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Energie & Klima

Standpunkte Die EU und Methan: eine ambivalente Bilanz

Julian Schwartzkopff, Deutsche Umwelthilfe
Julian Schwartzkopff, Deutsche Umwelthilfe Foto: DUH/privat

Seit zwei Jahren wird auf EU-Ebene über die neue Methanverordnung verhandelt. Kurz vor der Klimakonferenz ist jetzt eine Einigung in greifbarer Nähe. Julian Schwartzkopff, Senior Expert bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH), zieht eine ambivalente Bilanz: Es gebe Fortschritte bei der Regulierung fossiler Importe, aber bei den Vorschriften für Infrastrukturbetreiber wird die EU wohl weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Auch die Bundesregierung habe zu den Bremsern gehört.

von Julian Schwartzkopff

veröffentlicht am 09.11.2023

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Methan ist ein Klimakiller: Auf 20 Jahre gerechnet erhitzt es das Klima über 80 Mal stärker als CO2. Das zweitgefährlichste Treibhausgas hat laut dem Weltklimarat bereits 0,5 Grad zur Erderhitzung beigetragen – und die Methanemissionen steigen immer weiter an. So wächst auch die Gefahr, gefährliche Klimakipppunkte zu überschreiten. Die Vereinten Nationen haben festgestellt: Die globalen Methanemissionen müssen bis 2030 um mindestens 30 Prozent sinken, damit das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch erreicht werden kann.

Auf dieses Ziel haben sich die EU und auch Deutschland auf der Weltklimakonferenz 2021 in Glasgow mit dem Global Methane Pledge feierlich verpflichtet. Die EU hat das sogar mit initiiert. Die Methanverordnung, die sich jetzt in der Endphase der EU-Trilogverhandlungen befindet, soll den Beitrag der EU zu dieser wichtigen internationalen Initiative darstellen, die auf der kommenden Klimakonferenz in Dubai evaluiert wird. In einer Marathonsitzung am 14. November wollen EU-Parlament, Rat und Kommission die restlichen offenen Fragen klären. Die EU ist hier auch ordentlich unter Zugzwang: Denn Länder wie die USA, Kanada oder Nigeria haben ihre Methanregulierung nach Unterzeichnen des Global Methane Pledge bereits deutlich verschärft.

Niedriger als im Energiesektor hängen die Früchte nirgendwo

Menschengemachte Methanemissionen entstehen vor allem in der Landwirtschaft, der Abfallwirtschaft und dem Energiesektor. Entlang der gesamten Lieferkette fossiler Energien entweichen sie, zum Beispiel durch bewusstes Ablassen und unvollständiges Abfackeln von Methan in der Öl- und Gasförderung, durch Verflüssigung, Schiffstransport und Regasifizierung von LNG oder durch undichte Gasspeicher, Pipelines und Verdichterstationen.

Hier sind die Einsparpotenziale nicht nur besonders hoch, sondern auch besonders günstig zu realisieren: eine echte „low-hanging fruit“ für den Klimaschutz. Laut der Internationalen Energieagentur kann die Öl- und Gasindustrie 45 Prozent ihrer Methanemissionen mit geringen oder gar keinen Kosten einsparen. Bei konsequenter Anwendung aller aktuell verfügbarer Technologien könnten sogar 70 Prozent vermieden werden. Dass dies nicht schon längst passiert, ist ein Armutszeugnis für die Industrie.

In Deutschland fallen Methanleckagen unter eine sogenannte „technische Selbstverwaltung“ durch die Gasindustrie. Auch auf EU-Ebene gibt es bisher keine Verpflichtung für Betreiber fossiler Infrastruktur, ihre Anlagen regelmäßig auf Methanlecks zu überprüfen. Ebenso wenig gibt es Vorschriften zur messbasierten Berichterstattung über Methanemissionen. Die Konsequenz: Lecks an Erdgas-Infrastruktur bestehen teilweise monatelang ohne repariert zu werden, wie die DUH mit eigenen Messungen nachweisen konnte. Die tatsächlichen Emissionen des Energiesektors übersteigen die Angaben der fossilen Industrie nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) um 70 Prozent.

Hier setzt die EU-Methanverordnung richtigerweise mit verpflichtenden Regeln an. Doch wie ambitioniert das Gesamtwerk sein wird, das die EU nach Dubai mitnehmen kann, ist noch offen.

Die eigenen Hausaufgaben müssen noch gemacht werden

Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten zerren bei der Methanverordnung in entgegengesetzte Richtungen. Besonders deutlich ist das bei den Bestimmungen für Lecksuche und -reparatur. So will das Parlament alle zwei Monate Kontrollen für oberirdische Öl- und Gasinfrastruktur und alle fünf Monate für unterirdische Infrastruktur. Jedes gefundene Leck soll unabhängig von der Größe schnellstmöglich repariert werden.

