Lange Zeit waren deutsche Autobauer unangefochten die Könige der Mobilität. Und noch immer sind Mercedes, Porsche, Audi und BMW klangvolle Namen und starke Marken. Doch von ihrem Status als Platzhirsch ist heute wenig geblieben.
Tesla hat den Markt kräftig aufgemischt und die einst belächelten Hersteller aus China sind mehr als nur ernstzunehmende Konkurrenz. Die Nachrichtenlage der deutschen Autobranche ist fatal. Und die Botschaften, die die Unternehmen absenden? Wirken ähnlich kämpferisch wie ein Reh im Scheinwerferlicht.
Wie Tech-Unternehmen in der Autobranche wildern
Die deutsche Automobilindustrie steht nun vor ihrer vielleicht größten Herausforderung: Sie muss sich eingestehen, dass sie die Transformation verschlafen oder zumindest mit deutlicher Verspätung begonnen hat. Zwei Aspekte sind hier besonders relevant.
Erstens ist die individuelle Mobilität heute zunehmend weniger abhängig von Autos. Insbesondere in Ballungsräumen bieten sich zahlreiche Alternativen, um schneller und entspannter ans Ziel zu kommen.
Zudem entwickelt sich das Auto immer mehr zu einem überdimensionalen Stück rollender Elektronik. Einst dienten Design und Ausstattung als primäres Unterscheidungs- und Verkaufsargument, heute rücken sie in den Hintergrund. Die technischen Möglichkeiten moderner Software-definierter Fahrzeuge – Spurhalteassistenten, Einparkhilfe, eingebaute Navigation, Unterhaltungs-Apps und vieles mehr – avancieren zum primären Kaufkriterium.
In den USA setzen Tesla, Waymo und Cruise auf Elektroantrieb und Robotaxis, in China drückt unter anderem Baidu aufs Tempo. In Deutschland kommen E-Autos und autonome Fahrzeuge dagegen kaum vom Fleck. Auch, weil den Herstellern der Mut fehlte. Statt kurzfristiger Erfolge hätten sie konsequent und mit Durchhaltevermögen auf neue Lösungen setzen müssen, um den Zukunftsmarkt nachhaltig zu erobern.
Ihre öffentliche Kommunikation leidet unter den gleichen Symptomen: Mutlosigkeit und schnelles Einknicken bei Gegenwind. Statements von Konzernverantwortlichen sind oft defensiv und verweisen auf äußere Umstände, die sie als Unternehmen nicht beeinflussen können. Schuld an der drastischen Lage ist wahlweise die Politik in Deutschland, in China oder in den USA, Klimaaktivisten und ganz gewiss auch die bekanntermaßen mächtige internationale Fahrradlobby. In der Krise lässt sich dann schnell der laute Ruf nach staatlichen Hilfen vernehmen – gerne verbunden mit der Androhung von Arbeitsplatzverlusten.
Den Blick nach innen wenden
Die unbequeme Wahrheit: Ein großer Teil der Probleme in der deutschen Autoindustrie ist hausgemacht. Zum einen hat sie durch ein stures Beharren auf Verbrenner die Chance verpasst, vor der internationalen Konkurrenz einen echten Umschwung zur Elektromobilität anzustoßen. Zum anderen setzen die Hersteller nach wie vor auf bewährte – um nicht zu sagen veraltete – Prozesse und Systeme und haben dadurch einen klaren Nachteil gegenüber modernen Technologieunternehmen.
Die gute Nachricht: Es gibt noch Hoffnung auf Besserung. Allerdings ist der Weg dahin steinig. Er beinhaltet das Anerkennen bisheriger Versäumnisse und die Bereitschaft sowie den Mut zur grundlegenden Veränderung, sonst droht ein langsamer Abstieg in die Bedeutungslosigkeit.
Um das zu verhindern, müssen die Hersteller einige zentrale Punkte angehen. Ganz am Anfang steht eine ehrliche Bestandsaufnahme der eigenen Schwächen und Versäumnisse. Dazu gehört auch das Eingeständnis, am Weltmarkt nur noch der Herausforderer zu sein. Bescheidenheit und Selbstkritik sind hier essenziell, um einen glaubwürdigen nächsten Schritt zu gehen.
Alte Gewissheiten in Frage stellen
Der könnte etwa darin bestehen, den tatsächlichen Stand der Technik heute mit den vollmundigen Versprechen der letzten Jahre abzugleichen. Auf öffentlichen deutschen Straßen sind im Alltag keine fahrerlosen Autos zu sehen. Zahlreiche Pilotprojekte sind gescheitert oder gar nicht erst gestartet. Das Vertrauen in die Autohersteller sinkt zunehmend.
Auch wenn sie damit eine dicke Kröte schlucken müssen, ist diese Erkenntnis für die Autohersteller unausweichlich. Ihr Produkt im traditionellen Sinne verliert an Relevanz. Ein reiner Fokus auf das Auto als Zentrum der individuellen Mobilität ist mittelfristig nicht mehr tragbar. Die deutschen Autobauer müssen daher den Mut haben, liebgewonnene Gewissheiten in Frage zu stellen – und möglicherweise sogar ihr ganzes Geschäftsmodell. Hier kann es helfen, Technologieunternehmen als Partner zu verstehen und die jeweiligen Stärken zu kombinieren.
Denn grundsätzlich gilt: Das Auto ist Teil eines größeren, von moderner Technologie getriebenen Mobilitäts-Ökosystems. Wer das versteht und entsprechend agiert, kann sich neu erfinden. Doch für diesen Anstoß braucht es einen schonungslosen Blick – mitunter von einem externen Partner. Denn Transparenz und Klarheit sowohl in der Analyse als auch in der anschließenden Planung und Umsetzung sind Kernelemente einer erfolgreichen Transformationsgeschichte.
Mut zur Offenheit
In ihrer Kommunikation bietet die Automobilbranche ein unglückliches Bild. Die Skandale der jüngeren Vergangenheit sowie die herausfordernde Marktlage haben einigen Schaden angerichtet. Um sich aus dieser Zwickmühle zu befreien, muss auch die Unternehmenskommunikation neue Wege beschreiten.
Anstatt sich permanent in der Opferrolle zu wähnen und verbal um sich zu schlagen, sollten Automobilhersteller einen Schritt zurücktreten und sich aus dem Werkzeugkasten der Krisenkommunikation bedienen:
1.Das Problem deutlich benennen, um zu signalisieren: „Wir haben verstanden!“
2.Eine klare, positive Botschaft senden: „Wir arbeiten daran.“
3.Lösungen anbieten: „So können wir auch zukünftig ein starkes, innovatives Unternehmen sein.“
Der herrschenden Skepsis können sie mit Offenheit entgegentreten, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Ein grundlegender Schritt für eine Neupositionierung.