Mit dem Atom- und Kohleausstieg werden in den nächsten Jahren viele Kraftwerke aus dem System scheiden, die zum Teil bislang relevante Systemleistungen mit ihren großen Schwungmassen erbracht haben. Diese Systemleistungen müssen künftig anders erbracht werden, damit das System weiter im Gleichgewicht gehalten werden kann. Dafür bieten sich Speicher an. Dies zeigt sich auch im Kontext des europäischen System-Splits vom 8. Januar, bei dem nach einem Vorfall in Kroatien das europäische Stromnetz zeitweise in zwei Teile zerfiel.
Um eine Ausbreitung des Netzfehlers und speziell Auswirkungen auf das gesamte europäische Verbundnetz zu vermeiden, wurde für eine bestimmte Zeit das gesamte südosteuropäische Netz abgetrennt. Den unmittelbaren Hinweis auf derartige Vorfälle bildet die überall gleichzeitig gemessene deutlich veränderte Frequenz.
Im Zusammenhang mit dem Netzfehler ist auch die Frage interessant, inwieweit aktive Stützungsmaßnahmen durch Batterien in der Primärregelleistung (PRL) daran beteiligt waren, einen weiteren Frequenzabfall zu verhindern.
Speicher im Netz und ihre Rolle im Störfall
Zunächst einige Grundlagen: Speichersysteme können nicht nur virtuell, sondern tatsächlich in beiden Wirkungsrichtungen betrieben werden. Bei Überfrequenz werden sie aus dem Netz geladen und entziehen überschüssige Leistung, bei Unterfrequenz stützen sie das Netz durch Einspeisung. Der Zusammenhang zwischen Frequenz und Leistung ist in einer Kennlinie definiert, die die einheitliche Regelvorgabe jedes Primärregelleistungs-Systems darstellt. Die Primärregelleistung ist entscheidend dafür verantwortlich, Störungen mit sehr kurzer Reaktionszeit auszugleichen.
Ein Speichersystem kann in einer Ausschreibung des PRL-Marktes dann mitbieten, wenn es die Kriterien Regelgeschwindigkeit, Leistung und Energiereserven für eine gewisse Vermarktungsleistung erfüllen kann und dies auch nachgewiesen hat.
Wie haben sich Speichersysteme nun bei dem Vorfall in der Praxis bewährt? Die folgende Auswertung zeigt die Reaktion der aktiven Speichersysteme in der PRL des bayerischen Unternehmens Smart Power im Realbetrieb am 8. Januar 2021.
1. Sofort nach Erfassung des Frequenzeinbruches und ohne sichtbare Verzögerung erhöhten die Smart-Power-Anlagen an den verschiedenen Standorten die netzstützende Einspeiseleistung um insgesamt circa 24 Megawatt und lieferten damit einen kleinen Anteil zur Systemstabilisierung. In den folgenden rund 20 Minuten normalisierte sich die Netzfrequenz. Die PRL-Einspeiseleistung der Speichersysteme wurde gemäß der vorgegebenen Kennlinie wieder zurückgefahren.
2. Die in den Messwerten der Smart Power Anlagen erkennbare gute Regeldynamik ist sicher auch auf andere Anlagen übertragbar. Daraus leitet sich ab, dass Speicheranlagen auch bei solchen hochdynamischen Störfällen zur Netzstützung sehr gut geeignet sind.
3. Die gemäß Kennlinie erforderliche Einspeiseleistung konnte nicht nur kurzfristig, sondern über die gesamte Dauer der Frequenzabweichung erbracht werden.
Die Rolle der Speicher bei der dynamischen Netzstützung ist anhand der aktuell installierten Leistung noch nicht ausreichend, um solche Störfälle alleine beherrschen zu können. Dies betrifft sowohl die kurzfristig abrufbare Leistung als auch die zur Verfügung stehende Kapazität beziehungsweise Energie. Die derzeit erkennbare große Ausbaudynamik bei Speichern zeigt aber, dass die Größenordnung der zur Verfügung stehenden Leistung und auch Energie sehr schnell ansteigen kann, wenn die Rahmenbedingungen entsprechend vorgegeben werden.
Erneuerbare plus Speicher – die Innovationsausschreibung
Ein spannendes Instrument zur Ausrichtung von Speichern auf Systemdienstleistungen könnten Innovationsausschreibungen sein. In diesen werden Anlagen mit einer sogenannten fixen Marktprämie gefördert, die am Netzanschlusspunkt zusätzlich zur Erzeugung ein Speichersystem einer vorgeschriebenen Dimensionierung errichten und betreiben.
Im September 2020 erfolgte zum ersten Mal eine Ausschreibungsrunde für solche Anlagenkombinationen. Die meisten der 28 bezuschlagten Gebote enthalten Speichersysteme in unterschiedlichen Dimensionierungen. Die Idee liegt nahe, die Speicher der Innovationsausschreibungen auch parallel im Sinne der Systemsicherheit einzusetzen.
Hierzu passen folgende Überlegungen:
1. Derzeit gibt es noch gar keine exakten Vorgaben für den Betrieb der Speicher in der Innovationsausschreibung.
2. Es ist allerdings festgelegt, dass Speicher nur mit erneuerbaren Energien im Rahmen der Anlagenkombinationen geladen werden dürfen. Dies widerspricht derzeit einem Einsatz als Primärregelleistungsspeicher, insbesondere auch weil der Betrieb ja immer in beiden Richtungen erfolgen müsste. Was also technisch durchaus möglich wäre, ist derzeit regulatorisch definitiv untersagt.
3. Die Innovationsausschreibung wurde durch das EEG 2021 im Volumen erhöht und moderat weiterentwickelt. Größere Speicher werden gewünscht, deren zusätzlicher Beitrag zu Systemsicherheit ist jedoch noch nicht gesichert. Hier gibt es Nachbesserungsbedarf.
Die Auswertung der derzeitigen Zuschläge aus der ersten Ausschreibungsrunde ergibt eine Summe von fast exakt 100 Megawatt Speicherleistung bei etwa 62 Megawattstunden Energieinhalt. Mit den Änderungen des EEG 2021 soll die Kapazität der Speicher steigen.
Die Speicher der Innovationsausschreibungen könnten künftig ebenfalls eine relevante Rolle in der Unterstützung der Netzsicherheit spielen, wenn ihnen die zusätzliche Verwendung für Systemdienstleistung ermöglicht würde. Mehr noch: Künftige Präqualifikationsvorgaben bei den Ausschreibungen könnten dazu führen, dass diese Speicher sogar gezielt die Systemleistungen erfüllen können müssen, die künftig benötigt werden, weil sie entweder mit den Alt-Kraftwerken wegfallen oder marktlich nicht effizient beschafft werden können.
Dies würde wiederum Innovationen anreizen wie neue Wechselrichter, die mit den leistungsfähigen Batterien Momentanreserveleistung erbringen könnten, als Zusatzleistung zu einer großen Speicherkapazität, die den Ausgleich der PV-Einspeisung ermöglicht. Der Bericht im Vorhaben „SDL-Zukunft“ des BMWi hat darauf hingewiesen, dass wir künftig neue Technologien benötigen werden. Die Innovationsausschreibungen könnten das maßgeschneiderte Tool sein, mit der diese Entwicklung vorangetrieben wird.
Eine ausführliche Analyse und Bewertung der Ereignisse am 8. Januar sowie vertiefende Anmerkungen zur Regulatorik ist auf der Webseite der Smart Power GmbH erschienen. Dieser Standpunkt basiert auf den dortigen Ausführungen.