In einem kürzlich hier erschienenen Standpunkt plädieren Juliane Willert und Baro Vicenta Ra Gabbert für die Einführung eines nationalen CO2-Restbudgets als Leitinstrument der deutschen Klimapolitik. Die Autorinnen argumentieren, dass ein solches Budget die Grundlage für verlässlichen und transparenten Klimaschutz bilden würde. Auf globaler Ebene ist diesem Ansatz durchaus einiges abzugewinnen. Um die Klimaziele sicher einzuhalten, erscheint die Budgetierung der verbliebenen CO2-Emissionen zunächst als kluge Idee.
Es wäre ein wissenschaftsgeleiteter Ansatz, der klare Vorgaben liefert und vergleichsweise simpel zu überprüfen bliebe. Basierend auf einem gemeinsam erarbeiteten Schlüssel, müsste dieses CO2-Restbudget fair auf alle Staaten verteilt werden. An diese Emissionsverteilung ließe sich dann auch nahtlos ein globaler Emissionshandel knüpfen. Dieser sorgt dafür, dass die Emissionen dort eingespart werden, wo es weltweit am günstigsten ist.
Tatsächlich stand ein globales CO2-Restbudget im Vorfeld der Weltklimakonferenz 2015 in Paris zur Debatte, wurde letztlich aber verworfen. Stattdessen einigte man sich bekanntlich auf das freiwillige System der Nationally Determined Contributions. Nur so gelang es, große Emittenten wie China sowie die USA einzubeziehen und Entwicklungsländer zu Klimazusagen zu bewegen. Innerhalb der EU haben wir beschlossen, diese Ziele kollektiv zu erreichen. Damit nutzen wir die Vorteile des gemeinsamen Wirtschaftsraums und verbinden diesen konsequenterweise mit einer gemeinsamen Klimapolitik. Mit einem nationalen CO2-Budget würde sich Deutschland also im Alleingang über internationale und europäische Klimapolitik hinwegsetzen – ohne signifikanten Effekt auf das globale Klima.
Ein deutsches Temperaturziel in Eigenregie ist abwegig
Die Abwegigkeit dieses Ansatzes offenbart sich schon darin, dass Deutschland in Eigenregie ein Temperaturziel festlegen müsste, um das CO2-Restbudget zu berechnen. Denn das Pariser Abkommen lässt hier einen recht großen Spielraum zwischen „deutlich unter zwei Grad“ und „möglichst auf 1,5 Grad“, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Größe des verbleibenden CO2-Budgets hat.
Deutschland müsste auch die Methode festlegen, nach der das globale Budget berechnet wird. Denn ein Blick in die IPCC-Berichte zeigt, dass es hier keine exakten Zahlen gibt, sondern lediglich Bandbreiten, innerhalb derer die unterschiedlichen Temperaturziele mit größerer oder kleinerer Wahrscheinlichkeit erreicht werden. Und dann müssten wir in Deutschland auch noch selbst bestimmen, welche Verteilung des Budgets wir als gerecht empfinden. Wenn nun aber jedes Land sich selbst einen gerechten Anteil von einem selbst definierten Gesamtbudget zuspricht, hat der Budget-Ansatz ganz offensichtlich jeden Sinn verloren, da die Kontrolle über die Einhaltung eines Gesamtbudgets unmöglich wäre.
Das enge Korsett eines nationalen Restbudgets, das nicht durch den Zukauf von Emissionsrechten aus anderen Ländern erweitert werden könnte, würde vor allem hohen wirtschaftlichen Schaden bei Deutschland und seinen Handelspartnern verursachen. Für das globale Klima wäre wenig gewonnen, denn viele Produkte werden in Deutschland schon heute klimaschonender hergestellt als anderswo. Unnötig hohe Energie- und Güterpreise sowie der Verlust von Arbeitsplätzen in der Industrie setzen die Akzeptanz für den Klimaschutz aufs Spiel. Zielführender wäre es, wenn Deutschland einen Weg aufzeigt, wie man mit einer starken Wirtschaft, Wohlstand und hoher Lebensqualität klimaneutral wird.
