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Energie & Klima

Standpunkte Der neuen Regierung fehlt ein Kompass für die Außenwirtschafts- und Klimapolitik

Lukas Kahlen und Ines Paiva, NewClimate Institute
Lukas Kahlen und Ines Paiva, NewClimate Institute Foto: Quelle: New Climate Institute

Die neue Koalition preist strategische Partnerschaften – doch ihre Pläne sprechen eine andere Sprache. Statt attraktiver Partnerschaften auf Augenhöhe stehen einseitige deutsche Interessen im Fokus, von Fluchtursachenbekämpfung bis Rohstoffzugriff. So verspielt Deutschland strategische Chancen, warnen Lukas Kahlen und Ines Paiva von NewClimate Institute.

von Lukas Kahlen und Ines Paiva

veröffentlicht am 14.04.2025

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Es ist positiv, dass die angehende Bundesregierung eine kohärente Außenpolitik anstrebt und Entwicklungspartnerschaften langfristig ausrichten will. Auch die von ihr zu Recht betonte Notwendigkeit einer verbesserten interministeriellen Koordination ist unbestritten – eine effizientere Abstimmung zwischen Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik kann den Außenauftritt der Bundesregierung erheblich stärken. Und ja, es ist legitim und notwendig, dass Deutschland seine eigenen Interessen klar kommuniziert. Transparenz gegenüber Partnerländern schafft Vertrauen und stabile Kooperationen.

Ein kurzsichtiger Ansatz ohne klare Strategie

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD lässt eine klare Strategie für internationale Klimapolitik und Partnerschaften vermissen. Noch im Entwurf der Arbeitsgruppe 12 der Koalitionsverhandlungen wurde die internationale Energie- und Klimapolitik als „elementarer Bestandteil der deutschen Außenpolitik“ hervorgehoben. Im finalen Vertrag jedoch fehlt diese Formulierung – und mit ihr ein sichtbares Signal an Deutschlands Partnerländer.

Klima ist im Koalitionsvertrag darüber hinaus weder als Priorität in der Entwicklungspolitik noch als Bestandteil zur Stärkung der nationalen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen verankert. Dies ist hinsichtlich der bevorstehenden wirtschaftlichen Transformation und der sich fundamental ändernden geopolitischen Lage fahrlässig.

Deutschland steht nicht mehr in einem klassischen Geber-Nehmer-Verhältnis zu Ländern des Globalen Südens. Diese Partner verhandeln heute aus einer Position der Stärke: Sie verfügen über essenzielle Rohstoffe, erneuerbare Energiepotenziale, wachsende Absatzmärkte und junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte – alles entscheidend für eine hochgradig exportorientierte deutsche Wirtschaft mit steigendem Bedarf an Energieimporten und Fachkräfteeinwanderung. Wer diese Realität nicht anerkennt, wird keine tragfähigen Partnerschaften aufbauen können und riskiert somit die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschlands.

Der globale Wettbewerb um Partnerschaften

Deutschland befindet sich in einem internationalen Wettbewerb um strategische Partnerschaften. Die Transformation zur Klimaneutralität, bekanntermaßen nun auch im Grundgesetz verankert, ist unausweichlich – nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen.

Wer heute nicht handelt, verliert morgen an Einfluss und Wettbewerbsfähigkeit. Während Akteure wie China mit groß angelegten Infrastruktur- und Investitionspaketen ihren Einflussbereich global stetig ausweiten, scheinen die neuen Koalitionäre internationale Klimapolitik und Partnerschaften als geopolitisches Instrument ungenutzt zu lassen.

Anstatt den Fokus der Entwicklungspolitik, wie dem Koalitionsvertrag zu entnehmen ist, überwiegend auf Fluchtursachenbekämpfung zu legen, sollte die gemeinsame Gestaltung und Umsetzung der Transformationsagenda im Vordergrund stehen. Partnerländer haben eine Wahl – und sie werden sich für jene Partner entscheiden, die ihre Entwicklungsperspektiven ernst nehmen und überzeugende Kooperationsmodelle bieten.

