Im Tagesspiegel Background Energie & Klima gab der Staatsekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, jüngst ein Interview. Auf die Frage „Die Unionsfraktion sieht in einem sektorübergreifenden Emissionshandel den Königsweg, die europäischen Klimaziele zu erreichen. Ist es realistisch, ein solches Instrument vor 2030 einzuführen?“ antwortete er:
„Zum Glück ist das nicht realistisch, denn wirtschaftspolitisch wäre das ein dummer Weg. Ein sektorübergreifender Emissionshandel würde dazu führen, dass die Emissionsminderungslast im Wesentlichen bei der Industrie liegt, weil dort die geringsten Vermeidungskosten liegen. Die Industrie müsste also den Großteil der zusätzlichen Klimaschutzanforderungen erbringen. Das halte ich aus wirtschaftspolitischer Sicht für den falschen Weg.“
Seine Wortwahl ist ungewöhnlich und das intellektuelle Niveau seiner Aussagen zumindest wenig transparent, was ich von einem Spitzenbeamten nicht erwarten musste. Warum diese Beurteilung?
Zur Wortwahl: Kann man zu Vorschlägen aus dem parlamentarischen Raum sich als beamteter Vertreter der Exekutive noch hinsichtlich des Realismus durchaus äußern, indem man es begründet (was Flasbarth allerdings offenbar nicht für notwendig hält), so verbietet es sich für einen Beamten, erst Recht für einen beamteten Staatssekretär, ähnlich seinerzeit auch für mich als Präsidenten des Umweltbundesamtes, nicht aber für die Bundesministerin, Vorschläge öffentlich als „dumm“ abzukanzeln, zumal solche aus dem parlamentarischen Raum.
Das ist eine Frage des Respekts nicht nur vor den Mitmenschen, sondern für den Spitzenbeamten des Bundesumweltministeriums als Teil der Exekutive vor Äußerungen aus dem Bundestag. Deren Vorschläge als „dummen Weg“ abzukanzeln, nähert sich gefährlich einer grobschlächtig bis verunglimpfenden Wortwahl, die vor allem unter sogenannten Populisten verbreitet ist.
Zum intellektuellen Niveau der Aussagen von Flasbarth: Klar, ein sektorübergreifender Emissionshandel würde die tatsächlichen Verringerungen der Treibhausgasemissionen dort bewirken, wo die Kosten hierfür vergleichsweise niedrig sind (derzeit in der Industrie) – genau das ist der Sinn! Er ersparte der Gesellschaft, sei es der deutschen oder der EU, jedes Jahr Milliarden Euro Kosten, die der Ansatz sektorspezifischer Treibhausgasminderungsvorgaben bei deren Realisierung verursacht – und im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich pro Jahr in Gestalt des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes erfordert – aufwachsend in den letzten beiden Dezennien.
Hinweis auf Belastung für Industrie nicht ausreichend
Der Staatssekretär verkennt – immerhin als studierter Volkswirt –, dass sektorbezogene Emissionsminderungsziele, die dort auch zu vollziehen sind, die Gesellschaft mehr kosten als Emissionsminderungen, die ganze Volkswirtschaften insgesamt – steigend von den Mitgliedstaaten der EU bis zu gesamten EU – leisten, und zwar unabhängig vom Ort, wo diese geschehen. Flasbarth lässt nicht erkennen, dass er sich über diese, vom „sektorspezifischen Ansatz“ verursachten Wohlstandsdefizite (immer bei vorgegebenen Emissionsminderungsziel für Treibhausgase für die gesamte Volkswirtschaft) irgendwelche Gedanken macht, obwohl hiervon die Kaufkraft der Bevölkerung allgemein beeinträchtigt wird. Stattdessen reicht ihm der Hinweis, dass die Industrie im sektorübergreifenden Emissionshandel einen Großteil der Emissionsminderungen erbringen müsste. Natürlich: Hier kann man sich als Bewahrer konkreter industrieller Arbeitsplätze profilieren. Nur ändert das nichts daran, dass sich die viel größeren Wohlstandslasten auf mehr Köpfe – nämlich die gesamte Gesellschaft – verteilen.
Kurz: Flasbarths Einlassungen sind weder formal noch substantiell
berechtigt.