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Energie & Klima

Standpunkte Klimadiplomatie statt egoistischer Außenpolitik

Lisa Badum (Grüne), Obfrau für Klimaschutz und Energie, Vorsitzende des Unterausschusses für Klimaaußenpolitik
Lisa Badum (Grüne), Obfrau für Klimaschutz und Energie, Vorsitzende des Unterausschusses für Klimaaußenpolitik Foto: René Ruprecht

In Zeiten wachsender globaler Spannungen eröffnet die Klimaaußenpolitik strategische Chancen. Ein Rückzug würde nicht nur Deutschlands internationale Glaubwürdigkeit gefährden, sondern auch seine geopolitische Position schwächen, schreibt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lisa Badum. Deutschland muss seine Führungsrolle in der Klimadiplomatie unbedingt weiter ausbauen, fordert sie.

von Lisa Badum

veröffentlicht am 19.02.2025

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Die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz dürfte als Wendepunkt der internationalen Beziehungen in die Geschichte eingehen. Nach Russland und China haben jetzt auch die USA die Samthandschuhe gegen Boxhandschuhe ausgetauscht. Willkommen im Zeitalter der egoistischen Außenpolitik.

Wer auch immer sie anführt – die nächste Bundesregierung wird zügig und entschlossen darauf antworten müssen. Im Kontext dieses Wahlkampfes, in dem der Klimaschutz leider kaum eine Rolle spielt, mag es weit hergeholt klingen, doch die Klimaaußenpolitik wird sich dabei als eines der zentralen Instrumente erweisen. Denn in Zeiten wachsender globaler Spannungen ist klimadiplomatisches Engagement kein „nice to have“, sondern eine geopolitische Notwendigkeit.

Das Wunder der Klimadiplomatie

Donald Trumps erneuter Rückzug aus dem Pariser Abkommen ist zweifellos bitter. Und er könnte den ein oder anderen Nachahmer inspirieren. Doch genau wie beim ersten Mal hält die Staatengemeinschaft größtenteils an den Klimazielen fest (wie übrigens auch die Hälfte der US-Bundesstaaten, die ohnehin mehr Einfluss auf die amerikanischen Emissionen haben als das Weiße Haus). Kurzum: Der globale Klimaschutz ist nicht so leicht totzukriegen.

Indes war der Ausblick auch schon vor Trumps Wahlsieg alles andere als rosig. Denn für Klimadiplomatie blieb zwischen den wirtschaftlichen Nachwehen der Corona-Pandemie und den Zäsuren der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten denkbar wenig Luft.

Trotzdem hat die Staatengemeinschaft es bei den letzten drei Weltklimakonferenzen geschafft, einige der hartnäckigsten Hürden abzuräumen. Dazu zählen drei der wichtigsten Meilensteine seit Paris: die Einrichtung des Fonds für Schäden und Verluste 2022, der historische Beschluss einer weltweiten Abkehr von den fossilen Energien samt Ausbauzielen 2023 sowie die Einigung auf eine höhere Zielmarke für die internationale Klimafinanzierung 2024. Das zeigt: Auch in schwierigen Zeiten kann die Welt sich zu großen Erfolgen durchringen.

Klimadiplomatie als deutsches Alleinstellungsmerkmal

Deutschland kam bei diesen Einigungen eine Schlüsselrolle zu. So gab die Bundesregierung gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten den tonangebenden Startschuss für die Einzahlung in den Loss & Damage Fund ab. Und es war unsere Außenministerin Annalena Baerbock, die die globalen Ziele für Erneuerbare und Energieeffizienz erst auf die internationale Agenda setzte. Ganz zu schweigen von den positiven Mitnahmeeffekten der vielen Klima- und Energiepartnerschaften, die das Auswärtige Amt im Laufe der letzten Jahre hinter den Kulissen aufgebaut hat.

Dieser zielstrebige Kurs hat nicht nur den globalen Klimaschutz vorangebracht, sondern auch Deutschlands geopolitische Position gestärkt – als Nation, die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig international zu kooperieren, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Die von der Klimakrise am meisten betroffenen Länder trauen uns zu, auch für ihre Interessen einzustehen, und Schwellenländer wie Brasilien und Südafrika sehen uns als zuverlässigen Partner bei der globalen Energiewende.

