Die Energieinfrastruktur ist eine der tragenden Säulen unserer Energieversorgung. Sie zukunftsgerecht auszugestalten stellt daher eine der wichtigsten Herausforderung auf dem Weg in Richtung Klimaneutralität dar. Insbesondere die Entwicklung des Stromnetzes wird dementsprechend auch bereits seit längerem politisch kontrovers diskutiert. Doch während zukünftige Bedarfe und die Ausgestaltung des entsprechenden Netzes im Rahmen der Stromnetzplanung viel Aufmerksamkeit erhalten, führt die Gasnetzplanung bislang eher ein Schattendasein – im Unterschied zur Stromnetzplanung findet hier beispielsweise keine Beteiligung des Bundestages statt.
Dabei ist die Frage, wie die Rolle der heutigen Gasnetze in einem klimaneutralen Energiesystem neu definiert werden kann, von hoher gesellschaftlicher und politischer Relevanz. Nicht zuletzt auf Grund der Bedeutung des zukünftigen Wasserstoffeinsatzes, der Struktur des Gastransportmarktes als natürliches Monopol und der Tatsache, dass die klimaschädlichen Effekte der Erdgasnutzung immer mehr in den Fokus rücken. Vor dem Hintergrund, dass sich die Bundesregierung nun klar zum Ziel der Klimaneutralität bis 2045 bekannt hat, ist es umso dringlicher, diese Diskussion nun offen und konsequent zu führen.
Die Zeichen stehen auf Transformation
Das jüngst vorgestellte Klimaneutralitäts-Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) enthält einige klare Botschaften in Bezug auf fossiles Gas und dessen Infrastruktur, die auch als unmittelbare politische Handlungsaufforderungen verstanden werden müssen. Damit Klimaneutralität bis 2050 auf globaler Ebene erreicht werden kann, dürfen laut IEA bereits ab 2025 keine neuen fossilen Gas- und Ölheizungen mehr verkauft werden – weltweit. Die Stromerzeugung in wohlhabenden Ländern wie Deutschland muss bis 2035 klimaneutral erfolgen.
Wenn der Erdgasverbrauch in allen wichtigen Verbrauchssektoren in Zukunft deutlich abnimmt, so wie es Studien zu Klimaneutralität 2050 in Deutschland vorsehen, hat das auch Auswirkungen auf den Transportbedarf und somit auf die Netze. Insgesamt muss klar sein: Es ist weder möglich noch sinnvoll, jeden Kubikmeter Erdgas, der heute durch existierende Pipelines fließt, zukünftig 1:1 durch Wasserstoff zu ersetzen. Denn es gibt bereits heute wettbewerbsfähige Alternativen zum Erdgaseinsatz in vielen Bereichen, und auch die Umrüstung bestehender Erdgasinfrastruktur auf die Wasserstoffnutzung stellt in sich eine große Aufgabe dar.
Insofern sollte klar sein, dass das Wasserstoffnetz der Zukunft anders aussehen wird, als das heutige Erdgasnetz. Das hat vor Kurzem auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, eindeutig festgestellt. Er unterstrich, dass eine Umwidmung bestehender Erdgasinfrastruktur auf Wasserstoff, unter anderem auf Grund der begrenzten Verfügbarkeit von Wasserstoff sowie der immensen notwendigen Investitionen in Geräte und Anlagen bei Haushalten und Gewerbekunden, nicht überall sinnvoll ist.
Die Zeichen der Zeit stehen also klar auf Transformation. In der aktuellen Debatte um die Regulierung von Wasserstoffnetzen im Kontext der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes tritt jedoch offen zutage, wie sehr die Vorstellungen bei der Frage, welche Rolle die heutige Erdgasinfrastruktur zukünftig spielen wird, aktuell noch auseinander gehen. Hier steht eine herausfordernde öffentliche und fachliche Debatte an, bei der es entscheidend darauf ankommen wird, dass vielfältige und teils widersprüchliche Interessen auf Basis wissenschaftlicher Fakten evaluiert werden.
Klimagerechte Energieinfrastrukturen planen
Aufgrund der Trägheit von Infrastrukturentwicklung muss schnellstmöglich sichergestellt werden, dass die Planung und Entwicklung der gesamten Energieinfrastruktur auf das klimaneutrale Energiesystem der Zukunft ausgerichtet wird – und das wird vermutlich ein Energiesystem sein, in dem perspektivisch auch deutlich weniger Gas transportiert werden wird. Planungsprozesse, die auf kurz- bis mittelfristigen Nachfrageerwartungen basieren, und nur auf einen Energieträger schauen, sind nicht in der Lage, einen gut strukturierten Übergang zum klimaneutralen Energiesystem zu ermöglichen.
Die Planung und Ausgestaltung von Energieinfrastruktur im Lichte der Klimaneutralität ist ein wichtiger gesellschaftlicher und politischer Prozess und sollte als solcher klaren Qualitätskriterien und Designprinzipien unterliegen. Zentraler Fixpunkt für Energieinfrastrukturplanung muss das Erreichen der Klimaziele sein – hierfür braucht es eine echte Einbeziehung von Langfristszenarien, die im Einklang mit systemweiten Transformationspfaden hin zur Klimaneutralität sind. Darüber hinaus wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass grundsätzliche Entscheidungen in diesem Bereich wissenschaftsbasiert und unabhängig von Geschäftsinteressen getroffen werden.
Um effektiv Treibhausgas-Emissionen einzusparen und Synergien zwischen den Energieträgern hierfür nutzbar zu machen, muss eine systemweite Optimierung im Sinne der effizienten Energienutzung sichergestellt sein. Welche Institutionen, Prinzipien und Prozesse konkret benötigt werden, um klimagerechte Infrastrukturplanung in Deutschland zu ermöglichen – darüber braucht es in den kommenden Monaten einen intensiven öffentlichen sowie fachlichen Austausch.
Der Prozess rund um den Systementwicklungsplan der Deutschen Energieagentur zeigt, dass auch die heute am Planungsprozess beteiligten Akteure den Handlungsbedarf erkannt haben. Im Kontext der laufenden Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes hat die Bundesregierung außerdem vorgeschlagen, bis Mitte 2022 einen Prozess zur Überarbeitung der Infrastrukturplanungsprozesse anzustoßen. Dies ist nicht nur eine gute Gelegenheit, sondern vielleicht auch die letzte Chance für die neue Bundesregierung, rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen – denn wenn man Investitionszyklen und Vorlaufzeiten für Infrastrukturprojekte bedenkt, ist das Jahr 2045 alles andere als weit entfernte Zukunft.
Cora Herwartz ist Referentin beim
Thinktank für Klima- und Energiepolitik E3G, Felix Heilmann ist dort wissenschaftlicher
Mitarbeiter.