Der Global Risk Report 2025 des Weltwirtschaftsforums (WEF) zeigt unmissverständlich: Die Welt steht vor massiven Umbrüchen. Geopolitische Spannungen, staatlich geführte Konflikte und der Rückgang internationaler Zusammenarbeit gefährden die Stabilität. Gleichzeitig nehmen die Risiken durch Cyberangriffe, digitale Spionage und gezielte Desinformation zu.
Diese Entwicklungen gefährden nicht nur die globale Stabilität, sondern auch die Grundwerte unserer Demokratie. Während andere Länder längst handeln, ist Deutschland zu zögerlich und bei der Digitalisierung hinten dran – und droht, den Anschluss zu verlieren.
Inmitten dieser Krisen wird Autonomie – die Fähigkeit, unabhängig zu handeln – besonders in der Kritischen Infrastruktur, Verteidigung und digitalen Sicherheit immer wichtiger.
Der verantwortungsvolle Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), der Schutz vor Desinformation und der Aufbau einer digitalen Souveränität in Europa sind entscheidend für unsere Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Deutschland hat bei der Digitalisierung wertvolle Zeit verloren. Während andere Länder bereits handeln, stehen hier oft noch Grundsatzdebatten im Vordergrund. Ein erheblicher Kraftaufwand wird nötig sein, um den Rückstand aufzuholen und die digitale Zukunft aktiv zu gestalten.
Deshalb erfordern diese Herausforderungen eine entschlossene Antwort von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein proaktiver Ansatz ist unabdingbar, um Risiken zu minimieren und digitale Technologien gezielt einzusetzen – ohne digitale Souveränität ist auch unsere Verteidigungsfähigkeit gefährdet. Diese Transformation kann nur gelingen, wenn wir gemeinsam handeln und digitale Souveränität nicht länger als optional, sondern als essenziell begreifen. Während wir diskutieren, schaffen andere Fakten.
Warum die Cloud zur neuen Festung wird
Über Jahrhunderte hinweg war Souveränität mit Festungen und Burgen untrennbar verbunden – massive Mauern, die Gesellschaften vor äußeren Bedrohungen schützten und die Kontrolle zentraler Güter sicherstellten. Im digitalen Zeitalter hat der Begriff eine neue Bedeutung bekommen.
Souveränität wird heute nicht mehr durch Steinmauern, sondern durch die Kontrolle über Daten, digitale Infrastrukturen und Technologien definiert.
In einer zunehmend vernetzten globalen Wirtschaft sind hochsichere digitale Cloud-Lösungen deshalb nicht länger eine Option, sondern eine Notwendigkeit – gerade für sicherheitssensible Organisationen einer Gesellschaft. Unternehmen und Regierungen müssen sich in einem immer komplexeren geopolitischen Umfeld behaupten, dabei steigende Anforderungen an Datensicherheit und Regulatorik erfüllen und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit bewahren. KI bringt weltweit einen enormen Produktivitätsboost mit sich – wer wirtschaftlich wachsen will, muss KI nutzen, und um das zu tun, braucht es leistungsfähige Cloud-Lösungen.
Investitionen in europäische Cloud-Lösungen
Staaten und Unternehmen müssen in digitale Souveränität investieren, um ihre Daten zu schützen und strategische Abhängigkeiten zu reduzieren. Dies gilt gleichermaßen für souveräne Rechenzentren wie auch den souveränen Betrieb von Cloudlösungen. Der Aufbau eigener technologischer Fähigkeiten ist entscheidend, um Resilienz zu stärken, wirtschaftliche Stabilität zu sichern und langfristige Wettbewerbsfähigkeit durch Nutzung der wichtigsten Innovationen zu gewährleisten. Die zentrale Frage ist nicht mehr, ob digitale Souveränität notwendig ist – sondern wie entschlossen und schnell sie umgesetzt wird.
