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Energie & Klima

Standpunkte Der freiwillige Emissionshandel braucht einen Neustart

Adrian Wons, Senken GmbH
Adrian Wons, Senken GmbH Foto: Senken

Der freiwillige Emissionshandel steht mal wieder in der Kritik – Intransparenz, unwirksame Klimaprojekte, fehlende Digitalisierung. Die Folge ist Greenwashing, konstatiert Adrian Wons vom Klima-Startup Senken. Er sieht dennoch Chancen für den Markt und macht Vorschläge, was sich ändern sollte.

von Adrian Wons

veröffentlicht am 14.12.2023

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Der freiwillige Emissionshandel ist wichtig im Kampf gegen den Klimawandel. Doch es muss jetzt in den Markt investiert werden, damit die Dekarbonisierungsprojekte (die Jahre brauchen, um CO2 wirksam zu entziehen) in Zukunft funktionieren. Ein großes Problem ist die Intransparenz des Handels, die zu mangelndem Vertrauen in das Instrument und den Markt führt und damit die notwendigen Investitionen in Projekte verhindert.

Einige Lösungsansätze gibt es heute bereits: Digitale Marktplätze für die Zugänglichkeit, Blockchain für die Transparenz, handelbare Zertifikate für Investitionsanreize, globale Märkte, die miteinander im Austausch stehen und die gleichen Grundlagen teilen. Aber reicht das?

Weltweit haben Unternehmen in den letzten Jahren Net-Zero Pledges angekündigt. Passiert ist wenig. Es muss ein funktionierender Klimamarkt geschaffen werden, auf dem Unternehmen und Investoren sicher und verlässlich handeln können. Dazu müssen Anreize geschaffen werden. Die naive Annahme, dass Unternehmen Milliarden Dollar in Klimaprojekte investieren, nur um der Umwelt etwas „Gutes“ zu tun, ist schlicht unrealistisch. Daher muss eine Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Kapitalrendite hergestellt werden. Nur so können die (notwendigen) 100 Billionen Dollar an Investitionen für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft durch Eigeninitiative der Verantwortlichen in den Markt gebracht werden.

Der erfolgreiche ETS als Vorbild

Aus diesem Grund ist die Politik gezwungen, das Thema „freiwilliger CO2-Markt“ stärker aufzugreifen und Regelungen zu schaffen. Ein erster Schritt ist die CSDR (Central Securities Depository Regulation) der EU. Damit wird sichtbar, wer wann wo wie viel CO2 ausstößt. Nach diesen Erkenntnissen muss dann wissenschaftlich fundiert und gerecht verteilt und gehandelt werden. Der größte politische Hebel ist der Pariser Markt gemäß dem Pariser Klimaabkommen.

Artikel 6 soll den Handel mit Emissionsgutschriften zwischen Ländern regeln. Derzeit ist noch unklar, wie die Regelungen genau aussehen können. Aber je näher COP28 rückt, desto klarer wird, dass Artikel 6 den freiwilligen Zertifikatemarkt (VCM) verändern kann und wird. Um mehr Druck auszuüben, muss der VCM mit Compliance-Märkten verknüpft werden. In diesen Rechtsrahmen können Unternehmen dazu gezwungen werden zu dekarbonisieren und Mehrausstoß zu kompensieren.

Nur wenn Unternehmen zum Handeln gedrängt werden, werden sie dies auch tun. Dies kann durch Marktregulierung und politische Vorgaben gesteuert werden. Denn „gutes“, sprich klimafreundliches Verhalten, muss belohnt werden – Kalifornien setzt das in einem lokalen Markt bereits um. Der EU-ETS ist politisch gesehen hier ein etabliertes Erfolgsmodell. Nur Regulierung kann einen sicheren und erfolgreichen Markt schaffen. Dazu braucht es politische Unterstützung mit klarer Haltung.

Was in den letzten Jahren verschlafen wurde

Der VCM wurde vor 20 Jahren als Instrument der Entwicklungshilfe ins Leben gerufen und konzentriert sich auf den globalen Süden. Von dort kommen nach wie vor zirka 90 Prozent aller Projekte, die Nachfrage kommt jedoch zu 90 Prozent aus dem globalen Norden. In den letzten Jahren ist das Interesse am VCM stark gestiegen. Der Markt im Süden stagniert, weil er die immense Nachfrage aus dem Norden nicht befriedigen kann. Denn dafür ist er nicht entwickelt worden.

