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Energie & Klima

Standpunkte Gestalten statt verwalten: Klimaneutralität und gerechter Strukturwandel

Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Foto: DGB/Detlef Eden

Das Klima retten wir gemeinsam: DGB-Chef Reiner Hoffmann und der finnische Spitzengewerkschafter Antti Palola rücken in ihrem Standpunkt die „Just Transition“ in den Fokus. Nur mit hoch qualifizierten und motivierten Beschäftigten und Solidarität werde die Transformation Richtung Klimaneutralität gelingen.

von Reiner Hoffmann

veröffentlicht am 18.03.2021

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Treibhausgasneutralität erfordert politisches Handeln in allen Sektoren: Industrie, Verkehr, Gebäude und Energie. Denn alle Sektoren sind gleichzeitig mit einem massiven Transformationsprozess konfrontiert. Und die Grundlagen für diesen Prozess müssen wir heute legen. Wir brauchen Jahrzehnte, um Infrastrukturen zu bauen und zu modernisieren. Allein um Industrieanlagen zu realisieren benötigt man zehn Jahre. Wir müssen jedes Jahr enorme Kapazitäten von erneuerbaren Energien zubauen. Und der Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft wird sich über Dekaden hinziehen. Die Zeit rennt uns davon.

All das steht sinnbildlich für die grundlegende Modernisierung der europäischen Wirtschaft. Die Debatte konzentriert sich dabei oft auf Technologien, was verständlich ist. Es wird noch viele technologische Innovationen brauchen, um die Klimaneutralität zu erreichen. Aber Technologie ist nicht alles. Klimaneutralität werden wir nur erreichen, wenn ökologische und soziale Aspekte zusammenkommen: Wir brauchen einen gerechten Strukturwandel, eine Just Transition.

Gerechter Strukturwandel ist alternativlos

Gute Arbeit, Mitbestimmung und Tarifverträge sind kein Selbstzweck. Diese Instrumente werden es sein, die Klimaneutralität möglich machen werden. Sie sind Werkzeuge für eine nachhaltige Zukunft. Denn diese Instrumente stehen für Innovation in den Betrieben, Akzeptanz der Gesellschaft und Engagement der Beschäftigten.

Warum sollte ein Unternehmen eine Transformation unterstützen, die das Geschäftsmodell infrage stellt? Warum sollte ein Beschäftigter einen Prozess begrüßen, der ihn den Job kosten wird? Und warum sollte die Gesellschaft eine Entwicklung begrüßen, die zahlreiche Heimatregionen perspektivlos zurücklässt?

Man kann es der unsichtbaren Hand des Marktes überlassen, diese Transformation gegen jeden Widerstand durchzudrücken. Man kann die Transformation aber auch mit den sichtbaren Händen von Millionen von Beschäftigten gestalten. Zufriedene und gut ausgebildete Beschäftigte sind Europas Wohlstandsgarantie für die Zukunft.

Zukünftige Herausforderungen qualifiziert anpacken

Europas Wohlstand steht und fällt mit seinen gut ausgebildeten Beschäftigten. Das heißt, gut ausgebildet für die heutige Wirtschaft. Aber: Neue Technologien brauchen neue Qualifikationen. Neue Verfahren brauchen neue Qualifikationen. Neue Produkte brauchen neue Qualifikationen. Um Weltspitze im Bereich der Klima- und Umwelttechnologien sowie im Bereich klimaneutrale Produkte und Dienstleistungen zu werden, brauchen wir breit angelegte Qualifizierungsmaßnahmen und eine Anpassung von Aus- und Hochschulbildung.

Aus heutiger Sicht ist jedoch oft unklar, welche Qualifikation genau gebraucht werden wird. Auch die generellen Auswirkungen von Klimapolitik auf soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung wird zu wenig betrachtet. Wir brauchen deshalb mehr Forschung in diesen Bereichen und eine Politik, die die wissenschaftlichen Erkenntnisse respektiert und sinnvoll in politische Maßnahmen übersetzt.

Kooperation und gemeinsame Herausforderungen

Natürlich stehen die europäischen Länder in einem Wettbewerb zueinander. Doch betrachten wir den Weg hin zur Klimaneutralität, überwiegen die gemeinsamen Herausforderungen deutlich die klassische Maxime des Wettbewerbsgedankens. Viele europäische Länder haben sich zum Ziel gesetzt, klimaneutral zu werden. Deutschland und Finnland gehören ebenfalls dazu. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen beide Ländern schmerzhafte Schritte weg von fossilen Energieträgern machen und werden große Herausforderungen mit Blick auf den Strukturwandel in den betroffenen Regionen meistern müssen.

Doch auch das was bleibt muss einen massiven Wandel durchmachen und modernisiert werden: ganz egal ob neue Produkte, Verfahren oder Technologien. Und in Ergänzung dazu wird es komplett neue Wirtschaftszweige brauchen: Wir alle kennen die Diskussionen zu Batterien, erneuerbaren Energien und Wasserstoff. Anspruch muss sein, die gesamte Wertschöpfungskette in Europa zu etablieren und den Beschäftigten entlang dieser Wertschöpfungskette immer „Gute Arbeit“ zu gewährleisten.

Die Transformation ist da

Alles ändert sich. Jederzeit. Aber Klimaneutralität setzt die Transformation in eine nie dagewesene globale und zeitliche Perspektive. Eine Perspektive die beängstigend sein kann und unsicher macht. Wir müssen heute noch nicht alle Antworten kennen. Doch wir müssen den Mut haben, die richtigen Fragen zu stellen. Der Unsicherheit der Transformation antworten wir mit der Sicherheit der Solidarität. Wir dürfen uns glücklich schätzen, ein Europa der Solidarität aufgebaut zu haben. Gewerkschaften werden die anstehende Transformation aktiv gestalten und wir fordern alle Beschäftigten dazu auf, das ebenso zu tun.

Am Ende ist die Rechnung einfach: Keiner wird das Klima alleine retten. Das Klima retten wir nur gemeinsam, alle gemeinsam.

Reiner Hoffmann ist Vorsitzender des Deutschen Gewerkschafsbundes (DGB), Antti Palola führt die finnische Gewerkschaft STTK.

Die Inhalte dieses Standpunkts basieren auf dem gemeinsamen Projekt „Auf dem Weg zur klimaneutralen Gesellschaft – Eine nordisch-deutsche Gewerkschaftskooperation für den gerechten Strukturwandel“ des DGB, des Nordischen Gewerkschaftsrats und der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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