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Energie & Klima

Standpunkte Energiewende auf Kurs halten

Sönke Tangermann (li) ist Vorstand von Green Planet Energy, Oliver Hummel, Vorstandsvorsitzender von Naturstrom
Sönke Tangermann (li) ist Vorstand von Green Planet Energy, Oliver Hummel, Vorstandsvorsitzender von Naturstrom Foto: Green Planet Energy, Naturstrom

Während im Wahlkampf über das Ende des Heizungsgesetzes, pauschalisierte und damit bremsende Technologieoffenheit sowie eine Renaissance der Atomenergie diskutiert wird, ist der globale Siegeszug der Erneuerbaren nicht zu stoppen. Statt Verunsicherung braucht es für die nächste Legislatur einen Fahrplan für eine wettbewerbliche, sozial gerechte und bürgernahe Energiewende – fordern Oliver Hummel (Naturstrom) und Sönke Tangermann (Green Planet Energy) gemeinsam mit Bürgerwerke und EWS Schönau.

von Sönke Tangermann, Oliver Hummel

veröffentlicht am 17.12.2024

aktualisiert am 16.01.2025

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Im Ziel sind sich die potenziellen Koalitionäre Union, SPD und Grüne einig: Deutschland muss bis 2045 klimaneutral werden. Doch wie soll dieses Ziel erreicht werden? Volle Kraft in Richtung Erneuerbare und ein modernes Energiesystem oder eine zaudernde Verlängerung für die fossil-atomare Steinzeit? Letzteres wäre nicht nur klimapolitisch ein kostspieliger Irrweg, sondern auch ein Widerspruch zu den vielen Investitionen in der Energiewirtschaft, die längst unternehmensübergreifend auf erneuerbare Energien setzen und den Ausbau sowie die Entwicklung passender Komplementärelemente vorantreiben.

Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Der Anteil der Erneuerbaren stieg im dritten Quartal auf 63,4 Prozent. Photovoltaik boomt, die Genehmigungen für neue Windenergieanlagen an Land ziehen endlich wieder deutlich an. Mit diesen Ausbau-Erfolgen haben die Erneuerbaren gezeigt, dass sie eine sichere, unabhängige und CO2-freie Energieversorgung Deutschlands gewährleisten können – Atomenergie braucht dazu niemand mehr und innerhalb einer Dekade könnten auch Kohle und Gas aus der Stromerzeugung verdrängt werden. Diesen Schwung jetzt zu bremsen, würde unserem Land, dem Klima und unserer Wirtschaft schaden. Mehr denn je braucht es nach der Wahl Planungssicherheit für Unternehmen, die in erneuerbare Energien investieren.

Entscheidend für die Weiterentwicklung der staatlichen Rahmenbedingungen ist daher, den erfolgreichen marktgetriebenen Ausbau der Erneuerbaren und die Akteursvielfalt der Energiewende weiter in den Mittelpunkt zu stellen. Gleichzeitig müssen Erneuerbare-Energien-Projekte teilweise weiterhin abgesichert werden, um Kapitalkosten zu verringern und auch kleineren Akteuren die Marktteilnahme zu ermöglichen.

Aber es geht längst nicht mehr nur um den reinen Anlagen-Ausbau. Die nächste Bundesregierung muss auch das dringend benötigte Update für unser Strommarktdesign installieren, um dezentrale Flexibilitätspotenziale durch Wärmepumpen, Heimspeicher und Elektroautos schnell zu aktivieren. Damit lassen sich im Übrigen Milliardensubventionen für den Bau neuer Erdgaskraftwerke einsparen und die Staatskasse entlasten. Gerade in Zeiten intensiver Haushaltsdebatten müssen fossile Subventionen gestrichen statt ausgeweitet werden.

Und noch etwas ist bei diesem Update entscheidend: Die (Kosten-)Vorteile der Erneuerbaren müssen auch im Geldbeutel der Bürger:innen ankommen. Dynamische Tarife sind ein erster wichtiger Schritt, damit die Verbraucher:innen von den kostensenkenden Effekten der Erneuerbaren profitieren. Deren Erfolg hängt aber maßgeblich von einer gelungenen Digitalisierung der Verteilnetzbetreiber und vom Smart-Meter-Rollout ab. Hier muss eine neue Bundesregierung dringend ansetzen.

