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Energie & Klima

Standpunkte Kundenfreundliche Steuerung flexibler Verbraucher

Stefan Richter, Leiter Regulierungsmanagement des Energiekonzerns Eon
Stefan Richter, Leiter Regulierungsmanagement des Energiekonzerns Eon

Der Vorschlag für die Steuerung von flexiblen Lasten bei Kunden im Stromverteilnetz ist auf teils deutliche Kritik gestoßen – auch bei Tagesspiegel Background. Stefan Richter, Leiter Regulierungsmanagement des Energiekonzerns Eon, hält den „neuen § 14a“ jedoch für einen wichtigen Anfang. Die Einschränkungen für Kunden blieben im Rahmen, er sei schnell im Massengeschäft umsetzbar und dringend notwendig.

von Stefan Richter

veröffentlicht am 21.09.2020

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Den Leserinnen und Lesern von Tagesspiegel Background muss niemand erklären, dass die deutsche und europäische Energieversorgung für eine erfolgreiche Energiewende fundamental umgebaut werden muss. Spannender Nebeneffekt ist aber, dass mit zunehmender Dezentralisierung die Energiewende immer näher an jeden von uns rückt. Für die Energiewirtschaft ist der aktivere Kunde eine gewünschte Herausforderung. Dies gilt aktuell vor allem mit Blick auf die Integration neuer, flexibler Verbrauchseinrichtungen wie Elektromobile und Wärmepumpen.

Damit solche flexiblen Verbrauchseinrichtungen effizient und kundenfreundlich ins Netz integriert werden können, ist deren Steuerung unabdingbar. Dazu fehlen aber wesentliche Voraussetzungen: Wirklich intelligente Messsysteme, die eine Steuerung ermöglichen, und eine Anpassung des geltenden Rechtsrahmens. Mit dem § 14a im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) hat der Gesetzgeber zwar vor einigen Jahren einen ersten Versuch unternommen. Damit die Regelung messbaren Erfolg schaffen kann, muss sie nun aber an die Realitäten einer fortschreitenden Energiewende zukunftsfest und massengeschäftstauglich angepasst werden.

Ziel der neuen Regeln: Keine spürbaren Einschränkungen

Wesentliche Vorarbeiten sind in den letzten Jahren Hand in Hand von engagierten Stakeholdern geleistet worden. Es wird Zeit, diese jetzt umzusetzen: Im Zentrum der aktuellen Diskussion steht ein vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragter Vorschlag des Aachener Beratungsbüros BET, der im Rahmen einer Studie veröffentlicht wurde. Dieser sieht bei drohenden Netzengpässen für Besitzer von flexiblen Verbrauchern wie Elektroautos oder Wärmepumpen eine kurzfristige Einschränkung deren Strombezugs aus dem Netz vor.

Das Wichtigste: Dabei muss der Kunde nicht befürchten, dass bei ihm das Licht ausgeht. Denn der Vorschlag unterscheidet zwischen einer „unbedingten Leistung“, die immer zur Verfügung steht, und einem steuerbaren Teil, der so genannten „bedingten Leistung“, die allein der Netzbetreiber in einem engen Zeitfenster reduzieren kann.

Vorteil der Kunden: Sie profitieren im Gegenzug von reduzierten Netzentgelten und einer schnellen Bereitstellung der für sie notwendigen Anschlusskapazität vom Netzbetreiber. Netzengpässe im Niederspannungsbereich treten zwar ausgesprochen selten auf. Gleichwohl muss mit äußerster Sensibilität gesteuert werden: Wenn also überhaupt eine kurzzeitige Einschränkung durch den Netzbetreiber notwendig wird, ist diese auf maximal zwei Stunden pro Tag begrenzt und damit für alle Teilnehmer gut kalkulierbar. Damit ist klar: An mindestens 22 Stunden des Tages können Kunden individuell und nach Belieben Strom zum Laden des Elektroautos oder für ihre Wärmepumpe beziehen. 

Optimale Netzauslastung, weniger Baustellen

Wesentlicher Pluspunkt bei einer Steuerung flexibler Verbraucher: Durch eine bessere Auslastung der Netze können mehr Elektroautos und Wärmepumpen angeschlossen werden, ohne dass sofort ein zusätzlicher Netzausbau notwendig wird. Dieser Vorteil wird sich vor allem in Innenstädten, Ortskernen und Wohngebieten auszahlen, weil viele einschränkende Baustellen gar nicht erst entstehen werden.

