Standpunkte Die Zukunft des Transports ist digital

Die Effizienzgewinne durch Digitalisierung im Verkehr sind enorm – mit Blick auf Emissionen, Fahrzeuge und Verwaltungsaufwand. Innovation durch Forschung ist ein Schwerpunkt der EU-Förderpolitik. Das Augenmerk liegt dabei insbesondere auf der KI, wo noch Potenzial brachliegt.
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Jetzt kostenfrei testenDas europäische Verkehrsnetz ist der „Blutkreislauf“ der europäischen Wirtschaft. Ohne Transport gäbe es keinen europäischen Binnenmarkt und die europäische Freizügigkeit stünde nur auf Papier. 1,4 Millionen europäische Transportunternehmen mit 14 Millionen Beschäftigten erwirtschaften jährlich einen Überschuss von 100 Millionen Euro.
Ein zeitgemäßer und digitaler Verkehrssektor ist daher unerlässlich für die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Seine strategische Relevanz zeigt sich in den großen Krisen wie während der Covid-Pandemie oder im russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine als Lieferant kritischer Güter wie Medizin, Energie oder Militärausrüstung.
Fortschritt im Klimaschutz und beim Bürokratieabbau
Auch aus klimapolitischer Sicht ist eine Digitalisierung unabdingbar. Verkehr ist der einzige europäische Wirtschaftssektor mit noch steigenden CO2-Emissionswerten. Durch intelligente Vernetzung und autonomes Fahren könnte die Zahl der Fahrzeuge in Städten um bis zu 90 Prozent reduziert werden – eine erhebliche Einsparung von Emissionen. Vernetzte Mobilitätsangebote schaffen flexible Reise- und Logistikketten.
Die Digitalisierung verringert auch Bürokratie für Betriebe wie für Kundinnen und Kunden. So könnte die Logistikbranche bei vollständiger Umsetzung der entsprechenden europäischen Verordnung jährlich um 75 bis 102 Millionen Stunden an Verwaltungsaufwand einsparen. Riesige Summen, die woanders besser eingesetzt wären.
Forschung ist zentral
Innovation durch Forschung ist entscheidend für die digitale Transformation des Verkehrssektors – und daher ein Schwerpunkt der europäischen Förderpolitik. Verkehrsinnovation wird vor allem durch das Rahmenprogramm Horizont Europa unterstützt. Die Europäische Kommission wird in dieser Legislatur eine neue Strategie zur Förderung von Spitzentechnologien in diesem Bereich (zum Beispiel selbstfahrende Autos, urbane Flugtaxis oder Hyperloop) vorlegen.
Was nur wenige wissen: Europäische Firmen wie Hardt, Nevomo oder Zeleros sind bereits jetzt Weltmarktführer in der ultramodernen Hyperloop-Technologie. Im September 2024 hat in den Niederlanden das erste europäische Prototypen-Testzentrum eröffnet. Die Förderung von Transportforschung und -innovation soll auch in der zukünftigen europäischen Finanzplanung weiter verstärkt werden. Dabei sollte das Augenmerk insbesondere auf der Künstlichen Intelligenz (KI) liegen, deren Potenzial es im Verkehrsbereich besser auszuschöpfen gilt.
Die Unterschiede im Umgang und Grad der Digitalisierung im Verkehr zwischen verschiedenen EU-Mitgliedstaaten sind beträchtlich. Oftmals scheitert eine die zügige Umsetzung von digitalpolitischen Vorhaben der EU am nationalen Zaudern. Dabei gibt es Mitgliedstaaten, vorwiegend im nördlichen Europa, die mit großartigen Beispielen vorangehen. Die dänische Rejsekort-App ermöglicht seit 2024 ein nahtloses Reiseerlebnis im ganzen Land: Das mobile Pay-As-You-Go-System erkennt sogar automatisch Umstiege – ein exzellentes Vorbild für andere Staaten.
Von Vorbild Estland lernen
Noch in diesem Jahr will auch die Europäische Kommission ein europaweit einheitliches System für digitale Buchungen und Fahrscheine vorschlagen. Damit sollen Reisende in Europa künftig ein einziges Ticket kaufen und während ihrer gesamten Reise vom Schutz der Passagierrechte profitieren können.
Als erstes EU-Land erlaubt Estland bereits seit 2017 autonomes Fahren auf öffentlichen Straßen zu Testzwecken. So sieht man in Tallinn sowohl autonome Fahrzeuge von der Firma AuveTech als auch kleine Lieferroboter von Starship, die Einkäufe nach Hause liefern. Die Europäische Kommission arbeitet an einem einheitlichen gesetzlichen Rahmen für automatisiertes Fahren.
Fortschreitende Digitalisierung stellt jedoch neue Herausforderungen für die Cybersicherheit dar. Beim autonomen Fahren etwa werden große Mengen Daten produziert. Sie sind ein attraktives Ziel für Hacker, die es auf persönliche Daten oder Geschäftsgeheimnisse abgesehen haben. Über die in Fahrzeugen verbauten Funkmodule können Angriffe aus dem Internet oder über andere Kommunikationsschnittstellen erfolgen. In einem hybriden Krieg könnten externe Akteure essenzielle Transport- und Logistikwege lahmlegen.
Tatsächlich ist der Transportsektor das dritthäufigste Ziel von Cyberangriffen in Europa, deren Zahl seit dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine erheblich gestiegen ist. Daher müssen wir Cybersicherheit und -Resilienz von Anfang an mitdenken. Die am 1. April vorgestellte neue Europäische Sicherheitsstrategie „Protect EU“ verfolgt genau dieses Ziel, strategisch wichtige Sektoren wie den Verkehr vor Hybrid- und Cyberangriffen zu schützen.
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