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Energie & Klima

Standpunkte Netzregulierung nicht zu Lasten der Energiewende reformieren

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer, Verband kommunaler Unternehmen (VKU)
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer, Verband kommunaler Unternehmen (VKU) Foto: VKU

Die Pläne der Bundesnetzagentur zur Reform des Regulierungsrahmens für die Netzentgelte könnten bei den Betreibern aus Sicht des Verbandes kommunaler Unternehmen zu erheblichen Mindereinnahmen führen, wie Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing schreibt. Er warnt vor negativen Folgen für die Energiewende, wenn Investitionsmittel für den Ausbau der Stromnetze fehlen.

von Ingbert Liebing

veröffentlicht am 03.03.2025

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Mit dem NEST-Prozess hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) eine Reform der Netzregulierung in Deutschland eingeleitet. Im Mittelpunkt der Diskussionen steht der Regulierungsrahmen der Entgelte für das Stromverteilnetz. Mit Blick auf die allgemeine Zielrichtung besteht zwischen dem Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) und der Bundesnetzagentur (BNetzA) Einigkeit.

Doch wie so häufig steckt auch hier der Teufel im Detail. Mit großer Sorge sehen wir einige von der BNetzA vorgeschlagenen Anpassungen, weil sie Verteilnetzbetreiber im Vergleich zum Status Quo massiv benachteiligen würden. Die BNetzA-Pläne würden bei ihnen zu erheblichen Mindereinnahmen führen - mit negativen Folgen für die Energiewende, weil Investitionsmittel für den Ausbau der Stromnetze fehlen würden.

Der VKU fordert deshalb Rahmenbedingungen, die für Investitionen attraktiv sind. Um Bürokratie zu vermeiden, lehnen wir die Verkürzung der Regulierungsperioden ab. Außerdem schlagen wir vor, dass der Grundpreis künftig stärker ins Gewicht fällt.

Mit dem NEST-Prozess sollen die Netze kosteneffizient betrieben, für die Integration erneuerbarer Energien und die Digitalisierung fit gemacht werden. Ziel ist es, die bestehenden Regelungen zu vereinfachen und an die Anforderungen der Energiewende anzupassen.

Investititionen in Milliardenhöhe

In diesem Zusammenhang muss das Stromnetz in den kommenden Jahren massiv ausgebaut werden, denn fast alle Wind- und Solaranlagen speisen ihren Strom in das Verteilnetz ein. Dazu kommen neue Stromverbraucher wie Wärmepumpen, Elektroautos und Rechenzentren. Dafür müssen die Betreiber Investitionen in Milliardenhöhe aufbringen. Ohne attraktive Verzinsung werden sie das Geld für den Aus- und Umbau nicht aufbringen können. Dabei kommt es auf die Höhe der Rendite an. In Deutschland legt die Bundesnetzagentur in einem genau bestimmten Verfahren festlegt, wie hoch die Rendite der Netzbetreiber sein darf.

Der NEST-Prozess ist zwar transparent und konstruktiv, wir warnen aber vor den von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen Anpassungen für den neuen Regulierungsrahmen. Die Regelungen hätten erhebliche negative Auswirkungen auf die Verteilnetzbetreiber. Das widerspricht einem zentralen Vorhaben von NEST, die Verteilnetzbetreiber für die Herausforderungen der Energiewende stärken soll.

Anpassung zu Lasten der Netzbetreiber

Auch nach Durchsicht des aktuellen RAMEN-Tenorentwurfs der BNetzA entsteht bei uns der Eindruck, dass Regelungen ausschließlich zu Lasten der Netzbetreiber angepasst werden sollen. Bisher unangetastet bleiben dagegen leider ökonomisch nicht begründbare Regelungen, die sich im bestehenden System negativ auf die Netzbetreiber auswirken – wie zum Beispiel der Zeitverzug beim Verbraucherpreisindex in der Erlösobergrenze. Auch die Rendite wird gegenüber dem Status Quo verschlechtert.

Neue Transparenzvorschriften müssen in einem ausgewogenen Aufwand-Nutzen-Verhältnis stehen. Bereits heute sind umfangreiche Daten der Netzbetreiber und deren Qualitätskennzahlen verfügbar, die umfassende Transparenz über die kaufmännischen und technischen Kennzahlen aller Netzbetreiber ermöglichen.

