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Standpunkte Jenseits von Wissings Fahrverboten

Felix Creutzig, Leiter der Forschungsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport am Klimaforschungsinstitut MCC
Felix Creutzig, Leiter der Forschungsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport am Klimaforschungsinstitut MCC Foto: Felix Creutzig

Die Verringerung von Treibhausgasemissionen im Verkehr stockt. Dabei gibt es ein umfangreiches Instrumentarium, mit dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing das Problem mindern könnte. Sinnvoll wäre eine Kombination aus Anreizen und Abgaben.

von Felix Creutzig

veröffentlicht am 18.04.2024

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Das Gespenst der Fahrverbote schwebt bedrohlich über Deutschland. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat die Möglichkeit von bundesweiten Fahrverboten an Wochenenden ins Spiel gebracht. Solch drastische Maßnahmen, wenn bislang auch nur als Idee geäußert, zeigen, wie dringlich die Einsparung von Treibhausgasen auch im Verkehrsbereich ist und wie kontrovers sie diskutiert wird.

Doch Minister Wissings eigener Expertenbeirat „Klimaschutz in der Mobilität“ zeigte jetzt in einem Bericht Lösungen auf, die über einfache Verbote hinausgehen und einen Mix aus politischen Instrumenten umfassen, der Deutschland effektiv und ohne Belastung für den Steuerzahler auf den richtigen Kurs bringt.

Ein solcher Ansatz sollte Abgaben für Emissionen von Kohlendioxid und Anreizen kombinieren, die das Verhalten sowohl von Unternehmen als auch von Verbrauchern direkt beeinflussen.

Die CO2-Abgabe, die in der Politikdiskussion zur Elektromobilität vorgeschlagen wird, richtet sich nach dem Ausstoß der Neufahrzeuge. Die Abgabe zielt darauf ab, den Marktanteil vollelektrischer Pkw zu steigern, indem die Attraktivität von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor im Vergleich dadurch verringert wird, dass der Anschaffungspreis entsprechend höher ausfällt. Das würde die Nachfrage in Richtung emissionsärmerer Modelle verschieben.

Anreize zum Umstieg auf Elektromobilität

Auswirkungen dieser Maßnahme werden in Projektionen von Computermodellen deutlich: Es wird erwartet, dass zwischen 2024 und 2030 nach und nach 1,6 bis 2,6 Millionen zusätzliche vollelektrische Pkw zugelassen werden. Dies würde durch die CO2-Abgabe und mögliche Kombinationen mit Anreizen wie einer Neuauflage des im Dezember 2023 ausgelaufenen Umweltbonus für Elektrofahrzeuge ermöglicht.

Die Zahlen zeigen, dass die CO2-Abgabe ein wirkungsvolles Instrument sein könnte, um die angestrebten Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Gleichzeitig könnte sie den Übergang zur Elektromobilität in Deutschland beschleunigen. Darüber hinaus könnte ein neuer Umweltbonus, der den Kauf von emissionsfreien Fahrzeugen fördert, eine schnelle Veränderung des Fahrzeugbestands bewirken – hin zu einer klimafreundlicheren Pkw-Flotte.

Der Bonus könnte gestaffelt sein und besonders auf kostengünstige Fahrzeuge abzielen, was für eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen könnte. Sinnvoll ergänzt würde das, indem die Steuervorteile für Dienstwagen abgeschafft werden, insbesondere für solche mit Verbrennungsmotoren. Damit würde eine sozial höchst ungerechte und zudem klimaschädliche Subvention beendet und die Steuerzahler entlastet.

Kombinationen solcher Instrumente schaffen nicht nur faire Wettbewerbsbedingungen, sondern geben auch ein starkes Signal an den Markt, dass die Zukunft in der Elektromobilität liegt.

Tatsächlich ist die stärkere Ausrichtung in Richtung E-Mobilität für das Überleben der deutschen Autoindustrie zentral. Im vergangenen Jahrzehnt war die deutsche Elektroautostrategie erfolgreicher als die anderer Länder, etwa Japan oder USA. Die Marktanteile von Elektroautos lagen entsprechend höher.

E-Fuels führen in technologische Sackgasse

Doch mittlerweile fehlt der politische Fokus – erkennbar etwa an der Diskussion um mit erneuerbarer Energie hergestellte Treibstoffe, E-Fuels. Dieser Weg wäre eine technologische Sackgasse. Deutschland droht den Anschluss zu verlieren, die Industrie von der chinesischen und möglicherweise auch amerikanischen Konkurrenz überholt zu werden.

Auch nach der Reform des Klimaschutzgesetzes am Montag bleibt wichtig, dass der Verkehrsbereich seinen CO2-Ausstoß reduziert. Sonst drohen in den nächsten Jahren Milliarden-Strafzahlungen im europäischen Lastenausgleich. Dann müsste der Steuerzahler für ungenügenden Klimaschutz aufkommen.

Für die Klimaziele bis 2030 braucht Deutschland einen integrierten Ansatz, der Abgaben mit Anreizen kombiniert. Solche Politikinstrumente fördern nicht nur umweltfreundliche Technologien, sondern unterstützen auch die wirtschaftliche Innovation und können zur Schaffung von Arbeitsplätzen in zukunftsorientierten Branchen beitragen.

Die Umsetzung würde allerdings politischen Mut erfordern und eine klare Vision von der Zukunft der Mobilität in Deutschland. Deutschland könnte eine Vorreiterrolle in der Klimapolitik übernehmen, die auch die Wirtschaft stärkt. Die abwegige Diskussion um Fahrverbote zeigt, welch großer Handlungsbedarf besteht. Es ist an der Zeit, dass Deutschland diesen Herausforderungen mit innovativen und integrativen Lösungen begegnet.

Felix Creutzig (siehe Porträt) leitet die Forschungsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. Er war Leitautor in Sachstandsberichten des Weltklimarats IPCC. Der Professor lehrt an der Technischen Universität Berlin und gehört dem Expertenbeirat „Klimaschutz in der Mobilität“ des Bundesverkehrsministeriums an.

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