CCS ist eine weitgehend unerprobte und teure Risikotechnologie, die den Klimaschutz und die dringend notwendige Transformation zur Klimaneutralität ausbremst. Die Versuche, „Carbon Capture and Storage“ im großen Maßstab zur Emissionsvermeidung zu betreiben, sind weitgehend gescheitert: Die wenigen existierenden Projekte wie Sleipner und Snøhvit in Norwegen kämpfen mit massiven technischen Problemen, und es gibt keine Langzeitstudien zur Sicherheit der CO2-Endlager.
CCS bedeutet neue fossile Subventionen und Lock-in-Effekte; den besonders treibhausgasintensiven Industrien wird ein „Weiter so“ ermöglicht. Das muss dringend verhindert werden: CCS öffnet Türen, die danach kaum wieder geschlossen werden können – und das hat hohe gesellschaftliche und finanzielle Kosten.
CCS ist riskant: 88 Prozent aller weltweiten CCS-Pilotprojekte seit 1972 sind gescheitert. Von den über 800 CCUS-Projekten, die heute in der Datenbank der Internationalen Energieagentur gelistet sind, gibt es nur zehn CO2-Speicherprojekte, die tatsächlich in Betrieb sind. Das Speicherprojekt des Agrarkonzerns ADM in Illinois (USA) ist undicht, die Behauptung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), es gäbe „weltweit keine Leckagen“ widerlegt.
Deutsche Pläne für CCS sind unrealistisch
CCS ist unerprobt: Die Injektion von CO2 unter den Meeresboden birgt unkalkulierbare Risiken und zieht unabsehbare Probleme bei der Überwachung nach sich. Im norwegischen Vorzeigeprojekt, dem Kohlenstoffdioxid-Endlager Sleipner, in das jährlich eine Million Tonnen CO2 gepumpt werden sollten, wurden in den letzten zwei Jahren gerade einmal 0,1 Millionen Tonnen in den Untergrund verpresst.
Das eingepresste CO2 machte sich viel schneller als erwartet auf den Weg Richtung Meeresoberfläche und sammelte sich in einer Schicht, die es nach geologischen Modellen eigentlich gar nicht geben dürfte. Diese sogenannte „9. Schicht“ war bisher nicht nur unbekannt, sie liegt mit einer Tiefe von etwa 800 Metern auch viel näher an der Oberfläche, als in der Planung als sicher angenommen wurde.
Die in der deutschen Nordsee geplante Injektionsrate von 10 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr übertrifft die des norwegischen Sleipner-Projekts um das 10- bis 100-Fache und erscheint damit äußerst unrealistisch. Zudem ist die Wirksamkeit der geologischen Barrieren, die das CO2 für Tausende von Jahren einschließen sollen, keineswegs gesichert.
Allgemeinheit soll Verantwortung für CO2-Endlager übernehmen
Haftungsrisiken für die Allgemeinheit: Bislang gibt es keine Langzeitstudien, die die Sicherheit und Zuverlässigkeit von CO2-Endlagern belegen. Die möglichen Langzeitfolgen dieser Technologie sind nicht ausreichend erforscht. Der Einsatz von CCS stellt daher ein unverantwortliches Risiko für unsere Umwelt dar. Wenig vertrauenerweckend ist auch, dass die Verantwortung für die geplanten CO2-Endlager in Deutschland bereits 40 Jahre nach der jeweiligen Stilllegung von den Unternehmen auf die Allgemeinheit übergehen soll.
Gigantische CO₂-Entsorgungsinfrastruktur: CO₂ aus der Chemie-, Glas-, Stahl- und Zementindustrie soll gesammelt und gemäß der Klimaschutzstrategie der Bundesregierung in Pipelines über ein 5000 bis 6000 km langes Pipelinenetz quer durch Deutschland an die Küste transportiert werden. Dort soll das Kohlenstoffdioxid entweder unter hohem Druck verflüssigt und per Schiff transportiert oder über Pipelines zu den Endlagern gepumpt werden.
