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Energie & Klima

Standpunkte Europas Energiekrise bietet Chancen für Zypern und den östlichen Mittelmeerraum

Politikwissenschaftler, ehem. Stipendiat am Centre for Applied Turkey Studies (CATS) und Forscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik
Politikwissenschaftler, ehem. Stipendiat am Centre for Applied Turkey Studies (CATS) und Forscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik Foto: privat

Gasfelder im östlichen Mittelmeerraum und viel Sonneneinstrahlung bieten Möglichkeiten, die Region zu einer Energiequelle für Europa zu machen. Besonders Zypern könnte davon profitieren, schreibt der Politikwissenschaftler Moritz Rau – vorausgesetzt, der politische Konflikt auf der geteilten Insel wird entschärft.

von Moritz Rau

veröffentlicht am 24.02.2023

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Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der gefährdeten Energieversorgung Europas gewinnt der östliche Mittelmeerraum wieder an politischer Aufmerksamkeit. Im Fokus stehen bisher unerschlossene Erdgasvorkommen und eine zukünftige Versorgung mit grünem Strom und Wasserstoff. Doch die Konflikte Griechenlands und der Republik Zypern mit der Türkei gefährden die Option der Zusammenarbeit.

Die EU steht vor einer dreifachen Herausforderung: Sie muss das kurzfristige Problem der Energiesicherheit mit dem langfristigen Ziel der Energiewende zusammendenken, ihren beiden Mitgliedstaaten Griechenland und Zypern zur Seite stehen und gleichzeitig prüfen, inwieweit eine Einbindung der Türkei in Projekte der regionalen Energiekooperation gelingen beziehungsweise deeskalierend wirken kann.

Erdgas aus dem östlichen Mittelmeer

Was die Versorgung der EU mit Erdgas betrifft, geht es um schnelle Lösungen, da kurzfristig russische Ressourcen ersetzt werden müssen und langfristig eine strukturelle Reduktion der Erdgasnachfrage aufgrund der Klimaziele angestrebt wird. Für die Gasfelder im östlichen Mittelmeer, die bisher nicht über Pipelines an das europäische Versorgungsnetzwerk angeschlossen sind, kommt innerhalb dieses Rahmens zunächst nur die Erhöhung der Mengen bereits bestehender Lieferungen an Flüssiggas (LNG) in Frage.

Das betrifft die erschlossenen Gasfelder Israels und die ägyptischen Verflüssigungsanlagen Idku und Damietta. Laut Charles Ellinas, Energieexperte des Atlantic Council, beträgt die maximale Exportkapazität der beiden LNG-Terminals rund 17 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. 2021 wurden etwa zwei Milliarden Kubikmeter Gas von Israel über die ägyptischen Terminals in die EU transportiert. Für 2022 wurde eine Steigerung auf etwa fünf Milliarden Kubikmeter angestrebt.

Mit diesen Liefermengen können nur etwa drei Prozent der russischen Zufuhren an die EU kompensiert werden, die 2021 rund 155 Milliarden Kubikmeter Erdgas umfassten. Frühestens ab 2025 könnten weitere Erdgasfelder im östlichen Mittelmeer erschlossen werden. Solange die EU-Kommission jedoch eine strukturelle Senkung des europäischen Erdgasbedarfs anstrebt, werden sich kaum Unternehmen finden, die bereit sind, Millionenbeträge in neue Infrastruktur zu investieren.

Zyprische Gasvorkommen: Exportoptionen und Konfliktlinien

Derzeit stellt sich die Frage, ob die nach Angaben internationaler Konzerne bis zu 600 Milliarden Kubikmeter umfassenden unerschlossenen Gasvorkommen vor der Küste Zyperns perspektivisch für die europäischen Märkte von Interesse sind. Potenziell könnte die Republik Zypern dem Beispiel Israels folgen, das einen Teil seiner Gasvorkommen in verflüssigter Form über Ägypten auf den europäischen Markt verschifft.

Dazu müsste eine Pipeline gebaut werden, welche die zyprischen Gasfelder mit den ägyptischen LNG-Terminals verbindet. Aktuelle Pläne und Überlegungen des US-Konzerns Chevron gehen in diese Richtung. Zudem intensivierten Israel und die Republik Zypern zuletzt ihre Gespräche über ein Abkommen zur gegenseitigen Gewinnbeteiligung, denn das größte zyprische Gasfeld liegt zu einem geringen Anteil in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Israels. Bislang behinderten die strittigen Nutzungsrechte die Entwicklung der Ressourcen.