Vor allem aber garantiert eine verpflichtende Teilnahme am Modell den wirtschaftlichen und schnellen Aufbau intelligenter Mess-, Steuerungs- und Kommunikationsinfrastruktur – eine elementare Voraussetzung für einen aktiven Kundenmarkt in einer dezentralen Energiewelt.

Der diskutierte Ansatz zu § 14a EnWG ist eine Chance, Flexibilität endlich massengeschäftstauglich zu machen. So kann es gelingen, den zunehmenden Flexibilitätsbedarf in der so wichtigen, kundennahen Niederspannungsebene zunächst in eine netzdienliche und später zusätzlich in eine marktliche Umgebung zu überführen. Dies ist Voraussetzung für viele neue Geschäftsfelder; beispielsweise, wenn Aggregatoren die Vermarktung von Energiemengen aus den Fahrzeugbatterien in Verbindung mit weiteren Netzdienstleistungen übernehmen.

Plädoyer für eine zukunftsoffene Ausgestaltung des „neuen 14a“

Damit innovative Geschäftsmodelle in der Zukunft möglich werden, muss der „neue 14a“ aber offen ausgestaltet werden. Dies gilt auch für Ansätze wie variable Netztarife. Diese können bei richtiger Ausgestaltung helfen, Engpässe in größeren Netzgebieten und auf höheren Spannungsebenen bei Erzeugungsüberschüssen präventiv zu vermeiden. Gerade ländliche Regionen sind häufig nicht durch „zu hohe Lasten“ geprägt, sondern durch „zu hohe Einspeisungen“.

Zuschalten von Verbrauchern und zeitvariable Netztarife

Eine Zuschaltung von Verbrauchern in Situationen mit einem lokalen Stromüberschuss kann daher für Netze ein weiteres, wichtiges Element werden; diese Zuschaltung muss ohne weitere Änderungen unter Anwendung des § 14a möglich sein. Die Idee hat eine überzeugende ökonomische Logik – trotzdem ist auch hier maßvoll vorzugehen: Haushaltskunden sollten dabei nicht durch sich stündlich ändernde Netzentgelte „verschreckt“ werden; zumal diese dann auch noch mit dem eigentlichen Strompreis zu kombinieren wären. Zeitvariable Tarife sind daher nur eine Ergänzung der jetzt zwingend benötigten dezentralen Steuerungsmöglichkeiten in verbrauchsstarken Niederspannungsnetzen durch den Netzbetreiber.

Sinnvoll erscheint es deshalb, zeitvariable Tarife und weitere Ansätze erst einmal in einem geschützten Rahmen zu erproben. Mit zunehmender Erfahrung, modernen Prognosemethoden und Lösungen, die Marktversagen bei geringen Teilnehmerzahlen verhindern, sollten aus unserer Sicht diese innovativen Netzentgeltmodelle aber möglich sein.

Einfacher und sofort umsetzbarer Ansatz

Wichtig für die Akzeptanz einer verpflichtenden Teilnahme der flexiblen Kunden am künftigen „14a“ ist aber im ersten Schritt ein einfacher und in der Praxis einheitlich umsetzbarer Ansatz. Bei Kunden bis zu einem jährlichen Stromverbrauch von 10.000 Kilowattstunden wird der Verbrauch über den bereits installierten Zähler erfasst und auf Basis einer einfachen und transparenten Tarifstruktur mit einem festen Grundpreis und mit verbrauchsabhängigen Kilowattstunden abgerechnet. Zusätzlich installiert werden müsste nur eine Steuerung, mit der ein Großteil der Kunden direkt und einfach von günstigeren Netzentgelten als Gegenleistung für die Verschiebung ihres Verbrauchs weg von den Spitzenzeiten profitieren kann.

Kunden mit einem Verbrauch über 10.000 Kilowattstunden sollten in die gesetzlich vorgeschriebene, viertelstündige Messung und Abrechnung überführt werden, wie sie heute bereits bei großen Industriekunden möglich ist. Der aktuell diskutierte Vorschlag ist eine zielgerichtete Modernisierung des Netzentgeltsystems, um den Herausforderungen einer dezentralen Energiewende Rechnung zu tragen. Gleichzeitig lassen sich auf dieser Basis attraktive Netzentgeltmodelle und ein intelligentes Lade- und Lastmanagement auf der Verbraucherseite realisieren. Für eine hohe Akzeptanz beim Kunden und für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität ist die zeitnahe Umsetzung des Vorschlags ein richtiger und wichtiger Schritt.

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