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Standpunkte Innovative Rohstoffe als Lösung für Europa

Linus Froböse, CTO Skeleton Technologies
Linus Froböse, CTO Skeleton Technologies Foto: promo

Europa ist zwar globaler Vorreiter beim Klimaschutz, doch die Energiewende ist wegen bestehender Importabhängigkeiten von kritischen Rohstoffen gefährdet. Daher werden neue Lösungsansätze benötigt. Sie könnten den akuten Mangel an kritischen Rohstoffen ausgleichen und die flächendeckende Elektrifizierung vieler Industrien ermöglichen.

von Linus Froböse

veröffentlicht am 26.02.2024

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Bislang versucht die EU, die sichere Versorgung mit Rohstoffen durch beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie Handelspartnerschaften mit rohstoffreichen Ländern zu sichern. Diese Maßnahmen sind unerlässlich, doch darf ein weiterer Hebel nicht außer Acht gelassen werden: Innovation. Aufgrund der knappen heimischen Rohstoffreserven müssen alternative, innovative Materialien gefördert werden, um traditionelle kritische Rohstoffe zu substituieren. Dies muss von Europa als strategische Chance begriffen werden, anstatt in einen zum Scheitern verurteilten Wettlauf mit Exportländern wie China zu geraten.

Eine Reorientierung der Rohstoffbeschaffung ist daher essenziell für die Dekarbonisierung des Kontinents. Europa muss sich verstärkt als globaler Hotspot für innovative Materialentwicklung positionieren und die geologischen Schwächen zu innovativen Stärken ausbauen.

Europas erste Schwäche: Volatile Lieferketten 

Der rasche Ausbau von für die Elektrifizierung unerlässlichen Technologien ist mit einer Reihe von Risiken verknüpft, welche deren Weiterentwicklung verzögern und Abhängigkeiten bestärken. Die weltweite Nachfrage nach kritischen Rohstoffen, die grüne Technologien wie Windturbinen (zum Beispiel Neodym), Batterien für Elektrofahrzeuge (zum Beispiel Lithium und Nickel), Solarpaneele (zum Beispiel Gallium) und Elektrolyseure (zum Beispiel Iridium) antreiben, boomt. Deshalb muss die EU dringend eine zuverlässige Beschaffung von Rohstoffen sicherstellen.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine oder chinesische Ausfuhrbeschränkungen für Germanium, Gallium oder Grafit, haben europäische Entscheidungsträger erst auf diese Risiken aufmerksam gemacht. Denn die bisherige politische Schlagrichtung erlaubt es Europa nicht, angemessen auf die global wachsende Nachfrage nach Rohstoffen zu reagieren oder am Weltmarkt zu konkurrieren. Weder Rohstoffreserven noch Kapazitäten für die Weiterverarbeitung strategischer Rohstoffe wie Lithium befinden sich in Europa. Beispielsweise liegen die Verarbeitungskapazitäten von Lithium und Kobalt zu 60 Prozent beziehungsweise 90 Prozent in den Händen Chinas.

Die im Critical Raw Materials Act vereinbarten Richtwerte sehen vor, dass die EU bis 2030 in der Lage sein sollte, zehn Prozent des jährlichen Verbrauchs an strategischen Rohstoffen zu fördern, 40 Prozent zu verarbeiten und 25 Prozent zu recyclen. Richtwerte allein werden allerdings nicht ausreichen, um eine strategische Versorgung zu sichern, weshalb Europa Materialinnovationen nicht nur fördern, sondern auch beschleunigen muss.

Europas zweite Schwäche: Finanzierungslücke in der Materialforschung

Europa hinkt bei der Finanzierung und Entwicklung von innovativen kritischen Rohstoffen hinterher. Im Jahr 2022 wurden Start-ups in der Branche mit weltweit 1,6 Milliarden US-Dollar unterstützt, ein Anstieg von 160 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Investitionen machen insgesamt vier Prozent der gesamten Risikokapitalfinanzierung im Cleantech-Sektor aus, der Großteil mit 1,05 Milliarden Dollar entfällt allerdings auf nordamerikanische Unternehmen.

