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Standpunkte Deutschen Sonderweg bei Smart Metern beenden

Jan Rabe
Jan Rabe ist Gründer und Geschäftsführer von Rabot Energy, einem Mitgliedsunternehmen der Smart-Meter-Initiative

In der Smart-Meter-Initiative (SMI) haben sich die digitalen Ökostromanbieter Octopus Energy, Tibber, Ostrom und Rabot Energy zusammengeschlossen. Von der neuen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche erhoffen sie sich vor allem eins: endlich den Befreiungsschlag bei der Digitalisierung der deutschen Stromnetze. Wie er gelingen kann, beschreibt Rabot-Energy-Gründer Jan Rabe für die SMI.

von Jan Rabe

veröffentlicht am 23.05.2025

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Trotz zahlreicher gegenteiliger Behauptungen: Die deutsche Energiewende ist eine internationale Erfolgsgeschichte. Hätte Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten nicht massiv in Solar- und Windenergie investiert, wäre der Strompreis deutlich höher und das Land hätte die Gaskrise niemals so reibungslos überstanden.

Der Grund dafür, dass Strom in Deutschland immer noch teuer ist, ist nicht in erster Linie die teure Produktion – die ist im europäischen Vergleich oft sogar recht günstig. Der Grund sind vor allem Steuern, Gebühren und Abgaben für ein teures, weil wenig digitalisiertes Stromnetz – den sogenannten Messstellen- und Netzbetrieb.

Mit rund 900 Messstellen- und Verteilnetzbetreibern leistet sich Deutschland ein kompliziertes Geflecht unterdigitalisierter und damit häufig ineffizienter Insellösungen. Wer in Deutschland Strom verkaufen möchte, muss zunächst mit allen diesen messstellenbetreibenden Unternehmen Verträge abschließen.

Weitere Kosten entstehen durch die ineffiziente Subvention erneuerbarer Energien in Form einer pauschalen Einspeisevergütung. Dabei ist der Betrieb privater PV-Anlagen längst wirtschaftlich ohne jegliche Subventionen lohnend, wenn der damit erzeugte Strom schlicht direkt per Direktvermarktung zum Börsenstrompreis eingespeist wird.

Das größte Problem der starren Einspeisevergütung ist, dass sie Strom aus Solaranlagen auch dann vergütet, wenn sie in Zeiten des Stromüberflusses die Netze nur belasten. Durch die falsch gesetzten Anreize verstärkt die Einspeisevergütung sogar noch die teuren Engpässe im Netz.

Die Kosten der EEG-Umlage wurden zunächst den Verbraucher:innen über die Netzentgelte auferlegt, inzwischen sind sie steuerfinanziert. Der Bund überwies 2024 rund 18,49 Milliarden Euro auf das EEG-Konto der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB).

Lösungsweg: Smart Meter

Beide Herausforderungen haben eine gemeinsame, einfache Lösung: Smart Meter. Sie sind sowohl Voraussetzung dafür, dass private PV-Anlagen zu Marktpreisen einspeisen können, als auch für dynamische Stromtarife und Netzentgelte, die Haushalten finanzielle Anreize geben, sich netzdienlich zu verhalten. Deutschland benötigt also dringend das, was andere europäische Länder längst haben: eine umfassende Digitalisierung der Verteilnetze bis zum Endpunkt bei den Verbraucher:innen, dem Stromzähler.

Der Smart-Meter-Rollout in Deutschland ist aber leider eine Geschichte mit vielen Tiefen und wenig Höhen. 2016 setzte sich die damalige Bundesregierung das Ziel, dass bis zum Jahr 2020 mindestens 80 Prozent der Haushalte einen smarten Zähler haben sollten, der den aktuellen Stromverbrauch nicht nur misst, sondern auch an den Verteilnetzbetreiber sendet. An diesem Anspruch ist nicht nur diese, sondern sind auch die drauf folgenden Bundesregierungen krachend gescheitert: Im Dezember 2024 hatten nach offiziellen Angaben der Bundesnetzagentur gerade einmal gut zwei Prozent der Haushalte einen solchen Stromzähler.

