswachstum zwischen 0,4 Prozent bis 0,6 Prozent sowie mehr als 600 zusätzliche ICT-Start-ups in der EU generieren würde. Auch Harvard-Studien belegen eindrucksvoll die ökonomischen Vorteile für Volkswirtschaften und Unternehmen, die im Einsatz von Open-Source-Lösungen liegen. Wir müssen also unsere Beschaffungs- und Vergabepraxis anpassen.
Wir zeigen 2025, dass ein digital souveräner Arbeitsplatz keine Utopie, sondern technisch machbar und möglich ist. Wir wollen weitere Verwaltungen gewinnen, die mit uns diesen Weg beschreiten. Und wir wollen mit dieser Strategie Wachstum und Arbeitsplätze am Digitalstandort Deutschland schaffen.
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