Die Funktionsweise im städtischen Leben hat sich im Zuge der Corona-Pandemie spürbar gewandelt. Digitale Anwendungen ergänzen und verdrängen analoge in zahlreichen Teilbereichen des Lebens: in Schule, Beruf und Wirtschaft sowie privatem Dasein. Das Verschwimmen von Wohnen, Arbeiten und Bildung, digitale Konversation statt physischer Besuche im Familien- und Freundeskreis illustrieren eine Blaupause für etwaige künftige digitale Lösungen.
Für bundesweite Städtedigitalisierung fehlt in Deutschland ein Gesamtkonzept
In Kommunen lässt sich der Prozess der Digitalisierung und Vernetzung bereits seit Jahren unter dem Begriff „Smart City“ beobachten. Smart-City-Strategien zielen darauf ab, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, umweltfreundlicher und sozial inklusiver zu gestalten. Hier existieren allerdings große Herausforderungen, bestehende Ansätze lassen mitunter ein strategisches Gesamtkonzept vermissen.
Einerseits gewinnen Städte als Wohnort für den überwiegenden Teil der Weltbevölkerung seit Jahren an Bedeutung. Andererseits sind gerade in den Städten verstärkt Phänomene zu bewältigen, die in anderen Räumen weniger intensiv wirken: Klimawandel, zu hohes Verkehrsaufkommen oder aktuell die Corona-Pandemie. Smart Cities können zahlreiche stadttypische Prozesse unterstützen und vereinfachen, so beispielsweise die Transformation der Mobilität.
Die durch die Corona-Pandemie erzeugte Krise könnte die Umsetzung smarter Strukturen unerwartet beschleunigen und intensivieren. Dies bietet auch eine Chance. Bereits seit Jahren existieren zahlreiche smarte Modellprojekte in den Kommunen. Beispielsweise wird das Wohnen und dessen Vereinbarkeit mit dem Beruf in den Städten durch intelligente Anwendungen umsetzbar, die Energieeffizienz verbessert, verkehrsberuhigte Bereiche nehmen durch digitales Verkehrsmanagement sowie automatisierte Parkraumbewirtschaftung zu, die Sektorenkopplung verschiedener Wirtschaftsbereiche (Energie, Wohnen, Mobilität) liefert neue Lösungen. Die Voraussetzung dafür bildet jedoch eine tragfähige digitale Grundversorgung.
Das Mobilitätsverhalten wird zu Kooperationen zwischen Ride-Sharing und ÖPNV führen
Die Corona-Krise hat den digitalen Vernetzungsanspruch bereits jetzt in zahlreichen Bereichen erhöht. Das selbstbestimmte Leben wird ohnehin in den nächsten Dekaden virtueller, durch exogene globale Schocks wie Corona vielleicht sogar schon früher. Durch neue Kommunikationskonzepte entstehen veränderte Formen der Arbeit, Bildungs(re)formen oder intensiviert sich das E-Government, das den gewohnten Behördengang ersetzt. Im Mobilitätsbereich spielt die intermodale Vernetzung nach wie vor eine große Rolle. Die Prognosen und Pläne in den Ballungszentren zielen auf einen Rückgang des Individualverkehrs und eine Stärkung des ÖPNV sowie der Sharing-Angebote auf Basis alternativer Antriebsformen ab. Aufgrund des sich veränderten Mobilitätsverhaltens erfahren die bisherigen Ansätze einen erheblichen Nachfragerückgang. RidePooling-Dienste kämpfen nun um Marktanteile und gehen Kooperationsmodelle mit den Verkehrsbetrieben ein. Ob sich die Produktionsorganisation und -steuerung aufgrund der Corona-Pandemie vermehrt zentralisiert, bleibt abzuwarten. Eine Reorganisierung von globalen Lieferketten ist zumindest in einigen Wirtschaftsbereichen nicht ausgeschlossen.
Für alle Entwicklungen braucht es den Ausbau der Breitbandversorgung
Trotz allem werden die Grundfunktionen der Stadt erhalten bleiben und zunehmend in den Fokus der öffentlichen Debatte rücken. Ihre Funktionen werden sich nicht extrem verändern, jedoch werden andere Mittel genutzt, um das Zusammenleben zu organisieren. Um jedoch „smart“ werden zu können, brauchen Städte und Gemeinden – dies zeigen die aktuellen Erfahrungen deutlich – flächendeckend die notwendige Basisinfrastruktur, um künftig gewünschte Nutzungsoptionen, wie Homeoffice, autonomes Fahren oder Telemedizin, überhaupt umsetzen zu können. Daher bleibt der Ausbau der Breitbandversorgung ein vorrangiges Ziel. Im internationalen Vergleich ist Deutschland hier nur unteres Mittelmaß.
Die benötigte
Infrastruktur als Grundlage für intelligente städtische Konzepte können in
letzter Konsequenz vor allem die Kommunen selbst bereitstellen. So ist die
Digitalisierung für die Gestaltungsmöglichkeiten der Städte in Zeiten der
Corona-Krise augenscheinlich wichtiger denn je. Dezentrale smarte Lösungen
funktionieren jedoch nur mit einem flächendeckenden Breitbandausbau. Dieser ist
– gerade in Zeiten von Corona – immer mitzudenken. Mit Niklas Günther und Christoph Mengs
Oliver Rottmann ist geschäftsführender Vorstand des KOWID Kompetenzzentrum für Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. an der Universität Leipzig. Niklas Günther und Christoph Mengs sind Wissenschaftliche Mitarbeiter Mitarbeiter am KOMKIS Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen der Universität Leipzig.