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Sustainable Finance

Standpunkte Die Verbriefung muss raus aus der Schmuddelkiste

Andreas Dartsch, Mitglied des Vorstands der Sparkasse Köln Bonn
Andreas Dartsch, Mitglied des Vorstands der Sparkasse Köln Bonn Foto: Sparkasse KoelnBonn

Der Finanzierungsbedarf für die Transformation ist gewaltig. Um die Refinanzierungsbasis auf breiter Front sicherzustellen, könnte die Verbriefung von Forderungen ein wichtiges Instrument sein, meint Andreas Dartsch, Mitglied des Vorstands der Sparkasse Köln Bonn. Er fordert, dass sich der Finanzsektor und die Aufsichtsbehörden gemeinsam Gedanken über ein angepasstes Regelwerk machen.

von Andreas Dartsch

veröffentlicht am 16.03.2023

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Allein damit Deutschland bis 2045 klimaneutral wird, braucht es nach Schätzungen Investitionen in Höhe von sechs Billionen Euro. Etwa 240 Milliarden Euro brauchen wir also jährlich, um die Komponente „E“ der ESG-Kriterien, die für Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (Environmental, Social, Governance) stehen, anzusprechen. Ohne Frage fällt hier den Sparkassen im Rahmen ihres öffentlichen Auftrages, aber auch allen anderen Kreditinstituten, eine besondere Rolle bei der Begleitung ihrer Kunden zu. Die Herausforderungen, mit denen sich die Kreditwirtschaft in diesem Prozess konfrontiert sieht, sind dabei vielfältig.

Anspruch an das Eigenkapital

Das extreme Finanzierungsvolumen des Transformationsprozesses, welches sich in den Bilanzen der Sparkassen und Banken in risikogewichtete Aktiva übersetzt, wird Druck auf die Eigenkapitalanforderungen der Häuser ausüben. Die viel beschriebene Finalisierung von Basel III zur Regulierung der Banken ab 2025 wird diese Herausforderung weiter verschärfen. Themen wie der Output-Floor oder erhöhte Risikogewichte bei Projektfinanzierungen werden den Anspruch an das Eigenkapital weiter erhöhen. Zudem ist davon auszugehen, dass nicht nur die klassische Fremdkapitalfinanzierung erforderlich ist, um die unternehmerische Transformation zu begleiten. Eigenkapital, beziehungsweise eigenkapitalähnliche Finanzierungsinstrumente, werden nötig sein, die ihrerseits nochmals erhöhten Eigenkapitalanforderungen unterliegen.

ESG-Regulierung

Außerdem treibt die kaum noch zu überblickende, tsunamiähnliche Welle an Regulierung zum Thema ESG, die über Unternehmen, aber auch über den Sparkassen- und Bankensektor hinwegrollt, immer wieder neue Stilblüten. Eine richtige Lehre aus der Finanzkrise von 2008 war, das Aufsichtsrecht zu schärfen. Wer aber gehofft hat, dass auch Lehren mit Blick auf Menge und Komplexität der Anforderungen seitens der europäischen und nationalen Behörden gezogen wurden, ist enttäuscht.

Eine solche Regelung ist exemplarisch die Berechnung der sogenannten Green Asset Ration (GAR). Ab Anfang 2024 sollen Sparkassen und Banken innerhalb der Europäischen Union nachweisen, welcher Anteil am Geschäft der Häuser ökologischen Nachhaltigkeitskriterien genügt, um so einen Vergleich über alle Kreditinstitute zu ermöglichen. Nur wird bei der Berechnung dieser Kennzahl außer Acht gelassen, dass eine Transformationsfinanzierung eben im braunen Sektor beginnt – und erst daraus ein ESG-konformes Geschäftsmodell entstehen kann.

Sparkassen und Banken müssen also Wege finden, wie sie die regulatorischen – dem Grunde nach notwendigen – aber in der Umsetzung erneut weit überbordende Anforderungen aussteuern, um ihren Beitrag bei der Transformation zu leisten. Dies gilt sowohl für die Steuerung der Eigenkapitalquoten, als auch für Kennzahlen, wie die GAR. Zudem können sie den schieren Umfang an Finanzierungs- und Investitionsbedarf nur dann bedienen, wenn sich Wege finden lassen, die notwendigen Investitionsmittel am Kapitalmarkt breit einzuwerben und sowohl institutionelle als auch private Investoren hier mit eingebunden werden.

Verbriefungen rehabilitieren

Die gute Nachricht ist, dass dazu das Rad nicht neu erfunden werden muss. Vielmehr ist es notwendig, das bekannte Instrument der Verbriefung aus der Schmuddelecke zu holen, in das es nach der Finanzkrise 2008 gerutscht ist. Denn nicht der Handel mit Forderungen, die in Wertpapiere umgewandelt werden, hat die Krise begründet, sondern Akteure, die damit missbräuchlich umgegangen sind. Die Verbriefung ist ein erprobtes und für die Portfoliosteuerung sinnvolles Instrument. Sie hilft Banken unter anderem zur Refinanzierung und um ihre Kreditrisiken zu steuern. Da spielt es auch keine Rolle, ob es sich um eine synthetische Verbriefung zur bloßen Absicherung der Kreditrisiken handelt, oder um eine True-Sale-Verbriefung.

Letztere zeichnet sich dadurch aus, dass die Aktiva tatsächlich aus der Bilanz des Kreditinstituts genommen werden und neben der Reduktion der Risikoposition zusätzlich neue Liquidität generiert wird. Eine denkbare Spielmöglichkeit könnte bei einer True-Sale-Transkation zum Beispiel darin bestehen, dass die geschaffene Liquidität im Sinne der Nachhaltigkeit zweckgebunden neu einzusetzen ist.

Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass mit Unterstützung und unter Moderation der Bundesbank ein Dialog gestartet wurde, das Verbriefungsinstrumentarium zu revitalisieren. Es ist in einem hohen Maß sinnvoll, eine standardisierte Plattform zu konzipieren, die die erforderlichen Kriterien festlegt, damit alle Arten von Finanzierungen verbrieft werden können, unabhängig von ihrer Einstufung in der Taxonomie. Um das Vertrauen in eine solche Initiative zu stärken, wäre es wünschenswert, dass wichtige Teilnehmer am Geld- und Kapitalmarkt ihre Rolle einnehmen. Hierzu gehören sicherlich sowohl die Förderbanken – und an erster Stelle die KfW mit ihrem breiten Erfahrungsschatz – als auch vertrauenswürdige Investoren wie der European Investment Fund (EIF), die von Anfang an zur Stabilität und Solidität eines solchen Vorhabens beitragen.

Zusammenfassend lassen sich die wenigen Bitten, die für eine erfolgreiche Begleitung der Transformation erforderlich sind, einfach formulieren: Schnellstmögliche aufsichtliche Konsolidierung der ESG-Vorgaben, um die Regelungsflut einzufangen, die erfolgsgefährdend ist. Bereitschaft aller Stakeholder an den Geld- und Kapitalmärkten und der Aufsichtsgremien, das Instrument der Verbriefung nicht als verwerflich abzustempeln, sondern die vorurteilslose Auseinandersetzung mit dem Instrumentarium zuzulassen. Schließlich die aufsichtliche Bereitschaft, das Regelungswerk für Verbriefungen so auszulegen, dass eine konstruktive Begleitung und nicht eine Verhinderung stattfindet. Letztlich ist der Kraftakt der Klimaneutralität nur dann zu erreichen, wenn alle in dieselbe Richtung arbeiten.

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