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Energie & Klima

Standpunkte Wir brauchen keine Subventionen

Giles Dickson, Geschäftsführer des Verbandes WindEurope
Giles Dickson, Geschäftsführer des Verbandes WindEurope Foto: promo

Die Offshore Energy Strategy der EU-Kommission ist eine vielversprechende Investitionsoffensive, schreibt Giles Dickson, Geschäftsführer des Verbandes WindEurope, in seinem Standpunkt. Gerade für den Technologieführer Deutschland biete sie große Chancen. Sofern die Bundesregierung einen regulatorischen Rahmen schafft, der zu denen der Nachbarn passt.

von Giles Dickson

veröffentlicht am 12.11.2020

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Die EU stellt in der kommenden Woche ihre Offshore Energy Strategy (OES) vor. Darin enthalten ist erstmals ein konkretes Ausbauziel für die Offshore-Windkapazitäten der EU-Länder. Es dürfte sich auf 300 Gigawatt im Jahr 2050 belaufen und Offshore-Wind so zum Kern des europäischen Energiesystems machen. Heute stehen die EU27-Staaten bei zwölf Gigawatt.

Es ist richtig und sinnvoll, als Reaktion auf den COVID19-bedingten Wirtschaftsrückgang mit einer Investitionsoffensive in grüne Zukunftstechnologien zu reagieren. Windenergie ist günstig und skalierbar. Offshore-Wind schafft Beschäftigung und Wohlstand in Europa und sichert gleichzeitig unsere natürlichen Lebensgrundlagen. 

Die Politik setzt also viel Vertrauen in unsere Branche. Um die Offshore-Windkapazität der EU um den Faktor 25 zu erhöhen, brauchen wir eine koordinierte europäische Gemeinschaftsleistung. Dafür ist in einigen Bereichen Umdenken erforderlich

Mit „herkömmlichen“ Offshore-Windparks allein sind die Ziele nicht zu erreichen 

EU-Staaten müssen grenzüberschreitend denken und ihre nationalen Regelungen aufeinander anpassen. Die Innovationen in der Branche sind beachtlich. Mit Kriegers Flak in der Ostsee ist der erste grenzüberschreitende Offshore-Windpark ans Netz gegangen. Er liefert Strom sowohl nach Deutschland als auch nach Dänemark. In der Nordsee entstehen Pläne für künstliche Inseln, um Offshore-Netzinfrastrukturen effizierter zu nutzen und erneuerbaren Wasserstoff auf See zu erzeugen. 

Diese „hybriden Offshore-Windparks mit Netzverbindungen in mehrere Staaten sparen Geld und Raum und verbessern die Energieflüsse in Europa. In vielerlei Hinsicht fehlt dafür aber der regulatorische Rahmen. Die OES muss erklären, wie Stromflüsse über Interkonnektoren zukünftig ablaufen und was im Falle von Abregelungen passiert. Entwickler und Investoren brauchen Klarheit über ihre Einnahmeperspektiven bei grenzüberschreitenden Projekten.  

„Ich, ich, ich“ gibt’s nicht mehr

Maritime Nutzungsinteressen müssen in einer ganzheitlichen maritimen Raumplanung miteinander in Einklang gebracht werden. Weitere Windvorranggebiete auf See sind nötig, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Dabei dürfen Klimaschutz und Naturschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden. In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass WindEurope noch vor der Präsentation der OES mit führenden Naturschutzverbänden ein Memorandum of Understanding zum naturverträglichen Ausbau der Windenergie vorlegen wird. Die OES enthält hierfür weitere gute Anknüpfungspunkte.

Zusätzliches Investitionsrisiko gefährdet die Zielerreichung

Investoren haben trotz COVID-19 im ersten Halbjahr hohes Interesse an der Offshore-Windenergie gezeigt. Es ist genug Kapital vorhanden, um die bis 2050 nötigen Investitionen zu tätigen. Doch schon kleine zusätzliche Investitionsrisiken führen zu einem großen Anstieg der Finanzierungskosten und machen Offshore-Wind unnötig teuer. Mit ihren Gedankenspielen zur zweiten Gebotskomponente und Negativgeboten hat die Bundesregierung Vertrauen verspielt.

Offshore-Wind braucht Planbarkeit. Investoren werden dort investieren, wo sie die verlässlichsten Rahmenbedingungen vorfinden. Wir brauchen keine Subventionen! Was wir brauchen, ist Einkommensstabilisierung. Die Planbarkeit gefällt Banken und Investoren. Sie leihen Kapital dann zu wesentlich niedrigeren Zinssätzen und die Gesamtkosten der Windparks sind viel niedriger für die Gesellschaft. Die effektivste Form dafür sind Contracts-for-Difference. Der Staat zahlt dabei nicht nur aus, sondern erhält auch Geld zurück. So bleibt Windenergie für den Staat günstig. Außerdem bleibt Deutschland anschlussfähig an seine Nachbarländer, die ebenfalls auf Contracts-for-Difference setzen.   

Es passiert nicht alles „draußen auf See“

Die Bundesregierung darf nicht vergessen: Offshore-Wind funktioniert nur mit Investitionen in die Infrastruktur an Land. Beim Netzausbau zwischen Norden und Süden muss Deutschland schneller werden. Außerdem müssen die Übertragungsnetze im Norden Deutschlands auf den Anstieg der Offshore-Windenergie vorbereitet werden. Nicht zuletzt braucht es strukturelle Investitionen in die Hafeninfrastruktur. Schauen Sie sich die Ziele noch einmal an! Häfen werden zu den zentralen Umschlagplätzen für Offshore-Wind.

Fertigung, Installation, Transport, Wartung und Betrieb von Offshore-Windparks werden Arbeitsplätze in Hafenstädten und Küstenregionen schaffen. Es braucht mehr Lagerkapazitäten, ausreichend Schiffe und modernste Logistikkonzepte. Die EU stellt derzeit das größte Wirtschaftsförderungsprogramm ihrer Geschichte zusammen. In Netzen und Hafeninfrastruktur wären diese Gelder langfristig gut angelegt. Das sollte die deutsche Regierung berücksichtigen, wenn sie ihren Recovery and Resilience Plan zusammenstellt. 

Durch die OES bieten sich für Deutschland große Chancen. Deutschland ist Technologieführer für Offshore-Wind. Durch weitere Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Skalierung von bestehenden Technologien wie vermaschten Offshore-Netzen, schwimmenden Windturbinen und erneuerbarem Wasserstoff, die allesamt eine wichtige Rolle in der OES der Europäischen Union spielen, wird Deutschland diese Führungsrolle weiter ausbauen können.   

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