Seit Monaten wird auf EU-Ebene um die EU-Sorgfaltspflichten-Richtlinie (CSDDD) gerungen. Die Richtlinie – auch als EU-Lieferkettengesetz bezeichnet – kann bei guter Ausgestaltung zu einem entscheidenden Baustein der europäischen Transformationsagenda werden. Doch der Erfolg des Gesetzes steht aktuell auf Messers Schneide, denn es drohen nicht nur massive Lücken im Umweltschutz und die Wirkungslosigkeit der verbindlichen Klima-Transitionspläne. Nun werden auch Forderungen immer lauter, auf den letzten Metern eine Ausnahme für den Finanzsektor einzubauen. Damit wäre ein zentraler Transformationshebel außer Kraft gesetzt.
Die Einführung verbindlicher menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit Kreditvergabe und Investmenttätigkeiten schafft Transparenz und Rechtssicherheit. Sie setzt den Anreiz, Menschenrechtsprobleme und Umweltprobleme auch in der Wertschöpfungskette anzugehen. Ein einheitlicher Rahmen für die Transitionspläne mit klaren Meilensteinen und Zielen von Unternehmen legt die Grundlage, um die Tragödie des kurzfristigen Horizontes zu überwinden. Er könnte so auch die Risiken der Klimastrategien von Unternehmen glaubwürdig bewerten und so das Vertrauen seiner Kunden und weiterer Stakeholder in den Finanzsektor festigen.
Zentrale Rolle von Sorgfaltspflichten für Kredite und Investitionen
Umweltbezogene und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten bedeuten eine wichtige Ergänzung der bestehenden europäischen Sustainable-Finance-Regulierung. Sie komplettieren die Berichtspflichten der Offenlegungsverordnung (SFDR) und der Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) um die Verpflichtung zur Umsetzung konkreter Maßnahmen. Die regelmäßige Bewertung und Priorisierung negativer Auswirkungen durch die Geschäftspraktiken der investierten Unternehmen nach SFDR ist dafür eine gute Grundlage. Verbindliche 1,5-Grad-Celsius-kompatible Klimatransitionspläne, wie sie die Position des EU-Parlaments zur CSDDD vorsieht, bieten eine echte Chance, dass investierte Unternehmen daraufhin bewerten werden können, ob diese auf dem Weg sind, Risiken zu reduzieren, indem sie ihre Geschäftsmodelle weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien und energieeffizienter Produktion umstellen.
Des Weiteren berücksichtigt die in die Verhandlung eingebrachte Position des Europäischen Parlaments die Besonderheiten von institutionellen Investoren und Vermögensberatern – die Anforderungen sind angemessen. Eine Verneinung dieser Angemessenheit und Akzeptanz der eigenen Verpflichtung schafft nicht das Vertrauen, das in den kommenden kritischen Jahren zwischen Stakeholdern nötig ist. Risikobewertungen und Investitions- und Kreditvergabeentscheidungen nach rechtlichen und finanziellen Gesichtspunkten sind für Investoren alltägliche Praxis.
Finanzsektor wirksam, angemessen und effizient einbeziehen
Das EU-Parlament bezieht sich auf diese Prozesse. Es erkennt mit den vorgeschlagenen besonderen Sorgfaltspflichten für Investoren deren Einfluss- und Handlungsmöglichkeiten an und ergänzt sie um menschenrechtliche und umweltbezogene Kriterien. Dies gilt auch für Haftungsfragen. Die CSDDD schreibt Investoren in der Regel keine Verantwortung für möglicherweise schädliche Geschäftspraktiken der investierten Unternehmen für Mensch und Umwelt zu. Sie bleiben entsprechend von der zivilrechtlichen Haftung ausgenommen. Sie können die Bearbeitung der schwerwiegendsten und am wahrscheinlichsten auftretenden negativen Auswirkungen in ihren Investitionsportfolios priorisieren. Dies stellt sicher, dass Investoren nicht überfordert werden. Kleine institutionelle Investoren oder Vermögensverwalter werden im Vergleich zu großen Unternehmen nicht benachteiligt, sie werden nicht in den Anwendungsbereich der CSDDD fallen.
Einheitliche Mindeststandards schaffen faire Wettbewerbsbedingungen. Viele deutsche Unterzeichner der Principles for Responsible Investment halten Beteiligungsunternehmen längst dazu an, ihre Geschäftspraktiken zukunftsfähig zu gestalten. Sie spielen in vielerlei Hinsicht bereits heute die Rolle, die der gesamte Finanzsektor für die gelingende Transformation leisten muss, erkennen Risiken und Chancen der Transformation und berücksichtigen diese in ihren Investitionsentscheidungen.
Mit klaren Ausschlüssen und Risikovermeidungsstrategien sowie einer angemessenen Bewertung von Klima- und Sozialrisiken entscheiden sie sich gegebenenfalls gegen die Realisierung von kurzfristigen Gewinnen, die sich aus der Kostenexternalisierung auf Natur und Menschen ergeben könnten – und verhindern zugleich deutlich größere mittelfristige Risiken.
Chance für den Finanzmarkt
Verbindliche Sorgfaltspflichten für institutionelle Investoren und Vermögensverwalter können die Grundlage sein, um die transparent dargestellten Risiken angemessen zu berücksichtigen und auch, um investierte Unternehmen zur nachhaltigen Transformation anzuhalten und ihre negativen Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Menschenrechte zu minimieren.
Als Teil ihrer treuhänderischen Pflicht zur Vermögensverwaltung im Interesse der Anleger:innen wird dabei das Prinzip etabliert, auch die Risiken für unsere natürlichen Lebensgrundlagen und die Menschenrechte zu minimieren. Für Investoren bedeutet dies die Chance, negative umweltbezogene oder menschenrechtliche Auswirkungen konsequent und effizient als finanzielle Risiken zu erkennen und zu adressieren.
Die Bundesregierung sollte diese Chance für einen Finanzmarkt, der die bestehenden Risiken adäquater als bisher adressiert, ergreifen und die sich ergebenden Verpflichtungen als wirksame Anstrengung für die Erreichung des gemeinsamen Zieles darstellen. Sie sollte sich dafür einsetzen, dass auch die Bereitstellung von Investitionen – neben der Kreditvergabe – in den Anwendungsbereich der CSDDD fällt.