Als strategischen Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands Wunsch nach Zugang zu Rohstoffen hervorzuheben, wird nicht überzeugen. Wenn Deutschland seinen Anspruch als globaler Transformationspartner untermauern will, muss es auf Augenhöhe agieren und innovative, zukunftsgerichtete Partnerschaftsmodelle entwickeln.

Neue Handelspartnerschaften müssen europäisch gedacht werden

Ein zentraler Hebel könnte ein ambitionierter und von Mitgliedsstaaten getragener Europäischer Clean Industrial Deal sein, der inländische Interessen und die der Partnerländer gleichermaßen betrachtet. Besonders wichtig ist die enge Abstimmung zwischen Deutschland und der EU in Bezug auf die neuen Clean Trade and Investment Partnerships der EU.

Ein gemeinsames Auftreten als Team Europe, wie es im Koalitionsvertrag angekündigt wird, könnte die außenpolitische Wahrnehmung der EU bei Partnerländern des Globalen Südens erheblich verbessern. Ohne enge und koordinierte Zusammenarbeit mit Partnerländern werden die EU und Deutschland weder ihre eigenen Klimaziele erreichen noch die Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig halten können.

Eine Integration von Energie- und Klimadiplomatie in die Außenpolitik, würde bedeuten, klimaneutrale Wertschöpfungsketten aufzubauen, Investitionen in zukunftsfähige Industrien zu fördern und Partnerländer gezielt dabei zu unterstützen, ihre Wirtschaftsstrukturen nachhaltig zu transformieren.

Die geopolitische Neuausrichtung als Chance nutzen

Der Zeitpunkt könnte kaum entscheidender sein. Die geopolitische Ordnung ist – gelinde gesagt – im Umbruch, traditionelle Allianzen verschieben sich, und der globale Süden fordert eine stärkere Mitsprache in internationalen Entscheidungsprozessen. Gleichzeitig entsteht durch den Rückzug der USA aus vielen multilateralen Prozessen ein Vakuum, das entweder aktiv gefüllt oder letztlich anderen Akteuren wie China und Russland überlassen wird. Deutschland und die EU müssen jetzt strategisch handeln, um ihre Position als bevorzugte Partner für den globalen Süden zu festigen.

Um dies zu erreichen, muss die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik den veränderten Realitäten gerecht werden. Es braucht einen klaren strategischen Kurs, der internationale Klima- und Transformationspolitik nicht als isoliertes Nebenthema, sondern als integralen Bestandteil von Handels-, Sicherheits- und Entwicklungspartnerschaften begreift.

Die im Koalitionsvertrag angekündigte Gründung einer „Nord-Süd-Kommission“ sollte eine strategische Rolle als Dialogplattform einnehmen und mit finanzieller Unterstützung untermauert werden. Anstatt diese Mittel zu kürzen, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, wäre es wichtig, dass EU-Länder ihre öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) und insbesondere den Anteil für Klimaschutz kontinuierlich erhöhen, um ihre Verlässlichkeit gegenüber Partnerländern zu demonstrieren – gerade angesichts drastischer Kürzungen dieser Mittel weltweit.

Strategische Klarheit ist jetzt gefordert

Die neue Bundesregierung muss ihre Außenpolitik zukunftsfähig machen. Das bedeutet nicht nur bessere Koordination und transparente Kommunikation deutscher Interessen, sondern vor allem attraktive und wettbewerbsfähige Angebote für internationale Partner. Nur wer sich als verlässlicher Partner für die Transformation positioniert, wird langfristig wirtschaftlich und geopolitisch erfolgreich sein.

Jetzt ist der Moment, um entschlossen zu handeln und Klimapolitik als geopolitisches Instrument zu begreifen. Der Kurs der neuen Regierung muss strategisch klug gesetzt werden – sonst bleibt Deutschland in der Transformation ohne Kompass zurück.

Lukas Kahlen und Ines Paiva arbeiten bei NewClimate Institute unter anderem zu Klimadiplomatie und Partnerschaften.

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