Der Emissionshandel sichert Generationengerechtigkeit
Es muss uns gelingen ein fixes, aber realistisches Emissionsziel auch wirklich kostengünstig zu erreichen, und zwar global. Klimaneutralität bis 2050 – in Deutschland streben wir sogar 2045 an! – ist für viele Länder ambitioniert, aber mit optimalen Marktanreizen erreichbar. Wie das gelingen kann, zeigt der EU-Emissionshandel. Hierbei wird die Menge der verfügbaren Emissionsrechte kontinuierlich reduziert, um sicherzustellen, dass das Klimaneutralitätsziel pünktlich erreicht wird. Der Handel mit Emissionsrechten stellt sicher, dass jeweils dort zuerst Emissionen vermieden werden, wo die geringsten Kosten entstehen.
Dieses Erfolgsmodell muss global Nachahmer finden. Wir sollten einerseits für den Zusammenschluss bereits bestehender Emissionshandelssysteme werben, andererseits auch weitere Staaten dazu bewegen sich diesen anzuschließen. Je größer der Markt für Emissionsrechte und je mehr Emittenten daran teilnehmen, umso umfangreicher ist das Spektrum von kostengünstigen Vermeidungslösungen. Je mehr Staaten sich an dem System beteiligen, umso billiger wird der globale Klimaschutz. Das macht Klimaschutzkooperation auch für Länder attraktiver, in denen bislang die kurzsichtige Auffassung herrscht, dass sich ehrgeiziger Klimaschutz wegen geringfügiger lokaler Klimaschäden nicht lohnt.
Eine Klimapolitik, die auf einem einheitlichen Emissionshandel fußt, dient auch der „intertemporalen Gerechtigkeit“ gemäß dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Mit dem Gebot, dass die Auswirkungen auf die künftige Freiheit aus heutiger Sicht verhältnismäßig sein müssen, verpflichtet das Bundesverfassungsgericht im Grunde jede Regierung zur Umsetzung liberaler Klimapolitik: Der Staat gibt lediglich das strenge Ziel vor, im Jahr 2045 klimaneutral zu agieren; ein Plan bis 2030 reicht dafür nicht aus.
Wir müssen ohne ein neues Abkommen erfolgreich sein
Weil aber der beste Weg zu diesem Ziel heute noch nicht bekannt ist, muss er durch Anreize, Angebot und Nachfrage gefunden werden – kurz: Die erfolgreichste Klimaschützerin ist die soziale Marktwirtschaft. Denn sie ermöglicht schon jetzt den größten Klimaschutz mit dem kleinsten Eingriff in die Handlungsfreiheit der Menschen, und zwar in Gestalt des EU-Emissionshandels. Ein milderes Mittel für die Erreichung des Zwecks der Klimapolitik gibt es nicht. Willert und Gabbert scheinen diese feine Balance zu übersehen, wenn sie für ein nationales CO2-Budget plädieren.
Grundlage unserer Klimapolitik muss daher das Vertragswerk
von Paris sein, dessen Möglichkeiten zur internationalen Kooperation wir
Europäer künftig nutzen müssen, um weltweit noch mehr Klimaschutz zu erreichen.
Die Festlegung eines globalen CO2-Restbudgets hätte eine sinnvolle Maßnahme für
die Klimapolitik sein können – heute erscheint die dafür notwendige
vollständige Überarbeitung des Pariser Abkommens hingegen absolut unrealistisch.
„Paris“ ist nicht perfekt, aber es ist die solideste Grundlage für globalen
Klimaschutz, die wir haben und absehbar haben werden. Machen wir das Beste
draus. Denn für utopische Phantastereien fehlt uns beim Klimaschutz schon
lange die Zeit.