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Standpunkte Wie Gründerinnen ausgebremst werden und was wir dagegen tun können

Franziska Teubert, Geschäftsführerin Start-up-Verband
Franziska Teubert, Geschäftsführerin Start-up-Verband Foto: Lukas Schramm

Erstmals ist die Anzahl an Gründerinnen gesunken. Die Familiengründung ist für sie oft herausfordernd, daher muss die Vereinbarkeit von Unternehmertum und Familie in der laufenden Steuergesetzgebung berücksichtigt werden, fordert Franziska Teubert vom Start-up-Verband.

von Franziska Teubert

veröffentlicht am 16.10.2024

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Seit Jahren diskutieren wir, wie wir mehr Gründerinnen in der Start-up-Szene sehen. Wir sprechen über Zugänge zu Kapital und Netzwerke, setzen Gründerinnen auf die Bühnen dieser Republik und konnten dafür in den letzten Jahren jedes Jahr aufs Neue verkünden: Die Zahl der Start-up-Gründerinnen steigt!

Zahl der Gründerinnen ist erstmals gesunken

In diesem Jahr ist das anders. Erstmals ist die Anzahl an Gründerinnen gesunken – von 21 Prozent im Jahr 2023 auf jetzt nur noch knapp 19 Prozent. Allen Female Founders Acceleratoren, Gründerinnen-fokussierten Fonds und Female Empowerment Talks zum Trotz haben sich weniger Frauen dazu entschieden, als Gründerin ein Start-up aufzubauen. Ein Rückschlag in Sachen Gleichberechtigung und ein großer Verlust für unsere Wirtschaft. Denn Frauen gründen zum einen häufig in gesellschaftlich relevanten Bereichen, bauen diversere Teams auf und verfolgen zum anderen neben Wachstumszielen auch häufig nachhaltige und soziale Ziele. Sie sind also genau das, was die Wirtschaft derzeit sucht und dringend benötigt: Gestalterinnen der Transformation!

Die sinkende Zahl an Start-up-Gründerinnen muss uns daher ein Weckruf sein. Klar ist: wir machen es Gründerinnen nicht besonders leicht. Über 90 Prozent des in Deutschland investierten Kapitals fließt in Männerteams und nur 1 Prozent in Frauenteams. Investorinnen und weibliche Business Angel sind immer noch zu selten. Die gerade geschaffene Emerging Manager Facility (EMF) bei der KfW Capital wird hoffentlich helfen, dass künftig mehr Frauen an der Spitze der Venture Capitals stehen. Das ist kein Selbstzweck, sondern Gebot ökonomischer Vernunft.

Care-Arbeit auch in der Start-up-Szene eine Hürde

Jetzt müssen wir endlich die strukturellen Hürden für Gründerinnen angehen. Die größte Herausforderung, vor der Gründerinnen stehen, ist die Vereinbarkeit von Unternehmertum und Familie. Denn häufig fallen Unternehmensgründung und Familiengründung zusammen. Und leider sind es auch in der Start-up-Szene häufig nach wie vor die Frauen, die den Großteil der Care-Arbeit schultern. Dabei ist Kinder großzuziehen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Frauen, egal ob Angestellte oder als Unternehmerin selbständig, dürfen nicht allein die Last der Care Arbeit tragen. Wir brauchen generell mehr Anreize für eine echte paritätische Aufteilung – von Geburt an.

Um für mehr Frauen den Balanceakt von Start-up und Familie leichter zu gestalten, müssen wir bessere Voraussetzungen schaffen. Ich kenne keine Gründerin, die nach der Geburt ihres Kindes ein vollständiges Jahr ausgesetzt hat. Vielmehr sind die meisten bereits nach einigen Wochen wieder zurück im Unternehmen. Dass sie damit durch das typische Angestellten-Raster von Mutterschutz und Elterngeld fallen, bekommen sie dann schnell zu spüren. Als Selbstständige haben sie keine finanzielle Absicherung in den Wochen vor und nach der Geburt, wie ihn der Mutterschutz angestellten Frauen bietet. Das Elterngeld ist für Selbständige zu bürokratisch und vor allem zu unflexibel gestaltet, so dass viele Gründerinnen dieses nicht in Anspruch nehmen. Und bei derzeit 430.000 fehlenden Kitaplätzen und einem Betreuungsanspruch erst ab einem Jahr organisieren viele Gründerinnen die notwendige Kinderbetreuung privat – doch die Kosten dafür können sie nur zu einem sehr geringen Teil steuerlich geltend machen.

Kosten für Kinderbetreuung steuerlich anders handhaben

Derzeit können nur maximal 4000 Euro pro Jahr und Kind steuerlich als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Und das auch nur bis zu maximal Zweidrittel der Betreuungskosten. Das sollte sich ändern – und zwar schnell. Mit der derzeit laufenden Steuergesetzgebung besteht noch die Chance auf eine echte Verbesserung in dieser Legislaturperiode. Das setzt politischen Willen ebenso voraus wie entschlossenes Regierungshandeln. Die allzu oft zerstrittene Ampel-Koalition könnte hier schnell gemeinsame inhaltliche Schnittmengen ausmachen: Für eine familienfreundlichere Politik, die auf Gleichberechtigung setzt, und dabei mehr wirtschaftliche Dynamik ermöglicht. Mit der Abschaffung der bestehenden Deckelung der Absetzbarkeit ebenso wie mit der Aufhebung der beschriebenen Zweidrittel-Regel würden nicht nur Gründerinnen entlastet. Vielmehr würden gerade von der Abschaffung der Zweidrittel-Regel alle Familien profitieren und obendrein ein Beitrag geleistet, um den sich verschärfenden Fachkräftemangel zu bekämpfen.

Mehr noch: Es wäre ein starkes Signal, dass wir Frauen in diesem Land als Gestalterinnen, Unternehmerinnen und – ja auch als Mütter wollen und brauchen. Aber es wäre auch ein wichtiges Zeichen an die Familien bei uns insgesamt, und vor allem Ausdruck für den Glauben an die Zukunft. Denn was steht mehr für Zukunftsglauben als Familiengründungen zu erleichtern und die Bedingungen für Kinderbetreuung beziehungsweise -erziehung zu verbessern?

Können wir uns das angesichts der anhaltenden Rezession und bestehender Haushaltszwänge leisten? Wir müssen sogar, denn: Wir können es uns gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Situation vor allem nicht leisten, auf das enorme Potenzial von Frauen zu verzichten. Ihre Ideen, ihr Unternehmergeist und ihre gesellschaftliche Verantwortung sind gefragter denn je. Dafür müssen wir ihnen, wie Paaren und Familien insgesamt, aber auch beides ermöglichen: unternehmerisch erfolgreich zu sein und Kinder großzuziehen. Es darf nicht um ein „entweder oder“, sondern muss um ein „sowohl als auch“ gehen.

Es liegt in der Hand der Ampel, in den verbleibenden Monaten der regulären Wahlperiode, in diesem Sinne zu handeln und den vielen öffentlichen Beteuerungen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beziehunsgweise Unternehmertum zu erleichtern, Taten folgen zu lassen. Der Staat allein kann und sollte nicht für die sinkende Zahl an Start-up-Gründerinnen verantwortlich gemacht werden. Das wäre zu billig. Aber es liegt in seiner Verantwortung, die Rahmenbedingungen für Gründerinnen bestmöglich zu gestalten.

Franziska Teubert ist seit 2019 Geschäftsführerin des Start-up-Verbands. 2015 gründete sie den Kater Demos Verlag.

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