Um den Weg dorthin zu beschleunigen, muss massiv in europäische Cloud-Lösungen investiert werden. Dies erfordert nicht nur private, sondern auch staatliche Partnerschaften. Europäische Cloud-Anbieter müssen sicherstellen, dass sie die Datenhoheit haben, sowie legale, technische und betriebliche Souveränität erfüllen. Dabei ist entscheidend, dass eine vollständige Kontrolle durch die EU-Nutzer gewährleistet ist und keine Risiken durch extraterritoriale Gesetzgebung bestehen.
Klärung der regulatorischen Rahmenbedingungen
Ein weiterer wichtiger Schritt ist ein klarer, harmonisierter regulatorischen Rahmen. EU-weite Vorschriften wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und die NIS2-Richtlinie bieten eine solide Grundlage. Aber es bedarf vor allem eines effektiven und praxistauglichen Rahmens, der Innovation ermöglicht statt verhindert. In diesen regulatorischen Prozess müssen Technologieunternehmen aktiv involviert sein.
Neben der Infrastruktur und den rechtlichen Rahmenbedingungen ist es unerlässlich, dass Europa mutig in Forschung und Entwicklung im Bereich Cloud-Technologien investiert. Europa muss in der Lage sein, innovative, zukunftsfähige Technologien wie Quanten-Computing und KI zu integrieren, um den sich wandelnden Anforderungen der globalen Wirtschaft gerecht zu werden. Ebenso essenziell ist der Bildungsbereich: Von der Schule, über die weiterführende Ausbildung bis zum lebenslangen Lernen müssen wir neue Technologien, speziell KI, proaktiv inkludieren.
Förderung von Partnerschaften
Das Zusammenspiel von Forschung, Start-ups und Venture Capital innerhalb eines gut funktionierenden Ökosystems ist entscheidend, um langfristig digitale Souveränität zu erreichen und Zukunftsthemen zu treiben. Um Spitzentechnologien zu entwickeln und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die für die Skalierung dieser Technologien notwendig sind, braucht es eine gezielte Förderung.
Nur durch enge Zusammenarbeit können maßgeschneiderte Lösungen entwickelt werden, die den Anforderungen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft gerecht werden. Diese Partnerschaften sind notwendig, um innovative Cloud-Dienste zu entwickeln und gleichzeitig die Resilienz gegenüber externen Bedrohungen zu erhöhen. Ein Beispiel für diese Art der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ist das Projekt IPCEI-CIS, das ein europäisches Ökosystem zur Datenverarbeitung schaffen will.
Cloud-Souveränität in Europa
Cloud-Souveränität in Europa erfordert eine Kombination aus strategischen Investitionen, innovativen Technologien und effektiven regulatorischen Rahmenbedingungen. Die Technologie hat sich längst über Hardware und Waffen hinausentwickelt. Die Kontrolle über Daten ist zu einer entscheidenden strategischen Notwendigkeit geworden.
Nur wenn Europa die Kontrolle über seine Daten und Infrastrukturen behält, bleibt es in einer zunehmend vernetzten Welt wettbewerbsfähig und sicher. Es ist an der Zeit, dass Europa entschlossene Schritte unternimmt, um die digitale Souveränität nicht nur als Konzept, sondern als gelebte Realität zu verankern.
Jetzt haben wir die Chance, eine digitale Festung zu errichten, die nicht auf Mauern und Türme setzt, sondern auf technologische Innovationskraft, strategische Investitionen und eine klare Vision. Nur entschlossenes Handeln kann sicherstellen, dass unsere digitale Zukunft in unseren Händen bleibt.
Thomas Saueressig ist Vorstand der SAP. Er leitet den Bereich „Customer Services and Delivery“, wo er für die Cloud-Produkte der SAP weltweit verantwortlich ist. Davor war er als SAP-Vorstand für „Product Engineering“ verantwortlich. Als CIO im Konzern hat er von 2016 bis 2019 die Cloud-Transformation der SAP geprägt.