Die Pläne der Bundesregierung sind gigantisch: 34 bis 73 Millionen Tonnen CO2 sollen pro Jahr unter der Nordsee entsorgt werden. Das entspricht bis zu 40 Prozent der gesamten heutigen CO₂-Emissionen der Industrie. Von den allerletzten „unvermeidbaren Restemissionen“ kann also keine Rede sein.
CCS kann Ökosysteme beschädigen
Selbst der Einsatz von CCS im Energiesektor und bei anderweitig dekarbonisierbaren Industrieprozessen könnte zugelassen werden, je nachdem, welche Interessen sich bei einer möglichen Änderung des Kohlenstoffspeichergesetzes durchsetzen. Statt die Emissionen durch technologische und strukturelle Maßnahmen zu vermeiden, setzt das geplante CCS-Gesetz auf die unsichere und teure nachträgliche CO2-Abscheidung in allen Technologiefeldern. Nur die Abscheidung an Kohlekraftwerken soll demnach untersagt werden.
Industrialisierung der Nordsee: Die Nordsee ist ein wertvolles Ökosystem, das bereits heute unter enormem Druck steht. Durch CO2-Leckagen am Meeresboden kann Kohlensäure entstehen, die zur Versauerung des Wassers führt – mit tödlichen Folgen für Meeresbewohner wie Korallen, Fische oder Mikroorganismen. Der Lärm der Schallkanonen, die für die Suche nach CO2-Endlagerstätten und das Monitoring unter dem Meeresboden unerlässlich sind, gefährdet die Schweinswalpopulation.
Die erzeugten Schallwellen haben einen extrem hohen Schalldruckpegel, der sich im Wasser kilometerweit ausbreitet. Chronischer Stress, Gehörverlust bis hin zu Gewebeschäden im Innenohr sind die Folgen. Ein intaktes Gehör ist für diese Tiere überlebenswichtig. Statt die Nordsee als Endlager zu missbrauchen, müssen wir ihre Artenvielfalt beschützen.
Es gibt viele Alternativen zu CCS
CO2 vermeiden statt verpressen: Verfechter:innen von CCS argumentieren gerne, dass es für die „unvermeidbaren Restemissionen“ unumgänglich sei. Dabei gibt es eine Reihe innovativer CO2-freier Produkte und Produktionsverfahren, die das Potenzial haben, uns tatsächlich in eine kohlenstoffarme Wirtschaft zu führen. Weder in der Stahl- oder Chemieindustrie noch im Bausektor mangelt es an klimaneutralen Prozessen. Die Wärme- und Dampferzeugung in der chemischen Industrie kann mit Power-to-Heat auf erneuerbare Energien umgestellt werden.
Stahl kann unendlich oft recycelt oder mit grünem Wasserstoff CO2-neutral hergestellt werden. Bei Zement werden alternative Bindemittel erprobt und Recyclingmethoden entwickelt, die den Weg zu klimaneutralem Beton ebnen. In vielen Fällen könnte Beton auch durch alternative Baustoffe wie Holz ersetzt werden. Klimaschutz in Industrie und Energieversorgung muss heißen: Ausbau der erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, Elektrifizierung, grüner Wasserstoffhochlauf und Recycling.
Naturbasierte Lösungen wie Moorschutz, Aufforstung und Meeresschutz sind zudem effizienter, um die verbliebenen absolut unvermeidbaren Restemissionen auszugleichen – und schaffen Biodiversität statt Risiken. Wir müssen unsere natürlichen CO₂-Senken stärken, statt Scheinlösungen zu subventionieren.
CCS ist keine Lösung für den Klimaschutz, sondern eine teuer erkaufte Illusion. Am besten ist es, wenn CO₂ gar nicht erst entsteht. Statt auf teure CCS-Phantasien in ferner Zukunft zu spekulieren, können innovative CO₂-freie Produktionsverfahren schon heute zum Klimaschutz beitragen. Klimaneutrale Stahlerzeugung, Kreislaufwirtschaft und Ziegelproduktion ohne Kohlenstoffdioxidemissionen sind keine Zukunftsmusik, sondern bereits heute möglich.
Sophia van Vügt ist Politikexpertin für Klima- und Energiefragen bei Greenpeace Deutschland. Karsten Smid arbeitet seit 2000 bei Greenpeace zu Klima- und Energiepolitik.