Die Mitgliedstaaten haben hier andere Vorstellungen: Weite Teile der Öl- und Gasinfrastruktur sollen nur alle zwei bis drei Jahre überhaupt auf Lecks überprüft und erst ab einem Schwellenwert repariert werden. Betreibern soll bei Nachweis besonders niedriger Leckageraten sogar erlaubt werden, die Lecksuche noch seltener durchzuführen. Das setzt natürlich einen Anreiz, Methanlecks gar nicht erst zu finden – ganz abgesehen davon, dass häufige Überprüfungen eben nötig sind, um die Leckageraten niedrig zu halten. Die Bundesregierung war an dieser Verwässerung, die lautstark von der fossilen Industrie eingefordert wurde, maßgeblich beteiligt.

Eine Untersuchung der US-Umweltschutzbehörde hat wenig überraschend gezeigt, dass seltenere Überprüfungen höhere Emissionen nach sich ziehen: Die monatlich durchgeführte Lecksuche kann 90 Prozent der Methanleckagen vermeiden, die quartalsweise noch 80 Prozent und die halbjährliche nur noch 60 Prozent. Die Auswirkungen eines zwei- bis dreijährigen Überprüfungszyklus kann man sich ausmalen. Andere Länder sind da schon viel weiter: Abstände von ein bis drei Monaten gelten international als Best Practice. Entsprechend kritisch ist es, für die EU, die hier international als führend auftreten will, so weit wie möglich zu den tatsächlichen Vorreitern aufzuschließen.

Die Emissionen in der Vorkette dürfen nicht vernachlässigt werden

So wichtig es ist, die eigenen Hausaufgaben zu machen: Den größten Beitrag zum Global Methane Pledge würde die Regulierung fossiler Importe bringen. Denn 75 bis 90 Prozent der Methanemissionen durch den fossilen Energieverbrauch der EU entstehen in den Herkunftsländern. Die EU darf diese Emissionen dennoch nicht ausklammern. Denn oft verursachen die Methanemissionen in der Vorkette fossiler Gasimporte sogar noch größere Klimaschäden als die Verbrennung dieses Gases in deutschen Kraftwerken. Eine besonders schlechte Klimabilanz weist zum Beispiel importiertes Fracking-LNG aus den USA auf, dessen Importe derzeit massiv zunehmen.

Die EU sitzt hier als einer der größten Märkte für fossile Energien an einem langen Hebel: Durch Lieferkettenpflichten, wie sie beispielsweise auch im Bereich der illegalen Abholzung gelten, kann sie ihre Handelspartner dazu bewegen, gegen ihre Methanemissionen vorzugehen. Eine starke Regulierung der fossilen Lieferketten wäre international ein echtes Novum und ein sehr positives Signal für die kommenden Klimaverhandlungen.

Sorgen um mögliche Energiepreissteigerungen sind dabei unbegründet: Einer aktuellen Studie zufolge könnte ein ambitionierter Methanimportstandard bis zu 45 Prozent der Methanemissionen in der Öl- und Gasförderung der Lieferländer vermeiden. Der EU-Gaspreis würde dadurch maximal um ein bis zwei Prozent steigen, weil die Reduktionsmaßnahmen in der Öl- und Gasförderung so günstig sind.

Folgerichtig schlägt das EU-Parlament vor, dass Importeure fossiler Energien ab 2026 sicherstellen sollen, dass in Herkunftsländern mit der EU vergleichbare Regularien gelten. Besonders wichtig ist dies im Bereich des Ablassens und Abfackelns, der allein über 70 Prozent der Methanemissionen in der Öl- und Gasproduktion ausmacht. Bei der Kommission und den Mitgliedstaaten stieß diese Forderung lange Zeit auf taube Ohren.

Hoffen auf Durchsetzungsfähigkeit des Parlaments

In den letzten Wochen sind Mitgliedstaaten wie Frankreich, Luxemburg, die Niederlande oder auch Polen jedoch auf das Parlament zugegangen, während die Bundesregierung bislang jegliche Unterstützung verweigert hat. Grund dafür ist offenbar die Sorge im Bundeskanzleramt, dass zusätzliche Regulierung die Gasimporte nach Deutschland einschränken könnte. Hier wird ein vollkommen unnötiger Widerspruch zwischen Versorgungssicherheit und Klimaschutz konstruiert.

Beim morgigen Ausschuss der Ständigen Vertreter hat die Bundesregierung die Chance, diese Haltung noch einmal zu überdenken. Aus einer Entscheidungsvorlage der spanischen EU-Ratspräsidentschaft, die die DUH einsehen konnte, geht nämlich hervor, dass sich die Mitgliedstaaten zumindest auf einen Methan-Performancestandard für fossile Importe ab 2030 einigen könnten.

Insgesamt muss man konstatieren: Wenn es nach dem Willen des Rats geht, wird die EU mit einer laschen Methanverordnung nach Dubai reisen, wo verwässerte Bestimmungen spät greifen und so lange wie möglich alles beim Alten bleibt. Das verkennt die Dramatik der Lage. Man kann nur hoffen, dass das Parlament sich hier in zentralen Punkten noch durchsetzen kann. Und, dass die Bundesregierung ihre zaghafte Haltung überdenkt und sich nicht mehr von der Gaslobby auf der Nase herumtanzen lässt, die sich mit schrillen Warnungen gegen die Anwendung von Standards stemmt, die andernorts längst gang und gäbe sind.

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