Am 19. September 2024 erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das Ende der „Gasmangellage“. Die seit dem Angriffs Russland auf die Ukraine 2022 geltende Alarmstufe des Notfallplan Gas ist dennoch weiter in Kraft. Sie ist die Grundlage für Notfallmaßnahmen, insbesondere den beschleunigten und staatlich finanzierten Bau von Flüssiggas-Importterminals.
Was die Erdgaswirtschaft seit 1973 nicht geschafft hat, weil es sich nicht lohnte, schaffte dann die Bundesregierung mit Milliarden-Zahlungen aus dem Haushalt im „Deutschlandtempo“: Statt der von Bundeskanzler Olaf Scholz in der Rede zur Zeitenwende genannten zwei LNG-Terminals (in Brunsbüttel und Wilhelmshaven) wurden in einem historischen LNG-Rausch 13 Projekte benannt, für die die Bundesregierung sowohl Planungsgrundlagen als auch den überwiegenden Teil der Finanzierung bereitstellen wollte.
Bereits im März 2023 war jedoch deutlich geworden, dass eine „Gasmangellage“ trotz des Wegfalls russischer Gaslieferungen nach Deutschland nicht eingetreten war. Eine rückläufige Nachfrage, die Diversifizierung der Lieferquellen sowie die effiziente Nutzung der verfügbaren Transportkapazitäten führte dazu, dass im Winter 2022/23 kein Gasmangel herrschte.
Dasselbe galt für den Winter 2023/24, und auch jetzt, zu Beginn der Heizsaison 2024/25, sind die Speicher prall gefüllt, sodass kein Engpass zu befürchten ist. Auch mögliche Bedarfe von Nachbarländern angesichts des bevorstehenden Winters sind mit der bestehenden Infrastruktur gedeckt: Die Gaspreise sind nach den Spitzenwerten des Sommers 2022 inzwischen unterhalb der durchschnittlichen Preise der Vorkriegszeit gefallen, nicht nur in Deutschland, sondern auch international.
Ausbau der LNG-Infrastruktur unter dem "Gasmangellage"-Deckmantel
Dennoch wurde unter dem Deckmantel der „Gasmangellage“ der Ausbau der LNG-Infrastruktur im Deutschlandtempo auch 2023 und 2024 fortgesetzt. Im Oktober 2024 sind bereits drei Terminals in Betrieb, vier weitere im Bau und darüber hinaus noch fünf im konkreten Planungsstadium. Vergessen wir nicht: Erdgas als fossiler Energieträger muss in den nächsten zwei Jahrzehnten aus dem Energiemix verschwinden, wenn wir die Klimaschutzziele halten wollen. Übrigens sind LNG-Importe unter Klimagesichtspunkten genauso schmutzig wie Kohle, und man stelle sich vor, es würden an der Nord- und Ostseeküste mal eben zwölf neue Kohlekraftwerke im „Deutschlandtempo“ gebaut werden.
Die Absurdität des LNG-Rausches ist anhand des im Sommer 2024 fertiggestellten Terminals in Mukran auf der Insel Rügen plastisch nachvollziehbar: Inmitten von Landschaftsschutz- und Tourismusgebiet wurde mit Bezug auf „notwendigen Bedarf“ und einer fiktiven Wasserstoffwirtschaft der Zukunft ein Anlandeterminal gebaut und die Proraer Wiek mit einer 51 Kilometer langen Pipeline durchzogen. Heute jedoch wird das Terminal angesichts fehlender Nachfrage aus Ostdeutschland als Umschlagplatz für Lieferungen nach Skandinavien verwendet. Dies ist durch das LNG-Beschleunigungsgesetz nicht gedeckt und widerspricht auch ökonomischer Rationalität.
LNG-Rausch umkehren
Energiesicherheit ist staatliche und private Planungsaufgabe und Überkapazitäten an Infrastruktur sind grundsätzlich sinnvoll. Dies gilt aber NICHT für die Versorgung Deutschlands mit importiertem fossilen Flüssiggas zu Zeiten der Energiewende, insgesamt rückläufiger Nachfrage und nicht vorhandener Transportengpässe in den Leitungen. Vielmehr bedarf es nunmehr einer Umkehr des LNG-Rausches, der Beendigung des staatlich finanzierten Infrastrukturausbaus, und der Ausrichtung des Sektors am ökonomisch und ökologisch sinnvollen Ziel, dem Erdgasausstieg.