Das wollen viele Marktakteure nun ändern. Die bisher verschlafene Digitalisierung muss nachgeholt werden. Nur sie kann Transparenz und Überprüfbarkeit bringen, um qualitativ hochwertige und wissenschaftlich fundierte Projekte mit Integrität zu entwickeln. Das größte Problem des Marktes ist, dass die entscheidenden Player (insbesondere Verra und Gold Standard) die technischen Entwicklungen nicht umgesetzt haben und aufgrund ihrer dominanten Rolle im Markt die Transformation und Adaption neuer Lösungen verhindern.

Der EU-ETS zeigt bereits auf, wie man marktseitig Dekarbonisierung regeln kann. Der VCM braucht erweiterte gesetzliche Regelungen, die ein „for-profit“-Modell ermöglichen, damit das Instrument genutzt wird. Hier ist zumindest der Grundstein mit dem EU Action Plan: Financing Sustainable Growth gelegt.

Die Marktteilnehmer (Projektentwickler, Register, Institutionen wie Weltbank oder UNFCCC etc.) haben verstanden, dass nur ein digitaler Markt die Transparenzanforderungen erfüllen kann. Jetzt ist die Zeit für Verhandlungen zwischen den verschiedenen Akteuren gekommen. Denjenigen, die Innovation vorantreiben wollen (Projektentwickler, DMRV, Remote Sensing Unternehmen und Marktgestalter) und denjenigen, die den Markt bisher gestaltet haben. Sie müssen ihre Position nutzen, um die dringend notwendigen Veränderungen zu beschleunigen. Hier können sich auch politische Player wie die EU mehr einbringen.

Die Regulierung durch politische Institutionen ist wichtig, um klare Richtlinien zu schaffen, zum Beispiel für Carbon Leakage. Zu nennen ist die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), durch die aufgezeigt werden kann, welche Unternehmen klimapositiv oder schädlich handeln. Es muss klargemacht werden, wie Unternehmen Carbon Credits für ihre Nachhaltigkeitsstrategie nutzen können. Innerhalb und außerhalb ihrer Wertschöpfungsketten. Dazu muss die Politik jedoch Rahmenbedingungen schaffen. Um beispielsweise herauszufinden, ob ein CO2-Projekt qualitativ hochwertig ist, braucht es vorgeschriebene Richtlinien und Prinzipien. 

Update dringend erforderlich

Um Klimawirksamkeit zu erzielen, müssen sich qualitativ hochwertige Projekte etablieren. Dies erfordert mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Bessere Standards und regulatorische Absicherungen. Um Greenwashing und das „Einkleiden“ von Unternehmen mit schlechten Projekten zu verhindern, braucht es einen Wechsel von Kompensations- zu Unterstützungsansprüchen. Weg vom Ablasshandel, hin zur freiwilligen Unterstützung von Projekten, die zum Beispiel zum nationalen Klimaneutralitätsziel beitragen.

Die Politik kann dabei unterstützen, einen Rahmen zu schaffen, in dem Investoren (Banken, Unternehmen et cetera) sicher in nachhaltige Projekte investieren können. Hier ist mehr Flexibilität und Kommunikation mit Vertretern des VCM gefragt. Ganz konkret kann die Politik helfen, zum Beispiel den etwa zwei Millionen Waldbesitzern eine neue Einkommensmöglichkeit zu schaffen. Etwa durch den Verkauf von Gutschriften für die Speicherung von CO2 durch Aufforstung. Hier könnte beispielsweise die Bundesregierung selbst mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Emissionen durch Gutschriften aus dem eigenen Land kompensieren.

Der VCM ist nach wie vor das wirksamste Instrument für Unternehmen, ihre Emissionen zu reduzieren, staatliche und behördliche Auflagen zu erfüllen und einen Beitrag zu Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung zu leisten. Aber er bedarf dringend eines regulatorischen Updates und einer Weiterentwicklung durch die Anbieter. 

Adrian Wons ist Gründer des Berliner Klima-Fintech Senken GmbH. Das Start-up ist nach eigenen Angaben der größte digitale Handelsplatz für CO2-Zertifikate im freiwilligen Emissionshandel.

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