Auf Bundesebene gab die deutsche Verwaltung allein 2023 für Softwarelizenzen mehr als 1,2 Milliarden Euro aus. Dabei waren es nur ein Jahr zuvor noch 771 Millionen Euro. Das ist nahezu eine Verdopplung der Kosten – weit mehr, als durch Inflation oder zusätzliche Lizenzen erklärbar wäre.
Wie kann das sein? Obwohl es notwendig wäre, existiert keine detaillierte Aufschlüsselung der stetig steigenden Lizenzkosten. Nur mittels einer solchen Aufschlüsselung ließen sich die wahren Gründe für den Kostenanstieg ermitteln. Nur so ließe sich sicherstellen, dass Steuergelder tatsächlich kosteneffizient und zielführend eingesetzt werden.
Wir sollten dem Beispiel der USA folgen
Vor dem Hintergrund ähnlicher Herausforderungen hat das US-amerikanische Government Accountability Office (US GAO) – das mit dem Bundesrechnungshof vergleichbar ist – mit Nachdruck gefordert, dass Behörden ihre Softwarebestände und die damit verknüpften Lizenzbedingungen einem besseren Monitoring unterziehen müssen. Ziel ist, so Wege gegen steigende Lizenzkosten und die Abhängigkeit von Softwareanbietern zu finden.
Und tatsächlich hat die US GAO erst kürzlich betont, wie restriktive Softwarelizenzen einerseits die Softwarekosten erhöhen und andererseits die Auswahl von Cloud-Anbietern für die Verwaltung einschränken. Die Behörde hat sich daraufhin für Richtlinien im Umgang mit Softwarelizenzen ausgesprochen.
Wenn wir dem Beispiel folgen, sollten Bund und Länder also prüfen, ob die aktuell im Raum stehenden Verlängerungen gewisser Softwarelizenzen tatsächlich ihren Anforderungen entsprechen oder schlicht infolge ihrer Abhängigkeit von marktführenden Softwareanbietern erzwungen werden. Und das am besten, bevor in diesem Jahr über die IT-Investitionen entschieden wird.
Stichwort Abhängigkeit: Ab 2025 wird Microsoft die Unterstützung für seine On-Premise-Softwarelösungen, die in der deutschen Verwaltung großflächig eingesetzt werden, schrittweise einstellen. Die langfristigen Konsequenzen für Deutschland könnten erheblich sein, insbesondere angesichts wachsender globaler Kritik an den Geschäftspraktiken von Microsoft.
Diese Praktiken stehen inzwischen unter verschärfter Beobachtung des Bundeskartellamts und werden von der US-amerikanischen Federal Trade Commission (FTC) geprüft. Das Bundeskartellamt argumentiert in seiner offiziellen Pressemitteilung zum Vorgang, Microsoft nehme vielfach eine Doppelrolle ein, „da das Unternehmen nicht nur den Rahmen für Drittentwickler setzt, sondern zugleich als deren Wettbewerber auftritt.“
Dreiklang: Kostensteigerungen, Abhängigkeiten, Sicherheitsrisiken
Microsoft-Produkte und -Dienstleistungen fördern die strukturelle Abhängigkeit von ihrem eigenen Ökosystem. Zu den daraus resultierenden Negativfolgen gehören insbesondere:
- Anwenderabhängigkeit und Lizenzkostenspirale: Langjährige Lizenzverträge schaffen Abhängigkeiten, da die Umstellung auf alternative Softwarelösungen schon aufgrund des damit verbundenen Schulungsaufwands von Tausenden von Mitarbeitern unrealistisch erscheint. Diese Abhängigkeit von Microsoft-Software ist anbieterseitig mit nahezu unbegrenzten Kostensteigerungen verknüpft. Der Effekt: Steuergeldverschwendung im großen Stil.
- Eingeschränkte Technologieauswahl: Microsoft erhebt Strafgebühren von bis zu 300 Prozent für Kunden, die Lizenzen auf Cloud-Infrastrukturen von Drittanbietern wie Anexia, Google, Outscale nutzen möchten. Diese Praxis macht einen späteren Anbieterwechsel äußerst unattraktiv und praktisch unmöglich.
- Steigende Sicherheitsrisiken: Werden Optionen bei der Auswahl von Software- und Cloudlösungen eingeschränkt, können größere Sicherheitslücken entstehen, da sich die Wahl der Technologie nicht mehr passgenau nach den eigenen Sicherheitsanforderungen richtet. Der großangelegte Hackerangriff von 2023, bei dem ein Kollektiv an Hackern Zugriff auf vertrauliche Nachrichten des US-Außenministeriums erlangte, ist der bisher schwerwiegendste Fall – aber keineswegs ein Einzelfall.
Restriktive Softwarelizenzen sollten reguliert werden
Bevor sie Investitionsentscheidungen treffen, müssen sich Bund und Länder die folgenden Grundsatzfragen stellen:
- In welchem Umfang werden sie durch restriktive Lizenzbedingungen zu bestimmten Kaufentscheidungen gezwungen?
- Welche tatsächlichen Kosten entstehen dadurch für den deutschen Steuerzahler?
- Welche Leitlinien könnten helfen, Steuerausgaben zu verringern und die Auswahlmöglichkeiten bei Technologieentscheidungen zu vergrößern? Wie ließe sich das Recht auf Verhandlung der Kündigungsfristen im Lizenzvertrag verankern?
Die von der FTC untersuchten Lizenzpraktiken und Geschäftsmethoden von Microsoft sind kein rein amerikanisches Problem, sondern betreffen Unternehmen und öffentliche Einrichtungen weltweit. Einer Untersuchung der britischen Competition and Markets Authority (CMA) zufolge, hat Microsoft das Potenzial, seinen Wettbewerbern im Cloud-Bereich zu schaden und macht Unterschiede bei Preisgestaltung und Qualitätsfaktoren zwischen den eigenen Kunden und Fremdanbietern.
IT-Experte Peter Gerdemann forderte bereits im vergangenen Jahr in einem Tagesspiegel-Standpunkt, das Risikoprofil bei der Nutzung von Bürosoftware aus der Cloud regelmäßig neu zu bewerten und Anbieter in die Pflicht zu nehmen. „Der Abbau von Monokulturen und Diversifizierung des Cloudportfolios ist die wichtigste Aufgabe.“
Das unterstreicht, wie rasch Verfahren zur Untersuchung konkreter Verhaltensweisen Microsofts eingeleitet werden sollten. Das Bundeskartellamt hat dazu bereits festgestellt, dass Microsoft ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb in Deutschland ist und somit unter die erweiterte Missbrauchsaufsicht nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen fällt.