Zwar gibt es in Europa eine Vielzahl an Ideen und innovativen Ansätzen, doch haben europäische Innovatoren Schwierigkeiten, ihre Technologie zur Marktreife zu überführen. Eine Analyse der IEA zeigt, dass US-amerikanische Unternehmer zwischen 2018 und 2022 45 Prozent der weltweiten Risikokapitalinvestitionen für kritische Mineralien aufgebracht haben. Europa braucht daher eine ähnliche Investitionsdynamik, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Die US-Regierung versucht, den derzeitigen Vorsprung weiter auszubauen und lässt ihren Worten Taten folgen. Durch das Bipartisan Infrastructure Law (BIL) und den Inflation Reduction Act wurden insgesamt 8,5 Milliarden Dollar für kritische Rohstoffprojekte und 600 Millionen Dollar für Recycling-, Innovations-, Materialeffizienz- und Ersatzprogramme bereitgestellt. Ein vergleichbarer Ansatz der Europäischen Union bleibt aus, denn der Critical Raw Materials Act bringt keine neuen finanziellen Mittel. Fälschlicherweise fokussiert sich die EU auf reine Grundlagenforschung wohingegen die USA Unternehmen bei der Entwicklung von Innovationen bis hin zur Marktreife hilft.

Eine Lösung: Recycling

Das Erreichen der europäischen Klimaziele muss auf zwei Pfeilern beruhen: Recycling und alternative Materialien. Die gute Nachricht ist, dass die innovativsten Start-ups in diesen Bereichen bereits in Europa ansässig sind.

Nach Angaben der IEA liegt die weltweite Recyclingquote für Nickel, Kupfer und Aluminium bei lediglich 40 Prozent, theoretisch möglich sind weit über 90 Prozent. Innovation ist der wichtigste Treiber, um diese verbleibenden Potenziale zu heben, höhere Recyclingquoten zu erzielen und die Recyclingprozesse nachhaltig und rentabel zu gestalten. Dennoch kann der steigende Bedarf nach kritischen Rohstoffen nicht durch Recycling allein ausgeglichen werden. Recycling vermag lediglich die Nachfrage zu senken.

So ist das norwegische Unternehmen Hydrovolt ein Vorreiter beim Batterierecycling. Das Unternehmen stellt aus Altbatterien ein Pulver namens „Black Mass“ her, welches die Rückgewinnung wertvoller Metalle erlaubt. Allerdings wird „Black Mass“ laut EU-Regularien immer noch als gefährlicher Abfall eingestuft, was die Recyclingpotenziale von Altbatterien und deren Nebenproduktion einschränkt. Richtigerweise beabsichtigt die EU, die Verwertung von „Black Mass“ in den Critical Raw Materials Act aufzunehmen und somit die Entwicklung von zirkulären Ansätzen im Batteriesektor zu unterstützen, also Abhängigkeiten zu China abzubauen.

Alternative Materialen reduzieren Abhängigkeiten

Die Nachfrage nach kritischen Rohstoffen kann auch durch alternative Materialien entscheidend verringert werden, dafür müssen allerdings Investitionen von der EU in deren Entwicklung gelenkt werden. Auch hier sind europäische Unternehmen weltmarktführend, eines von vielen Beispielen ist unser Tochterunternehmen Skeleton Materials. Durch das patentierte Material „Curved Graphene“ können Rohstoffe wie Nickel oder Kobalt im Herstellungsprozess von Batterien komplett ersetzt werden. Für diese Innovation wurden unsere Forscher mit dem Europäischen Erfinderpreis 2022 des Europäischen Patentamts ausgezeichnet.

Außerdem erwähnenswert ist Naco Technologies aus Lettland. Das Unternehmen hat eine Nanobeschichtungstechnologie entwickelt, die den Wirkungsgrad und die Lebensdauer kritischer Komponenten in Elektrolyseuren und Brennstoffzellen erhöht und so den Bedarf an Iridium und Platin verringert.

Das deutsche Start-up Sunfire verfolgt ein ähnliches Ziel und entwickelt Elektrolyseure frei von seltenen Erden. Die vorgestellten Ansätze und Technologien benötigen allerdings weitere finanzielle Unterstützung und Investitionen in Forschung und Entwicklung, um ihren vollen systemischen Nutzen zu entfalten. 

Europas Strategie zum Aufbau von Resilienzen darf sich nicht auf die Sicherung von Rohstoffen durch Partnerschaften mit mineralreichen Ländern beschränken. Es ist essenziell, dass sich politische Prioritäten verschieben und Materialinnovationen verstärkt regulatorisch gewünscht und gefördert werden. Denn die bestehenden Rohstoffverknappungen zwingen uns zu Innovationen, und Europa muss sich der Rolle als Innovator bewusst werden und diese ausbauen. Als Europäer müssen wir eine neue Ära der Werkstoffinnovation, -effizienz und -verwertung einleiten und die noch vorhandenen Vorteile ausspielen, sodass die Transformation zur Klimaneutralität nicht nur gesichert, sondern auch beschleunigt wird.

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