Mehr Klimagerechtigkeit wagen

Maßgebend dafür, dass die Preisvorteile der Erneuerbaren für alle sichtbar werden, ist ein ambitionierter CO2-Preis, der die realen Schadenskosten von Kohle, Gas und Öl zumindest annähernd einpreist. Deutschland muss den Übergang zum europäischen Emissionshandel für Wärme und Verkehr, der 2027 ansteht, schnell ausgestalten und mit Mindestpreisen absichern. So können Bürger:innen und die gesamte Wirtschaft frühzeitig die Kostenrisiken von fossilen Verbrennungstechnologien in ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen. Doch der CO2-Preis darf nicht zum sozialen Sprengsatz werden. Die Lösung liegt auf der Hand: ein Klimageld, das die Einnahmen sozial gerecht direkt an die Bürger:innen zurückgibt. Konzepte dafür liegen längst in der Schublade – es ist höchste Zeit, sie umzusetzen.

Um die Energiewende zum Mitmachprojekt für alle zu machen, brauchen wir außerdem mehr Beteiligungsangebote: von Energiegenossenschaften bis hin zu kommunalen Windparks. Nur so schaffen wir Akzeptanz und verteilen die Wertschöpfung gerecht. Konkret fordern wir eine verpflichtende finanzielle Beteiligung von Kommunen an Wind- und Solarparks, den Ausbau von Energy-Sharing-Modellen und die Förderung von Bürgerenergiegenossenschaften. Richtig ausgestaltet kann Energy Sharing ein Modell werden, das die Akzeptanz für die Energiewende stärkt, das Energiesystem flexibilisiert und den Ausbau voranbringt. Dafür müssen aber im Vergleich zum bisher vorliegenden Gesetzentwurf zusätzliche Anreize geschaffen werden, die den Mehraufwand aufwiegen. Mit Mieterstrom und der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung sind bereits weitere Beteiligungsmöglichkeiten am Markt, die aber ohne eine beschleunigte Digitalisierung ein Nischenthema bleiben werden.

Wärmewende zur Priorität machen

Die Ankündigungen aus der Union und aus Teilen der SPD, die Anpassungen des Gebäudeenergiegesetzes zurückzunehmen, sorgen aktuell für eine weitere Verunsicherung in der Branche und bei den Verbraucher:innen. Ohnehin ist das Gesetz so entschärft, dass es im Gebäudebestand kaum noch Lenkungswirkung hat. Gerade hier aber besteht der größte Handlungsbedarf. Der Rückbau von Gasnetzen in Städten wie Mannheim und Hannover längst in Planung. Ja, wir brauchen pragmatische Lösungen. Aber pragmatisch heißt nicht, unter dem Deckmantel der ”Technologieoffenheit” weiter auf Öl- und Gasheizungen zu setzen. Der Gebäudesektor verfehlt seit Jahren seine Klimaziele. Ein "Weiter so" können wir uns weder ökologisch noch ökonomisch leisten, zumal ansonsten milliardenteure Strafzahlungen an die EU drohen. Es braucht stabile, langfristige Markt- und Förderbedingungen. Konkret müssen etwa die Bundesförderung für effiziente Gebäude und die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze so aufgestellt werden, dass nicht mit jeder zukünftigen Haushaltsdebatte die Förderung in Frage gestellt wird.

Die Energiewende erfordert Mut, Kreativität und Verantwortung für junge und zukünftige Generationen. Ein Festhalten an der Vergangenheit mag zwar ein wenig wohlige Nostalgie auslösen, ein Erfolgsrezept ist es weder für Klimaschutz, unsere Energieversorgung noch für unsere Volkswirtschaft. Mit innovativen Technologien, kluger Regulierung und breiter Beteiligung können wir die Energiewende und Deutschland insgesamt weiter zum Erfolg führen: wettbewerblich, bürgernah und erneuerbar.

Das gemeinsame Positionspapier der vier Ökostromanbieter Bürgerwerke, EWS Schönau, Green Planet Energy und Naturstrom zur Bundestagswahl finden Sie unter Link.

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