Mitte Juni hat die EU-Kommission ein weiteres Sustainable-Finance-Paket veröffentlicht. Darin waren unter anderem Empfehlungen zu Transitionsfinanzierungen enthalten. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Um die eigenen Ziele der nachhaltigen Transition der Realwirtschaft nicht zu gefährden, müssen allerdings soziale Aspekte eine größere Rolle spielen und der Beitrag von Investoren geklärt werden.
Mehr Klarheit zur Transition ist begrüßenswert
Mit den Empfehlungen reagiert die Kommission auf Kritiker:innen. Oft warfen diese zentralen Maßnahmen der EU-Sustainable-Finance-Agenda vor, zu wenig auf die nachhaltige Transformation der Realwirtschaft zu achten. Nun schaffen die Empfehlungen mehr Klarheit darüber, wie die bestehenden Bausteine der EU-Sustainable-Finance-Regulierung für Transitionsfinanzierungen nutzbar sind. Denn die EU-Umwelttaxonomie ermöglicht nicht nur, wirtschaftliche Aktivitäten als ökologisch nachhaltig einzustufen.
Dank Schwellenwerten für ökologische Nachhaltigkeitsleistungen ist es auch möglich, anhand der Taxonomie klare Transitionsziele für konkrete wirtschaftliche Aktivität zu formulieren. Dabei sind zwei Arten von Schwellenwerten entscheidend:
- Werte, die einen wesentlichen Beitrag zu einem der ökologischen Nachhaltigkeitsziele der EU-Taxonomie festlegen (beispielsweise die zu unterschreitende Schwelle von 100g CO2e/kWh bei der Stromerzeugung mit fossilem Gas).
- Festlegungen, wann eine wirtschaftliche Aktivität einem der ökologischen Nachhaltigkeitsziele der EU-Taxonomie signifikant schadet (beispielsweise die Schwelle von 270g CO2e/kWh bei der Stromerzeugung mit fossilem Gas, deren Erreichen oder Überschreiten als signifikanter Schaden gilt).
Selbst wenn eine wirtschaftliche Aktivität diese Schwellenwerte noch nicht erreicht, können Investoren sie als Zielgrößen für eine ökologisch nachhaltige Transition verwenden. Wermutstropfen ist allerdings, dass so festgelegte Transformationspfade nur so glaubwürdig sind, wie die zugrundeliegenden Schwellenwerte. Das macht die Kritik daran deutlich, fossiles Gas überhaupt in die EU-Taxonomie einzubinden und dafür Schwellenwerte anzupassen.
Investorenwirkung weiter unklar
So hilfreich die Empfehlungen hinsichtlich realwirtschaftlicher Aktivitäten sind, so unklar bleiben sie bezüglich positiver Wirkungen von Investoren oder Finanzintermediären zur nachhaltigen Transition. Schon die EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) hat in der Definition nachhaltiger Investments (Art. 2.17) nicht deutlich zwischen einem positiven Beitrag von Unternehmen (Unternehmensimpact) und einem positiven Beitrag von Investoren (Investorenimpact) unterschieden.
Diese Differenzierung ist jedoch zentral für die Frage, welche positiven Veränderungen Finanzmarktakteure für Nachhaltigkeit erreichen. Der Grund ist simpel: Wenn man nicht versucht, die konkrete Leistung eines Investors zu erfassen, ist völlig unklar, ob die Transition eines Unternehmens überhaupt etwas mit dessen Investition und Handeln zu tun hat. Gleichzeitig wollen Geldgeber:innen aber vermehrt wissen, ob sie durch ihre Geldanlage etwas erreichen.
Dieser Geburtsfehler der SFDR wird auch in den aktuellen Empfehlungen nicht behoben. Denn sie verstehen Transitionsfinanzierung als Finanzierung von Investments, die mit einem Beitrag zum Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft kompatibel sind, ohne klar zu unterscheiden zwischen den Leistungen von Investoren und Unternehmen. Zwar schwingt der Beitrag von Investoren, wenn schon nicht in der Definition, so doch zumindest in den konkreten Vorschlägen mit, zum Beispiel wenn von deren Engagement mit Unternehmen die Rede ist. Es fehlt aber ein kohärentes Klassifizierungssystem für transitionsorientierte Finanzprodukte.
Reduktion der Transition auf Umweltaspekte greift zu kurz
Ebenfalls problematisch ist die Fokussierung der Empfehlungen auf Umweltaspekte. Denn der dort genutzte Begriff der Transition bezieht sich nur auf das Zielbild einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft. Soziale Aspekte werden ignoriert, obwohl die Kommission in ihrer Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft die „Unterstützung glaubwürdiger Sozialinvestitionen“ selbst thematisiert.
Darum hätte sie beispielsweise dieselbe Logik der Schwellenwerte auch für bedeutsame negative soziale Auswirkungen der Geschäftstätigkeit (Principal Adverse Impacts, PAIs) gemäß der SFDR vorschlagen können, zumindest bezüglich signifikanter Schäden. Aktuell müssen Marktteilnehmer für sozial nachhaltige Investments selbst Schwellenwerte definieren, wenn sie eine sogenannte „Do-no-significant-harm“-Prüfung (DNSH) umsetzen. Ein Verweis auf bestehende Standards hätte hilfreich sein und zumindest zu einer gewissen Standardisierung beitragen können. Denn diese Standards definieren Schwellenwerte für PAIs, etwa für die geschlechtsspezifische Lohnlücke (gender pay gap) oder übertriebene Vorstandsvergütungen (excessive CEO pay ratio).
Klare Impact-Klassifizierung nötig
Die Empfehlungen der EU-Kommission zu Transitionsfinanzierungen sind ein wichtiger, aber unvollständiger Schritt nach vorne. Deshalb sollten die EU-Regulierer die bevorstehende Überarbeitung der obersten Ebene der SFDR (Level 1) dazu nutzen, eine klare Klassifizierung für nachhaltige Finanzprodukte zu schaffen. Diese muss auf den Beitrag dieser Finanzprodukte zu einer nachhaltigen Transition basieren, im ökologischen und sozialen Sinne, und zwischen der Wirkung von Investoren und Unternehmen unterscheiden.
Das European Sustainable Investment Forum (Eurosif) hat eine solche Klassifizierung vorgeschlagen. Andernfalls ist zu befürchten, dass die am Markt herrschende Unklarheit trotz der Kommissionsempfehlungen weiterhin die Finanzierung einer nachhaltigen Transition gefährdet.