Der Bau der Intel-Chipfabrik in Magdeburg wurde nicht durch zu hohe Strompreise gestoppt. Dennoch hat diese Entscheidung der Debatte um die Industrie-Strompreise in Deutschland eine neue, unerwartete Wendung gegeben. Der DIHK fordert beispielsweise, die durch die Entscheidung freiwerdenden Mittel zu nutzen, um kurzfristig die Industrie durch eine Senkung der Netzentgelte bei den Stromkosten zu entlasten.
Andere Stimmen, darunter auch Finanzminister Lindner, plädieren hingegen dafür, die Mittel für die Sanierung des Haushalts zu verwenden. Parallel zu der Frage nach kurzfristigen Entlastungen stehen aber auch beim langfristigen Strommarktdesign wichtige Entscheidungen an, die die Strompreise für die Industrie in Deutschland auf Jahre prägen werden.
Ein nachgebessertes Strompreispaket für die Industrie?
Dass die hohen Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und der deutschen Industrie belasten, haben zuletzt Mario Draghi und der BDI noch einmal deutlich hervorgehoben. Durch den Rückzug von Intel sind nun kurzfristig haushaltspolitische Mittel in Höhe von rund zehn Milliarden Euro frei geworden. Würde man diese Mittel nutzen, um – wie eigentlich für dieses Jahr schon geplant – doch wieder eine Querfinanzierung der Netzentgelte vorzusehen, wären dafür wohl tatsächlich Milliardensummen erforderlich.
Im Jahr 2024 beispielsweise waren ursprünglich dafür 5,5 Milliarden Euro geplant. Diese Querfinanzierung wurde gestrichen, was die Wirkung des letztjährigen Strompreispakets für die Industrie stark schwächte. Die Summe wäre zudem ausreichend, um die Idee eines „Brückenstrompreises“, wie sie vor einem Jahr vom BMWK gefordert wurde, umzusetzen. Dagegen sprechen allerdings gewichtige politische und europarechtliche Gründe.
Dreiklang für langfristig attraktive Industriestrompreise: CfD, PPA und Flexibilität aus einem Guss
Ungeachtet dessen, wie die aktuelle Diskussion um die kurzfristigen Entlastungen ausgeht – eine schnelle Entlastung der Industrie wäre geboten – stehen im Strommarkt wichtige Entscheidungen an, die das langfristige Strompreisniveau für die Industrie beeinflussen werden. Besonders bei den Themen PPA-Garantien, Umstieg auf CfD im Förderregime und Industrie-Flexibilität gilt es jetzt, abgestimmte und nachhaltige Entscheidungen „aus einem Guss“ zu treffen.
Der Wechsel zu Contracts for Difference (CfDs) bei der staatlichen Förderung des Erneuerbaren-Neubaus ist durch das europäische Strommarktdesign bereits beschlossen. Die genaue Ausgestaltung wurde letzte Woche auf der Sitzung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) diskutiert. Wenn richtig ausgestaltet, kann der Wechsel aus zwei Gründen positive Impulse für die stromverbrauchende Industrie setzen: Zum einen sinken damit die Kapitalkosten, der Erneuerbaren-Ausbau geht schneller voran und das wirkt sich dämpfend auf die Großhandelspreise aus. Zum anderen sieht das neue europäische Strommarktdesign vor, dass staatliche Einnahmen aus CfD-Verträgen grundsätzlich an die Stromverbraucher „weitergegeben“ werden können – darunter auch die Industrie.
Anfangs werden diese Beiträge zwar wahrscheinlich überschaubar sein, doch in der Übergangsphase sollten wir diesen Baustein als wichtigen Beitrag zur Dämpfung der Industriestrompreise nicht außer Acht lassen. Es handelt sich um ohnehin vorhandene staatliche Einnahmen, die nicht fachfremd ausgegeben werden sollten.
Parallel dazu sollten wir möglichst schnell eine Entscheidung über staatliche Garantien für sogenannte Power Purchase Agreements (PPA) treffen. Gerade für große, energieintensive Unternehmen, die ihre Produktion elektrifizieren und durch garantierten Grünstrombezug wirklich treibhausgasneutral gestalten wollen, sind PPAs attraktiv. Die breite Anwendung solcher Verträge könnte durch staatliche Garantien abgesichert werden.
Solche Garantien sind aus anderen Bereichen bekannt und würden den öffentlichen Haushalt nur gering belasten, da sie nur in den seltensten Fällen „gezogen“ werden müssten. Zwar deutete das BMWK in der letzten PKNS-Sitzung an, sich hier bewegen zu wollen, doch bislang gibt es von der Bundesregierung offiziell keine klaren Vorschläge in diese Richtung.
Und schließlich: In der Zukunft wird das Thema „Flexibilität“ ein weiterer wichtiger Baustein sein, um für Haushalte und Industrie günstige Strompreise zu ermöglichen. Flexibilität senkt die Kosten auf Systemebene und reduziert die Stromkosten für einzelne wirtschaftliche Akteure. Eine Verlagerung der Nachfrage weg von den teuersten 20 Prozent der Stunden im Jahr 2030 könnte die Strombeschaffungskosten der Industrie um 20 Prozent senken.
Die von der Bundesnetzagentur angestoßene Konsultation zu den Industrie-Netzentgelten geht deswegen in die richtige Richtung, bei aller Kritik aus der Wirtschaft. Der Vorschlag eines breiten, reformierten „Mengenrabatts“ bietet einen guten Einstieg in Richtung mehr Flexibilität und bewahrt gleichzeitig die Entlastung der Industrie bei den Netzentgelten. Daneben sollte geprüft werden, welche Unterstützung Unternehmen brauchen, um in Flexibilität zu investieren – denn klar ist, dass das Heben entsprechender Potenziale zumindest zu Beginn auch mit Kosten verbunden ist.