Doch ohne Smart Meter wird der Strompreis unnötig hoch bleiben. Es birgt enormes Sparpotenzial, Anreize für Haushalte zu schaffen, dann Strom zu verbrauchen, wenn dieser besonders günstig ist – etwa bei viel Sonnen- oder Windstrom im Netz. Je mehr Haushalte so genannte flexible Verbraucher haben, also zum Beispiel Wärmepumpen oder E-Autos, desto größer ist der Effekt.

Dieses Potenzial wird bisher nicht genutzt. Deutschland produziert stattdessen nicht nur unnötig viele CO2-Emissionen, sondern erleidet auch ganz reale volkswirtschaftliche Verluste. Das Einsparpotenzial durch smarteren Stromverbrauch durch Privathaushalte beziffert eine Studie von Agora Energiewende beispielsweise auf 4,8 Milliarden Euro bis 2035.

Die Ampel-Regierung hat erstmals einen klaren Fahrplan für einen Rollout und weitere wichtige Schritte für die Flexibilisierung und Digitalisierung der Stromnetze vorgelegt – darunter die Pflicht aller Stromanbieter, mindestens einen dynamischen Tarif anzubieten und das Recht auf Smart Meter für jeden Haushalt. Dass die kommende Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag die dringend notwendige Flexibilisierung der deutschen Stromnetze explizit erwähnt, macht Hoffnung. Was nun folgen muss, sind konkrete Schritte dazu.

In einem offenen Brief haben die Mitglieder der Smart-Meter-Initiative der kommenden Bundesregierung dazu konkrete Vorschläge gemacht. Der wichtigste Punkt: Beendigung des deutschen Sonderweges bei intelligenten Messsystemen. Smart Meter müssen in den meisten Haushalten Stromflüsse messen und Messwerte übermitteln – mehr nicht.

Zusätzliche Funktionen wie die Steuerung von Wärmepumpen oder Wallboxen durch die Netzbetreiber können möglich gemacht werden, sollten aber nicht zum gesetzlich definierten Funktionsumfang des Smart-Meter-Gateways gehören. Die hohen und teuren technischen Anforderungen an Smart Meter im Vergleich zum europäischen Ausland, wo viele Länder bereits 100 Prozent Abdeckung haben, bremsen den deutschen Rollout seit Jahren.

Weniger Bürokratie, mehr Pragmatismus

Damit der deutsche Rollout endlich in Fahrt kommt, sollte die künftige Wirtschafsministerin den grundzuständigen Messstellenbetreibern (gMSB) außerdem ein pragmatisches Vorgehen erlauben: Wenn in Zeiten des Fachkräftemangels ein gMSB-Mitarbeitender vor Ort den Zähler einer Verbrauchsstelle auswechselt, muss es möglich sein, gleich sämtliche Zähler des entsprechenden Gebäudes auszutauschen. Deutschland kann sich hier kein weiteres bürokratisches Schneckentempo leisten.

Grundsätzlich sollten die Vorschriften rund um Smart Meter endlich reduziert werden. Statt dass wie bisher vom Gesetz vorgesehen, Smart-Meter vom Netzbetreiber gesteuert werden, sollte die Bundesregierung günstigere Cloud-Lösungen zulassen, die ebenfalls Großverbraucher wie Wärmepumpe oder E-Auto smart so steuern können. Auch so werden die Netze entlastet und der Stromverbrauch findet vor allem in Stunden statt, die grün und günstig sind.

Dass die Sicherheitsvorgaben für Smart Meter in Deutschland so hoch sind, liegt vor allem an dieser Steuerungsfunktion, die in einer Welt von Strom-Apps und mit dem Internet verbundener Wallboxen schlicht nicht notwendig ist. Die Richtlinien machen den Einbau und Betrieb der Geräte unnötig komplex, störanfällig und teuer.

Wenn es die kommende Bundesregierung schafft, dass der Knoten des Smart-Meter-Rollouts endlich platzt, kann die deutsche Energiewende zum Vorbild für die Welt werden. Unser Strom würde für alle nicht nur deutlich grüner, sondern auch deutlich günstiger.

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