Grundpreis gegen Entsolidarisierung

Das aktuelle Entgeltsystem ist arbeitspreisbasiert: Wer mehr Strom aus dem Netz bezieht, zahlt mehr Netzentgelte. Wenn aber immer mehr Kundinnen und Kunden mit eigenen PV-Anlagen und Speichern weniger Strom aus dem Netz beziehen, müssen andere dafür mehr Netzentgelte bezahlen. Denn die Infrastrukturkosten bleiben gleich, unabhängig von der Menge Strom, die im Netz abgenommen wird. Die einen sind Profiteure dieser Entwicklung, aber andere zahlen drauf. Diese Form der Entsolidarisierung birgt auch sozialen Sprengstoff. Deshalb halten wir es für richtig, den Grundpreis in den Netzentgelten stärker zu gewichten.

Der Netzausbaubedarf kann deutlich reduziert werden, wenn wir das Verteilnetz besser auslasten. Das gelingt, wenn wir künftig zum Beispiel Windenergie- und Solaranlagen an Land in der Regel hinter dem Netzverknüpfungspunkt (NVP) kombinieren und mit Stromspeicheranlagen ausgestatten. Damit verlieren wir wenig Energie, lasten aber die bestehenden Infrastrukturen viel besser als bisher aus.

Regulierungsperiode beibehalten

Die Regulierungsperioden sind aktuell auf fünf Jahre festgelegt, in denen die zulässigen Erlöse der Netzbetreiber bestimmt werden. Dieses System hat sich bewährt. Die Bundesnetzagentur strebt eine Verkürzung der Regulierungsperioden auf drei Jahre an. Als zentrale Begründung wird angeführt, dass zum einen der Anreiz zur Kostensenkung bei einer dreijährigen Regulierungsperiode erhöht wird und zum anderen auch eine bessere Berücksichtigung der tatsächlichen Betriebskosten (OPEX) möglich ist.

Aber: Eine verkürzte Regulierungsperiode würde zu einer Kostenprüfung in der Dauerschleife führen. Das würde mehr statt weniger Aufwand bedeuten, mehr Personal erfordern – in Unternehmen wie bei der Bundesnetzagentur. Unser Vorschlag: Bürokratie abbauen, indem sie erst gar nicht aufgebaut wird. Deshalb halten wir die fünfjährige Periode weiterhin für sinnvoll.

Digitalisierung auf gutem Weg

Die Digitalisierung der Verteilnetze betrifft unter anderem den Netzanschlussprozess oder die Netzanschlussprüfung durch den Verteilnetzbetreibern. Wir unterstützen den Plan der Bundesnetzagentur, durch pauschale Regelungen das Regulierungssystem zu vereinfachen. Standardisierung sollte jedoch kein Selbstzweck sein und keine (zusätzliche) Regulierung erforderlich machen. Die Vielfältigkeit der Stadtwerke ist ein besonderer Garant dafür, auf lokale und individuelle Kundenbelange flexibel zu reagieren.

Mit Unverständnis beobachten wir Diskussionen über Anzahl und Größe der Verteilnetzbetreiber. Wir müssen die lokale Kompetenz, das Vertrauen der Kunden und die Verankerung unsere Verteilnetzbetreiber vor Ort erhalten und gleichzeitig einen Rahmen schaffen, der die Zusammenarbeit von Verteilnetzbetreibern miteinander und Dritten so einfach wie möglich macht.

Kommunale Wärmeplanung

Bei der Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung sprechen wir uns für eine starke Rolle der Verteilnetzbetreiber aus. Wir teilen die Ansicht der Bundesnetzagentur, dass eine Qualitätsregulierung im Gasbereich angesichts der besonderen Situation der Gasnetze aktuell nicht sinnvoll ist. Nachsteuerungs- und Korrekturbedarf gibt es immer wieder, aktuell etwa beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) in Verbindung mit dem Wärmeplanungsgesetz (WPG), um eine echte Technologieoffenheit inklusive klimaneutraler Gasanwendungen zu sichern. Allerdings: Einmal gefasste Richtungsentscheidungen dürfen nicht immer wieder in Frage gestellt werden. Nur so können die notwendigen Maßnahmenumgesetzt und die Klimaziele erreicht werden.

Die Energiewende befindet sich an einem kritischen Punkt. Die Kosten für Umbau- und Anpassung unseres Energiesystems dürfen nicht aus dem Ruder laufen. Deshalb kommt es auf die Hebung von möglichen Effizienzpotenzialen an. Die Energieversorgung muss auch künftig sicher und bezahlbar sein. Sonst sind die gesellschaftliche Akzeptanz für die Energiewende und der Wirtschaftsstandort ernsthaft gefährdet.

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