Noch immer klafft eine gehörige Lücke zwischen der gewollten Entfesselung der erneuerbaren Energien und der Realität. Symptomatisch lässt sich dies beim schon vor über zehn Jahren beschlossenen Smart-Meter-Rollout beobachten, der in Deutschland noch immer kaum ins Rollen kommt. Dabei würden die intelligenten Messsysteme gerade in der jetzigen Energiekrise einen wertvollen Beitrag für eine effiziente Steuerung unseres Verbrauchs bieten. Während bei den meisten Kunden auch im Jahr 2022 nur einmal im Jahr der Stromzähler abgelesen wird, können Smart Meter den Stromverbrauch jederzeit erfassen und übertragen – eine Grundvoraussetzung dafür, dass Strom soweit möglich in den Stunden des Tages verbraucht wird, in denen das Angebot weniger knapp ist.
Auch Netzbetreiber benötigen dringender denn je die kleinen intelligenten Stromzähler: um die Auslastung des Netzes zu überwachen, den Netzausbau überschau- und bezahlbar zu halten und in kritischen Situationen schnell Bedarf und Angebot ausgleichen zu können.
Die rote Laterne gehört Deutschland
Während in Italien, Großbritannien, den Niederlanden oder Schweden die Geräte in fast jedem Haushalt schon seit mehreren Jahren zu finden sind, legt Deutschland die technischen Anforderungen an Gerätetechnik und Betriebsprozesse höher als irgendwo sonst. Und setzt darauf, dass nicht nur über 800 grundzuständige Messstellenbetreiber, sondern parallel auch sogenannte wettbewerbliche Messstellenbetreiber den Smart-Meter-Rollout voranbringen sollen. Nicht ohne Grund ist das eine weltweit einmalige Konstellation, die bisher auch kein anderes Land übernommen hat.
Transparenz? Nicht beim Verbrauch
Was viele Kunden gar nicht wissen: Sie können in Deutschland nicht nur ihren Energielieferanten frei wählen, sondern auch den Messtellenbetreiber. Das Wahlrecht war zwar gut gemeint und sollte durch Wettbewerb für günstige Preise sorgen. Es führte stattdessen zu Wechselprozessen im Ausmaß einer Steuererklärung. So erfordert ein einziger Kundenwechsel im Messstellenbetrieb oft stundenlange Klärungen zwischen den beteiligten Marktteilnehmern, damit keine Informationen verloren gehen – auch für Netz- und Messstellenbetreiber keine besonders ressourcenschonende Situation. Da hilft es auch nicht, dass die verbaute Zählertechnik in aller Regel beim Wechsel verschrottet werden muss – und das, obwohl gerade intelligente Zähler aufwendig zu montieren, sehr teuer und derzeit auch global Mangelware sind. Nachhaltigkeit sieht anders aus.
Noch mehr Regeln sind kein Ausweg
Bei der Vielzahl am Smart-Meter-Rollout beteiligten Unternehmen braucht es klare und verständliche Regeln, damit die verbaute Technik und die Marktprozesse kompatibel zueinander sind. Das bisherige Resultat ist leider eine Regelungswut an Verordnungen und mehreren hundert Seiten an technischen Richtlinien zur deutschen Smart-Meter-Technologie. Auf diese Weise bleibt die geplante Anlagen- und Netzsteuerung über intelligente Messsysteme eine Wunschvorstellung. Überspitzt betrachtet: Wer würde auf die Idee kommen, bei der Steuerung eines städtischen Verkehrsnetzes für jede Ampel einen eigenen Betreiber zuzulassen?
Die dringendsten Reparaturbedarfe im Rechtsrahmen für den Smart-Meter-Rollout sind offensichtlich: Ein rechtssicherer und stufenweiser Rollout-Start mit bestehender Technik (auch bei Einspeisern), eine Anpassung der bürokratischen Sicherheitsanforderungen insbesondere in der Lieferkette an internationale Standards und eine Befreiung des Smart-Meter-Gateways vom Eichrecht.
Eine echte Vereinfachung und Beschleunigung des dringend benötigten Smart-Meter-Rollouts wird aber nur gelingen, wenn die Netzbetreiber die volle Verantwortung für den Rollout erhalten. Erst dann könnte die neue Technik effizient Straßenzug für Straßenzug verbaut werden. Der Wettbewerb im Messstellenbetrieb ist am Smart-Meter-Rollout gescheitert.
Beim Hausanschluss selbst hat sich dieses Prinzip seit eh und je bewährt und sollte genauso auch für die Smart-Meter-Infrastruktur gelten: Der Netzbetreiber ist verpflichtet, den Anschluss zu bauen und die Nutzung dieses Anschlusses unterliegt dem von Kunden bestimmten Lieferanten. Wettbewerb ja, aber eben nicht bei der ohnehin regulierten Infrastruktur, sondern bei den Serviceangeboten.
Klare Zuständigkeiten einer Behörde notwendig
Die gleiche Klarheit braucht es in der Behördenzuständigkeit für den Smart-Meter-Rollout. Hier existieren mit zwei Bundesministerien, dem BSI, der Bundesnetzagentur und den Landeseichbehörden zwar viele Ämter, aber ohne eindeutige Gesamtverantwortung. Auch wenn jede dieser Einrichtungen mit bester Absicht agiert – zu viele Köche verderben bekanntermaßen den Brei.
Daher gilt: Die Weichen müssen jetzt gestellt werden. Definieren wir zum Ausbau dieser notwendigen Technologie klare Verantwortlichkeiten, um schnell in eine grüne und versorgungssichere Zukunft zu kommen? Oder bleiben wir bei der hohen Komplexität und wettbewerblichen Linie und opfern dafür dann weiter Geschwindigkeit beim Rollout und die Steuerbarkeit über Smart-Meter-Infrastruktur?
Einfach nur „Weiter so“ wird nicht funktionieren! Wir gefährden den Energiestandort Deutschland, wenn wir weiterhin auf Regeln und Rollen beharren, die den Markt nur unübersichtlich, komplex und teuer machen. Noch ist es aber nicht zu spät: Wenn wir Strukturen vereinfachen, Ballast über Bord werfen und Politik und Wirtschaft Hand in Hand agieren, können Smart Meter helfen, unser derzeit stark gestresstes Energiesystem flexibler und stabiler zu machen. Dazu ist jetzt entschlossenes Handeln nötig!