Es sind gute Zeiten für Busse und Bahnen. Zeiten, in denen der Bundesverkehrsminister in einer Bundestagsrede zu Protokoll gibt, dass er „mit den Öffis fahre“. Und es sind Zeiten in denen Bundesregierung und Bundestag die Finanzausstattung für Investitionen in den ÖPNV auf ein Rekordhoch aufwachsen lassen.
Das ist höchste Zeit! Denn wenn wir bis zum Jahr 2030 die Klimaschutzziele im Verkehrssektor erreichen wollen, dann müssen wir nennenswert und vor allem schnell Verkehre auf den umweltfreundlichen ÖPNV verlagern. Doch eine wichtige Frage, die es in diesem Zusammenhang in den kommenden Jahren zu beantworten gilt, ist: Wie kann uns das gelingen?
Busse für den ÖPNV-Ausbau gibt es genug – aber mit Dieselmotor
Die Nahverkehrsbranche hat darauf verschiedene Antworten: Neben dem umfänglichen Ausbau und der Modernisierung unserer Schieneninfrastrukturen spielt dabei vor allem der Busverkehr eine zentrale Rolle. Es gibt in Deutschland rund 33.000 Linienbusse. Busse bilden das Rückgrat des ÖPNV auf dem Land wie in den Städten und Ballungsräumen. Sie sind flexibel einsetzbar und – was mit Blick auf die 2030er Ziele besonders wichtig ist – schnell und in ausreichender Stückzahl verfügbar. Allerdings vor allem dann, wenn sie einen Dieselmotor haben. Und das ist ein Problem!
Zumindest aus Sicht der politischen Entscheiderinnen und Entscheider, die die Fahrzeuge mitfinanzieren müssen. Denn Diesel ist zurzeit nicht opportun, wenn man über Klimaschutz und Luftreinhaltung spricht. Dabei wird verkannt, dass die modernen Euro-6-Dieselbusse so emissionsarm sind, dass sie – obwohl wesentlich größer und schwerer – nicht mehr Stickoxide ausstoßen, als ein Diesel-Pkw. Aber der Bus hat durchschnittlich 20 Fahrgäste an Bord. Pro Kopf also eine verschwindende Emissionsbelastung.
Ohne (Diesel-)Bus keine Verkehrswende
Das sind die Fakten. Wer sich rational daran orientiert, der kann nur zu der Erkenntnis kommen, dass wir genau diese modernen und emissionsarmen Dieselbusse in den kommenden Jahren noch brauchen werden: Nur so können wir das ÖPNV-Angebot kurzfristig und möglichst flächendeckend ausweiten, um mehr Menschen attraktive Verbindungen zu bieten und sie dazu zu bewegen, das eigene Auto öfter stehen zu lassen: Ohne (Diesel-)Bus keine Verkehrswende und kein Erreichen der gesetzten Klimaziele bis 2030!
Die Verkehrsunternehmen befinden sich in einem Spagat. Einerseits sind sie aufgefordert, ihre Angebote schnell auszuweiten, um energieeffizientere Mobilität mit Bus und Bahn anzubieten. Andererseits gibt es die meisten Zuschüsse für neue Busse nur, wenn diese elektrisch (oder mit anderen alternativen Antrieben) fahren. Ein Antriebswechsel von Diesel zu Elektro kostet zusätzlich zum Ausbau viel Geld – doch befördert er keinen einzigen zusätzlichen Fahrgast. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Elektrobusse sind gerade im städtischen Nahverkehr die Zukunft – und für eine Branche, die sich mehr klimafreundliche Mobilität als eigenes Ziel gesetzt hat, ist die Einführung von lokal emissionsfreien Elektrobussen auch ein Stück weit selbstverständlich. Inzwischen sind deshalb rund 400 Elektrobusse bei unseren Mitgliedsunternehmen im Einsatz, bis Ende dieses Jahres werden es über 1.000 sein.
Die Umstellung ganzer Flotten wird noch Jahre dauern
Der Markt wächst und entwickelt sich positiv, das sehen wir auch dieser Tage wieder bei unser heute beginnenden E-Bus-Konferenz mit über 650 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Berlin. Aber er kann mit Blick auf die Zielerreichung 2030 fast nicht schnell genug wachsen. Die Umstellung ganzer Flotten, der Umbau von Werkstätten und Betriebshöfen und der Aufbau von Ladeinfrastruktur für einen stabilen umfänglichen Linienbetrieb mit Elektrobussen wird noch Jahre dauern. Das liegt nicht am fehlenden Willen der Verkehrsunternehmen.
Es liegt vielmehr an den real existierenden Rahmenbedingungen und, wie so oft, an den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln. Ein Elektrobus kostet aktuell zwischen 600.000 bis 700.000 Euro, ein neuer Dieselbus kostet etwa 350.000. Also etwa die Hälfte! Hinzu kommen die beschriebenen Um- und Neubaukosten für die Infrastrukturen – und natürlich die steigenden Personalkosten: Mehr ÖPNV braucht mehr qualifiziertes Personal. Diese Mehrkosten können nicht über Ticketpreiserhöhungen von den Fahrgästen kommen, denn das wäre unverhältnismäßig. Zudem locken steigende Preise keine Neukunden an, die wir mit Blick auf die Verkehrswende gerne hätten.
Druck der EU hilft nicht
Es bleibt die Finanzierung durch die öffentliche Hand. Ja, der Bund stellt einige Fördergelder für die Umrüstung auf Elektrobusse zur Verfügung. 450 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren sind eine ordentliche Summe. Bei Kosten von bis zu 700.000 Euro pro Bus plus Kosten für Umbau und so weiter ist das trotzdem zu wenig. Die Förderprogramme sind bereits heute entsprechend überzeichnet. Was in diesem Zusammenhang übrigens gar nicht hilft, ist der Druck, den die EU-Kommission über ihre Clean Vehicles Directive aufbaut.
Feste Beschaffungsquoten für emissionsfreie Busse sind nur dann umsetzbar, wenn Finanzierung und Verfügbarkeit der Fahrzeuge gewährleistet sind. Beides ist, wie beschrieben, bislang nicht ausreichend vorhanden. Vielleicht wäre die EU gut beraten, nicht zu fordern, sondern auch zu fördern. Mit dem „Green New Deal“ stünde ein entsprechendes Programm zur Verfügung, um den Hochlauf im E-Bus-Markt in Europa und Deutschland zu unterstützen und zu beschleunigen.
Martin Schmitz ist Geschäftsführer für den Bereich Technik im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). In Berlin findet heute und morgen die VDV-Elektrobuskonferenz und Fachmesse ElekBu2020 statt. Diskutieren werden dort unter anderem Ingo Wortmann (VDV), Henning Kagermann (Acatech), Tamara Zieschang (BMVI), Florian Pronold (BMU), Henrik Falk (Hamburger Hochbahn), Daniela Kluckert (FDP) und Axel Volkery (Generaldirektion Mobilität und Verkehr der EU-Kommission).