Es gibt jedoch eine Menge weiterer politischer Hürden, die die Nutzung der Gasfelder vor der zyprischen Küste erschweren. Auf der Insel selbst streiten die griechischen und türkischen Volksgruppen über eine Aufteilung der Gewinne, die durch eine internationale Vermarktung ihrer Gasvorkommen erzielt werden könnten. Die Türkei  sieht zudem ihre Seerechte verletzt und erschwerte seit 2011 wiederholt die Suche nach Erdgas in der AWZ der Republik Zypern, so etwa im Februar 2018, als die türkische Marine ein Forschungsschiff von ENI zur Umkehr zwang.

Die politische Instabilität um Zypern stellt nicht nur ein Sicherheitsrisiko für die Region dar, sondern wirkt sich auch negativ auf die Investitionsbereitschaft internationaler Energieunternehmen in die Erdgasförderung aus. Eine Einigung zwischen der Republik Zypern und der Türkei über den Verlauf ihrer Seegrenzen oder zumindest über Förder- und Nutzungsrechte bestimmter Gasfelder würde nicht nur die Erschließung der Lagerstätten im Süden der Insel, sondern auch alternative Lieferrouten ermöglichen.

Israelische und möglicherweise auch zyprische Gasvorkommen könnten über eine durch die AWZ Zyperns verlaufende Unterwasserpipeline in die Türkei exportiert werden. Für die Türkei eröffnete sich dadurch die Aussicht auf große Mengen günstigen Erdgases, die ihre Abhängigkeit von russischen Importen verringern würden. Auch könnte die gesamte Insel Zypern mit Erdgas versorgt werden und sich gleichzeitig internationale Absatzmärkte erschließen.

Erneuerbare Energien auf Zypern

Der sonnen- und windreiche östliche Mittelmeerraum lässt zudem hoffen, dass die EU in Zukunft grünen Strom und Wasserstoff aus der Region beziehen kann. Die Europäische Kommission kündigte bereits im Mai 2022 an, einen Mittelmeerkorridor für grünen Wasserstoff einzurichten. Besonders mit Ägypten soll es eine enge Zusammenarbeit geben. Zypern ist im Wasserstoffbereich noch nicht aktiv.

In den Plänen zur Vernetzung des europäischen, afrikanischen und nahöstlichen Stromraums spielt die Insel aber eine zentrale Rolle. So reiste EU-Energiekommissarin Kadri Simson im Oktober 2022 nach Nikosia, um den Startschuss für die erste Bauphase des EuroAsia Interconnector zu geben. Dabei handelt es sich um ein von der EU teilfinanziertes Untersee-Stromkabel, das Zypern und später auch Israel mit dem griechischen Stromnetz verbinden soll. Eine gemeinsame Stromleitung von Griechenland über Zypern nach Ägypten ist ebenfalls in Planung.

Um künftig mit erneuerbaren Energien zu handeln, muss Zypern deren Ausbau jedoch erst noch massiv vorantreiben. Obwohl die Insel das Gebiet mit der höchsten kontinuierlichen Sonneneinstrahlung in der EU ist, lag die Republik Zypern im Jahr 2020 beim Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung noch auf dem vorletzten Platz.

Eine Überlegung ist, eine bi-kommunal verwaltete Solaranlage in der UN-Pufferzone zu errichten, die beide Volksgruppen mit Ökostrom versorgen würde. Das von der UN kontrollierte Gebiet ist 180 Kilometer lang und erstreckt sich über eine Fläche von 346 Quadratkilometern. Die Zone ist weitgehend ungenutzt und bietet in der Theorie reichlich Platz für den Aufbau von Solarpanelen und Stromspeichern.

Zu berücksichtigen sind aber auch hier die Folgen des Zypernproblems sowie die ungelösten Konflikte mit der Türkei, die den raschen Ausbau erneuerbarer Energien und entsprechender Infrastruktur ausbremsen. Daher sollte überlegt werden, wie auch der türkisch besetzte Teil der Insel vom EuroAsia Interconnector profitieren könnte.

Politisch gesehen gäbe es gute Gründe für die Integration der türkischen Zyprer in das europäische Stromnetz. Erstens böte dies eine Gelegenheit, die zyprischen Volksgruppen wieder zur Zusammenarbeit zu bewegen. Seitdem die Friedensverhandlungen von Crans-Montana im Sommer 2017 scheiterten, verschlechterten sich die Beziehungen zwischen beiden Seiten deutlich.

Zweitens stellte das Angebot, die türkischen Zyprer in den europäischen Stromraum zu integrieren, einen Test dafür dar, ob es der Türkei bei ihrer Unterstützung der türkischen Zyprer wirklich um das Wohlergehen der Volksgruppe geht oder vielmehr um geostrategische Ziele, sprich Nordzypern als unsinkbaren Flugzeugträger und Marinestützpunkt zu halten.

Moritz Rau war von Oktober 2019 bis Dezember 2022 in verschiedenen Funktionen für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) tätig. Unter anderem war er Stipendiat am CATS (Centre for Applied Turkey Studies) und Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen.

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