Klimadiplomatisches Engagement gehört zunehmend zu Deutschlands internationalem Markenkern. Das hebt uns nicht nur von anderen westlichen Mächten ab – mit vielen Ländern kämen wir mittlerweile gar nicht mehr anders ins Gespräch.

Die drohende Rückabwicklung der Klimaaußenpolitik

Leider stehen diese Errungenschaften mit dem 23. Februar womöglich zur Disposition. Deutschlands konservative Kräfte liebäugeln bereits damit, die internationalen Klimaverhandlungen wieder aus dem Auswärtigen Amt auszulagern und den Unterausschuss für Klimaaußenpolitik im Bundestag einzustampfen.

Stellen wir uns vor, wir ziehen uns tatsächlich dergestalt aus der Klimadiplomatie zurück. Zunächst einmal würde es bedeuten, dass auch Europas internationaler Einfluss massiv schwindet. Für Länder wie Indien und China, aber auch Russland und Saudi-Arabien, wäre es eine Einladung, die internationalen Verhandlungen zu ihren eigenen Bedingungen zu gestalten – ohne Rücksicht auf unsere Interessen. Und klimavulnerable Staaten würden unseren Rückzug als Verrat an der Idee einer gemeinsamen globalen Verantwortung verstehen.

Eine institutionelle und personelle Herabstufung der Klimaaußenpolitik würde weltweit den Eindruck erwecken, dass Deutschland nicht länger als globaler Vorreiter beim Klimaschutz wahrgenommen werden will. Das wäre nicht nur eine Hypothek für unsere internationale Glaubwürdigkeit, sondern auch ein schwerwiegender geopolitischer Fehler.

Amerika zeigt, was wir nicht tun sollten

Elon Musk und sein gefühlter Vize Donald Trump machen dieser Tage eindrücklich vor, welche verheerenden Folgen der kurzsichtige Rückzug ins Nationale nach sich zieht. Das Kleingeld, das die beiden damit auf dem Papier einsparen mögen, wird niemals den anhaltenden Schaden für Amerikas Ruf in der Welt aufwiegen können. Das wird Trumps Vermächtnis bleiben, auch lange, nachdem die USA (hoffentlich) wieder zur Vernunft zurückgekehrt sind.

Deutschland ist nicht Amerika und der Bundeskanzler ist nicht so mächtig wie der US-Präsident. Doch Kürzungen im Auswärtigen kommen auch an deutschen Stammtischen gut an; das Bild der Kettensäge hat Schlagkraft.

Dieser Verlockung dürfen wir keinesfalls erliegen. Auch ohne jegliche Regierungserfahrung sollte der nächste Bundeskanzler wissen, dass jetzt nicht die Zeit ist für nationale Alleingänge. Damit wir in dieser neuen, multipolaren Weltordnung bestehen können, brauchen wir ein global agierendes Deutschland mit verlässlichen Freundschaften überall auf der Welt. Einer der besten Garanten dafür ist eine strategische Klimaaußenpolitik.

Klimadiplomatie als Schlüssel für die Zukunft

Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit – und zunehmend auch eine Frage der globalen Sicherheit. Ernteausfälle und Wasserknappheit bestimmen schon jetzt die weltweite Konfliktlage und Extremwettereignisse verursachen jedes Jahr wachsende Schäden in Milliardenhöhe. Wer vor diesen Problemen die Augen verschließt, riskiert, auf dem internationalen Parkett bald isoliert dazustehen.

Deutschland muss seine Führungsrolle im globalen Klimaschutz daher nicht nur beibehalten, sondern weiter ausbauen. Von den Klimapartnerschaften über die internationale Finanzierung bis hin zur Verankerung in Regierung und Parlament: Die Klimaaußenpolitik gehört ins Zentrum unseres internationalen Engagements, als tragende Säule der deutschen Außenpolitik.

Die Klimaaußenpolitik-Strategie der Ampel bildet dafür ein starkes Fundament, auf dem wir in den kommenden Jahren aufbauen können. Sie hat den Weg für eine ressortübergreifende, pan-europäische Klimadiplomatie geebnet, die die Klimakrise angemessen adressiert und uns obendrein mehr Gehör in der Welt verschafft.

Deutschland war das erste Land der Welt, das sich eine eigene Klimaaußenpolitik-Strategie gab. Seien wir nicht das erste Land, das die geopolitischen Chancen der Klimadiplomatie wieder in den Sand setzt – dafür steht zu viel auf dem Spiel.

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