Wir erleben derzeit einen dramatischen Anstieg der Energiepreise, vor allem der Spritpreise. Der Krieg in der Ukraine hat den bereits begonnenen Trend massiv verschärft. Obwohl die russischen Pipelines noch nicht gedrosselt oder boykottiert werden, führt schon die Angst davor zu Vorratskäufen, aber auch zu spekulativen Einkäufen. Wir müssen mit dauerhaft hohen Preisen bei fossilen Energieträgern rechnen, nicht nur wegen des Krieges, sondern auch aufgrund von Klimaschutzmaßnahmen wie CO2-Bepreisung.
Die Forderung, AutofahrerInnen zu entlasten, ist wohlfeil, aber auch sozial blind. Denn höhere Preise treffen nicht alle gleichermaßen. Was die einen im Ärger locker wegstecken, ist für andere kaum mehr zu stemmen. Zudem haben nicht alle die gleichen Möglichkeiten, Sprit zu sparen und ihr Verhalten entsprechend zu ändern.
Ein Ausstieg aus fossilen Energien ist aus vielen Gründen notwendig. Mit kurzfristigen, unspezifischen und teuren Ausgleichsmaßnahmen werden wir die Probleme nicht dauerhaft und nachhaltig lösen. Rasch notwendig sind sozial stützende Vorschläge: das Mobilitätsgeld für wirklich Bedürftige. Perspektivisch geht es um die grundlegende Transformation zu nachhaltiger Mobilität, die weder von russischem noch vom saudischem Öl abhängt und keine fossilen Kraftstoffe mehr braucht. Es geht um Mobilität auf der Basis von Sonne-, Wind- und Wasserkraft.
Erhöhung der Pendlerpauschale kommt bei Bedürftigen kaum an
In Baden-Württemberg leisten sich heute vier von fünf Haushalten ein Auto, im Schnitt fahren sie damit 15.000 km pro Jahr. Von den Haushalten mit sehr niedrigen Einkommen fahren 75 Prozent weniger als 15.000 km im Jahr. 53 Prozent der Haushalte mit sehr niedrigen Einkommen verzichten ganz aufs Auto. Dagegen besitzen über 50 Prozent der Haushalte mit hohem Einkommen zwei oder mehr Autos und fahren im Schnitt 27.000 km pro Jahr.
Für viele gibt es Alternativen – und meist sparen sie dabei sogar Geld: Home-Office, Pedelec, günstige Monatsabos für den ÖV oder Elektroauto sind mit mittlerem oder hohem Einkommen finanzierbar. Dagegen fährt von den Haushalten mit geringem oder sehr geringem Einkommen ein Viertel über 15.000 km im Jahr. Viele wohnen auf dem Land mit oft schlechtem ÖV-Angebot.
Die Bundesregierung hat auf diese Lage mit einem Paket von Unterstützungsmaßnahmen reagiert, darunter die Erhöhung der Pendlerpauschale. Sie wirkt aber über das Steuerrecht nur für ArbeitnehmerInnen (und nicht zum Beispiel für RentnerInnen), die Einkommensteuer zahlen und nur dann, wenn der Arbeitnehmerpauschbetrag bereits ausgeschöpft ist. Wer zum Beispiel zehn Kilometer täglich zur Arbeit und zurück pendelt und keine weiteren Werbungskosten hat, erhält hier nichts. Auch die jetzige Erhöhung kommt bei Bedürftigen kaum an.
Eine generelle Senkung der Spritpreise konterkariert nicht nur die Klimaschutzbemühungen. Wird der Sprit durch Steuersenkungen billiger, zieht die Nachfrage an. Dadurch steigende Weltmarktpreise verzehren einen Teil der Steuersenkung wieder – und kommen Ölexporteuren wie Russland entgegen. Auch wirkt eine Steuersenkung sozial ungerecht, denn Vielfahrer profitieren überdurchschnittlich – und sie haben meist ein höheres Einkommen.
Mobilitätsgeld einführen – für eine soziale Balance
Nötig ist eine mobilitätsspezifische Antwort auf die soziale Schieflage. Der Ausbau von Bus, Bahn, Rad und Carsharing kann am besten umweltfreundliche und preiswerte Mobilität garantieren. Daher sollte – übergangsweise – ein Mobilitätsgeld als Bestandteil des gerade diskutierten Energiegelds für armutsgefährdete Haushalte eingeführt werden, denen nach EU-Definition weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen.
Bei 50 Euro pro Kopf und Jahr würden die Mehrkosten des CO2-Preises für 15.000 km Autofahren kompensiert. Für eine vierköpfige Familie mit niedrigem Einkommen sind 200 Euro ein wichtiger Beitrag. Wer weniger als der Durchschnitt Auto fährt, würde vom Mobilitätsgeld profitieren, wer mehr fährt, bekommt immerhin einen Teilausgleich.
Das Mobilitätsgeld kann aus Einnahmen für den CO2-Preis finanziert werden, die 2022 circa drei Milliarden Euro allein für den Personenverkehr betragen werden. Hinzu kommen Einnahmen aus Güterverkehr und Wärmesektor. Die bereits beschlossene Erhöhung der Pendlerpauschale kostet davon bereits fast eine Milliarde Euro. Ein Mobilitätsgeld von 50 Euro pro Kopf läge bei 700 Millionen Euro.
Auch ein starker Sozialstaat kann nicht alle entlasten. Klimaschutz und sozialer Ausgleich müssen zwingend auch im Verkehrsbereich Hand in Hand gehen. Wenn wir die soziale Balance im Land nicht weiter gefährden wollen, müssen wir über den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs für alle und ein Mobilitätsgeld für Bedürftige eine echte und schnelle Verbesserung für viele Menschen erreichen. Die aktuelle schwere Energie-Krise können wir entweder mit rückwärtsgewandten, letztlich untauglichen Maßnahmen angehen, oder wir wagen den mutigen Schritt nach vorne, zu mehr sozialer Gerechtigkeit und zur großen Transformation hin zu nachhaltiger Mobilität.