Vor circa hundert Jahren wurde in europäischen Staaten entschieden, dass nur noch Zentralbanken Geldscheine drucken dürfen. Allerdings ist Bargeld heute nicht mehr das dominierende Geld – das ist mittlerweile das von privaten Banken per Kredit erzeugte und digital auf unseren Bankkonten gespeicherte Giralgeld, das circa 95 Prozent unserer Geldmenge ausmacht.
Trotzdem bleibt das öffentliche Bargeld das rechtliche Rückgrat unseres Geldsystems. Es hat aber einen Nachteil: Es existiert für uns Geldbenutzer nicht in digital speicherbarer Form, sondern nur in Form von Geldscheinen, die für viele Zahlungen unpraktisch sind. Niemand bekommt sein Gehalt mehr in der Lohntüte, niemand bringt seinem Vermieter Bargeld im Umschlag vorbei.
Kryptowährungen als Herausforderung für die Zentralbank
Zugang zu digitalem Zentralbankgeld, das gleichwertig zu Bargeld ist, haben heute exklusiv die Banken und der Staat. Für die EZB wird es in diesem Kontext immer schwieriger, Geldpolitik zu betreiben: Die „Quantitative-Easing“- Politik zeigt, dass sie ihre finanzpolitischen Eingriffe immer mehr ausweiten muss, weil ihre herkömmlichen Steuerungsmethoden nicht mehr greifen.
In dieser kritischen Situation entsteht jetzt eine weitere Geldart: Neues digitales Geld, das auch als Kryptogeld oder „Token“ bezeichnet wird. Intensiv wird diskutiert, wer diese „Token“ herausgeben darf und was die rechtliche Grundlage dafür ist. Genauso wie vor hundert Jahren beim Bargeld müssen wir uns heute überlegen, ob es nicht besser wäre, dieses neue Token-Geld genauso wie unsere Geldscheine von der Zentralbank produzieren zu lassen.
Wir brauchen ein digitales Geld der EZB
Dass in der Eurozone lediglich Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel gilt, ist im Zeitalter der Digitalisierung überholt. Vielmehr muss dieser Begriff ausgeweitet werden auf die neuen programmierbaren Arten von digitalem Geld, aber auch auf das heute schon auf unseren Konten digital gespeicherte Giralgeld der privaten Banken. Das würde eine Änderung des rechtlichen Rahmens der Europäischen Zentralbank und folglich auch des deutschen Bundesbankgesetzes erfordern. Dann hätten wir alle sowohl Zugang zu digitalem Zentralbankgeld (auf Konten der Zentralbank oder von ihr beauftragten Treuhändern) als auch zu einem Euro-Token, den wir auf unseren Computern speichern und transferieren könnten.
Bargeld, digitales Zentralbankgeld und Euro-Token wären dann rechtlich gleichwertig und wir könnten diese Geldarten je nach Bedarf und eigenen Vorlieben einsetzen. Wir könnten damit auch selbst wählen, ob wir öffentliches oder privates Digitalgeld nutzen wollen. Die Risiken von privatem Geld (Stichwort Bankenrettungen) müssten wir dann aber nicht mehr mitfinanzieren. Denn selbst bei Zusammenbruch privater Banken gäbe es noch ein funktionierendes öffentliches Zahlungssystem.
Bankruns besser managen
In unserem zweistufigen Geldsystem, in dem privates Giralgeld durch öffentliches Bargeld unterlegt wird, besteht immer eine Bankrun-Gefahr: Wenn sich die Bankkunden unsicher fühlen, holen sie sich ihr Bargeld bei den Banken, das es heute gar nicht mehr in dieser Menge gibt. Dadurch entsteht Panik. Wenn es zusätzlich die Option auf digitales Zentralbankgeld gäbe, könnten die Bankkunden ihr Geld sehr einfach auch digital umtauschen – das dafür notwendige Zentralbankgeld wäre viel leichter herzustellen als Bargeld: Es genügen die notwendigen Einträge in Bank- und Zentralbank-Computern. Die Bankrun-Gefahr wäre deshalb geringer, wenn es auch ein digitales gesetzliches Zahlungsmittel gäbe.
Neuer Schwung für die Eurozone
Eine solche Erweiterung der Gelddefinition würde auch der Eurozone neuen Schwung verleihen: Die Geld-Innovation „Token“ hätte den von den Banken geforderten verlässlichen Rechtsrahmen und könnte als Euro-Token schnelle länderübergreifende Bezahlvorgänge ermöglichen. Der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, hat zusätzlich noch darauf hingewiesen, dass durch die Emission von Euro-Token und dem damit verbundenen Zentralbankgewinn auch das Problem überschuldeter Euroländer gelöst werden könnte – dieser Hinweis muss zumindest genauestens untersucht werden.
Aus all diesen Gründen muss unsere Geldordnung dringend modernisiert werden: Wir brauchen unser gesetzliches Zahlungsmittel auch in digitaler Form, um unser Geldsystem zu stabilisieren und den technischen Neuentwicklungen gerecht zu werden. Frau Lagarde und auch Frau von der Leyen sind jetzt gefragt: Machen Sie noch in diesem Jahr konkrete Vorschläge, um den Euro zukunftssicher zu machen!