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Standpunkte Deutschland braucht ein Rohstoffministerium

Jakob Kullik, Jens Gutzmer
Jakob Kullik (TU Chemnitz), Jens Gutzmer (Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie) Foto: TU Dresden, Helmholtz-Institut Freiberg

Rohstoffsicherheit und Geopolitik gehören untrennbar zusammen – und die neue deutsche Regierung muss darauf reagieren, schreiben Jakob Kullik (TU Chemnitz) und Jens Gutzmer (Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie). Sie fordern ein eigenes Ressort, das alle Aspekte bündelt, vom Bergbau bis zum Recycling. Denn nicht zuletzt die Transformation des Energiesystems läutet ein neues Metallzeitalter ein.

von Jakob Kullik, Jens Gutzmer

veröffentlicht am 07.04.2025

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Jede neue Bundesregierung muss die globalen geopolitischen Verhältnisse zur Kenntnis nehmen und diese zur Grundlage ihrer Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik machen. Von dieser Geopolitisierung ist kein Bereich ausgenommen, insbesondere nicht die internationalen Rohstoffmärkte.

Die Transformation der fossilen Energiesysteme und die schrittweise Substitution von Öl, Gas und Kohle durch Seltene Erden, Lithium und zahlreiche weitere mineralische und metallische Rohstoffe wird nicht wie im VWL-Lehrbuch verlaufen. Die Rohstoffmärkte werden sich nicht von allein friedlich und geordnet transformieren und regulieren.

Im Gegenteil: Die globalen Rohstoffmärkte sind genauso Arena der Nationalstaaten wie einst beim Rennen um den Zugang zu fossilen Kohlenwasserstoffen im aufziehenden Ölzeitalter. Geologie, Geoökonomie und Geopolitik sind die Treiber des neuen Metallzeitalters.

Zu dieser Erkenntnis gelangte man in China bereits vor einem halben Jahrhundert; ebenso in Japan, wo die Rohstoffagentur JOGMEC die Rohstoffstrategie der Regierung in enger Abstimmung mit der Großindustrie verfolgt. Mit Ausnahme des klassischen Bergbaulandes Kanada hat keiner der G7-Staaten ein eigenständiges Rohstoffministerium. Doch jedes Land steht vor denselben Problemen: hohe Rohstoffabhängigkeiten vom Ausland, allen voran von China, und massiv steigende Bedarfe nach eben diesen kritischen Rohstoffen.

Deutschland könnte daher mit einem eigenen Rohstoffministerium nicht nur ein Ausrufezeichen setzen, sondern auch das bisher so erfolgreiche Geschäftsmodell der deutschen Volkswirtschaft nachhaltig stärken, nämlich mineralische und metallische Rohstoffe in hochwertige Produkte zu verarbeiten und diese profitabel auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Den Zustrom der Rohstoffe zu sichern, ist daher gerade für Deutschland besonders wichtig.

Gleichzeitig würde die Einrichtung eines Rohstoffministeriums in Deutschland die Abkehr von langlebiger Naivität bedeuten. Schließlich betrachtete die bundesrepublikanische Zivilmacht Deutschland die Welt über Jahrzehnte als regelgeleiteten Marktplatz und hatte für Geo- und Machtpolitik kaum Verständnis. Die strategische Kontrolle ganzer Wertschöpfungsketten durch China galt als „Marktverzerrung“ und nicht etwa als politische Langzeitstrategie zur Kontrolle von Schlüsselmärkten und potenziellen Erpressung von Konkurrenten.

Kraftlose Rohstoffstrategie

Die Geringschätzung von Geopolitik bei Rohstofffragen zeigt sich bis heute in der Struktur der Ministerien. Deutschland hat kein eigenes Rohstoffministerium, in dem alle rohstoffpolitischen Angelegenheiten – vom Bergbau bis zum Recycling – auf Bundesebene bearbeitet und koordiniert werden.

Stattdessen ist das Bundeswirtschaftsministerium zusammen mit anderen Ministerien federführend verantwortlich für die deutsche Rohstoffpolitik. Das Ergebnis ist eine kraftlose, alle Ressortwünsche beachtende Strategie, die eigentlich keine ist. Seit dem Jahr 2010 verfolgt die Bundesrepublik ihre Rohstoffstrategie, aber an den fundamentalen Markt- und Machtverhältnissen hat sich nichts geändert.

Wenn Rohstofffragen nunmehr Machtfragen und Lieferketten die existenziellen Nervenbahnen der neuen Großmächte-Weltordnung sind, dann benötigt die deutsche Rohstoffpolitik dringend ein geopolitisches Update, das sich auch in der Ministerialstruktur widerspiegelt. Rohstoffsicherheit als einen untergeordneten Teilbereich der Wirtschaftspolitik zu betrachten, reicht künftig nicht mehr aus.

Kein Allheilmittel, aber ein starkes politisches Signal

Die neue Bundesregierung sollte daher ein eigenes Rohstoffministerium formen, in dem alle Aspekte der Rohstoffsicherung politisch bearbeitet und wirksam umgesetzt werden. Ein solches Ministerium darf und sollte kein bloßes Bergbauministerium sein, sondern muss Recycling, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft ebenso prioritär behandeln und wirksam vorantreiben.

Für die langfristige strategische Neuausrichtung der deutschen Rohstoffpolitik wäre ein eigenes Ministerium ein starkes politisches Signal. Ein Bundesminister verantwortlich für alle Rohstofffragen, welche das gesamte Portfolio der Energierohstoffe, mineralische und metallische Rohstoffe abdeckt, könnte in seinem Haus die dringenden Fragen der Rohstoffsicherung besser und eigenständiger behandeln als ein Bundeswirtschaftsminister, für den Rohstofffragen nur unter ferner liefen fallen.

Unter seinesgleichen könnte ein deutscher Rohstoffminister mit Ressortkollegen aus anderen Bergbauländern besser verhandeln als ein fachfremder Wirtschaftsminister. Das neue Bundesrohstoffministerium müsste zentrale Anlaufstelle für sämtliche rohstoffbasierte Themen sein, von der Suche nach heimischen Lagerstätten, der finanziellen und diplomatischen Unterstützung von Rohstoffpartnerschaften, der Entwicklung dringend notwendiger industrieller Rohstoffprojekte im In- und Ausland, bis zur Minimierung von illegalem Export von Recyclingrohstoffen. Hinzu kommen insbesondere Fragen der Beschaffung von kritischen Rohstoffen für den zivilen und Verteidigungssektor und der Verfügbarkeit im Krisenfall.

Wie effizient ein Bundesrohstoffministerium überhaupt sein kann, hängt von vielen Faktoren und Rahmenbedingungen ab. Es muss den Akteuren der deutschen Rohstoffwirtschaft dienlich sein und darf deren Leben nicht nur durch neue Regeln erschweren. Über allem steht das öffentliche Interesse einer gesicherten Rohstoffversorgung.

Ein Rohstoffministerium wird kein Allheilmittel sein und eine echte Bilanz kann vermutlich erst nach mindestens zwei Legislaturperioden gezogen werden. Die Zeit der passiven und illusionsgeleiteten Rohstoffpolitik ist vorbei. In einer Welt neuer geopolitischer Rohstoffrisiken wäre ein starkes Bundesrohstoffministerium die passende Antwort.

Dr. Jakob Kullik ist wissenschaflticher Mitarbeiter an der Technischen Universität Chemnitz, Dr. Jens Gutzmer ist Direktor des Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie.

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