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Standpunkte Sondervermögen reicht nicht – Fortschritt braucht mehr als Milliarden

Fabian Zitzmann
Fabian Zitzmann, Managing Partner von Ecopals Foto: Foto: Ecopals

Deutschlands Straßen bröckeln – und mit ihnen das Vertrauen in die öffentliche Hand. Über ein Sondervermögen stehen nun viele Milliarden Euro in Aussicht, um Infrastruktur und Klimaschutz voranzubringen. Doch die zentrale Frage lautet: Wird das Geld wirklich zukunftsfähig eingesetzt – oder zementieren wir nur den Status quo?

von Fabian Zitzmann

veröffentlicht am 20.06.2025

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Deutschland investiert – endlich. Mit einem Sondervermögen will die Bundesregierung in den nächsten zwölf Jahren Infrastruktur und Klimaschutz massiv vorantreiben. Etliche Milliarden Euro sollen in Straßen, Schienen und Wasserwege fließen. Eine beispiellose Chance, den Investitionsstau der letzten Jahrzehnte aufzuholen.

Denn der Zustand der Straßen ist schlecht. Über drei Viertel der Deutschen sind laut einer aktuellenUmfrage weniger zufrieden oder unzufrieden. Brückensperrungen, Tempolimits durch marode Fahrbahnen: Die Realität ist vielerorts nicht mehr tragbar. Seit Jahrzehnten wird Infrastruktur nicht erhalten, sondern verschlissen.

Geld allein löst das Problem nicht

Das bleibt nicht ohne wirtschaftliche, ökologische und sicherheitsrelevante Folgen. Reaktive Ausbesserungen können eine nachhaltige Instandhaltung nicht ersetzen. Sie stehen sinnbildlich für ein System, das den Substanzverzehr hinnimmt, anstatt vorausschauend zu investieren.

Geld allein löst das Problem nicht. Das kreditfinanzierte Sondervermögen bringt eine erhebliche Zinslast mit sich. Auch die Schuldenbremse bleibt bestehen und setzt dem finanziellen Handlungsspielraum klare Grenzen. Ist das Kapital in zwölf Jahren ausgeschöpft, stellt sich somit zwangsläufig die Frage: Haben wir es zukunftssicher eingesetzt? Ein zweites Infrastrukturpaket in dieser Größenordnung scheint kaum realisierbar.

Umso wichtiger ist es, die heutigen Mittel in langlebige und nachhaltige Lösungen fließen zu lassen. Besonders der Straßenbau kann hier mit gutem Beispiel vorangehen. Er prägt unsere Infrastruktur flächendeckend und für Jahrzehnte. Jeder verbaute Meter ist eine Investition in die Zukunft. Jetzt gilt es, auf Technologien zu setzen, die sich ökologisch und wirtschaftlich bewährt haben.

Made in Germany – aber nicht genutzt

Gut, dass die deutschen Bau- und Ingenieurleistungen zur Weltspitze gehören. Neue Verfahren, effizientere Materialien, CO2-sparende Asphaltlösungen – vieles ist da. Doch während viele unserer inländischen Innovationen im Ausland längst zum etablierten Standard gehören, scheitern sie hierzulande an Detailvorgaben, unklaren Normen oder ausufernder Bürokratie.

Ein Praxisbeispiel: Asphalt wird überall dort mit Kunststoffzusätzen angereichert, wo er besonders hohen Belastungen standhalten muss. Etwa durch schwere Fahrzeuge und häufige Überfahrten. Das ist zwar seit den 1970er-Jahren gängige Praxis, belastet aber das Kosten- und Emissionsprofil der Straße enorm.

Mittlerweile ist es längst möglich, hier auf ausgereifte Alternativen umzusteigen. Auf praxiserprobte Technologien wie den Ersatz dieser konventionellen Kunststoffe durch hochwertige Recyclingmaterialien. Das sorgt für leistungsfähige Fahrbahnen, die nicht nur klimafreundlich, sondern auch kosteneffizient sind.

Regulatorik erstickt Innovationen

Doch allzu oft werden genau diese Innovationen noch immer von einem undurchdringlichen Geflecht aus komplexer und praxisferner Regulatorik erstickt. Was einst Orientierung bieten sollte, ist heute zu einem Flickenteppich an Vorschriften geworden. Ein System, das nicht vernetzt denkt, sondern kleinteilig verwaltet.

Diese Herangehensweise zeigt sich besonders deutlich im Umgang mit neuen Materialien im Straßenbau: Die aktuellen Regularien wirken, als würde man beim iPhone einzeln Akku, Display und Prozessor testen, aber nicht, wie sie zusammenarbeiten. In Ausschreibungen steht das „Wie“ im Vordergrund: technische Detailvorgaben, Input-Kriterien, Prüfverfahren. Das „Was“ – nämlich Qualität, Haltbarkeit, Nachhaltigkeit – wird dabei ausgeklammert. Kein Wunder also, dass solche Rahmenbedingungen eher abschrecken als fördern.

Laut einerUmfrage des BDI haben rund ein Drittel der großen Industrieunternehmen Forschungs- und Entwicklungsbereiche bereits ins Ausland verlagert. Hauptgründe: Bürokratieabbau (47 Prozent) und Kosten (58 Prozent). Was wir erleben, ist keine Abwanderung, sondern eine logische Folge fehlender Innovationskultur.

Mehr Mut zur Veränderung

Wenn wir wollen, dass sich das ändert, müssen wir nicht nur unsere Regelwerke modernisieren. Wir müssen an den Grundlagen arbeiten, die Innovationen erst flächendeckend zuzulassen. Statt technische Vorschriften zu normieren, ließe sich über Bonus-Malus-Systeme ein starker Anreiz für Qualität setzen. Wer langlebig baut, bekommt mehr. Wer frühzeitig nachbessern muss, zahlt drauf. So wird Qualität zur Währung und Innovation lohnend.

Öffentliche Innovationsausschreibungen könnten gezielt Projekte ermöglichen, bei denen neue Technologien unter realen Bedingungen erprobt werden, ohne die langwierige Anpassung aller Normen vorab. Gerade im kostenintensiven Tiefbau mit niedrigen Margen wäre das ein Hebel, um Wettbewerbsfähigkeit, Effizienz und Nachhaltigkeit zu steigern.

Das Sondervermögen bietet die historische Chance, den technologischen Rückstand aufzuholen. Doch ohne ein Neudenken, ohne mehr unternehmerische Verantwortung und ohne den Mut, Neues auch umzusetzen, bleibt das Geld Stückwerk. Was jetzt zählt, ist kluges Handeln. Denn sonst bauen wir mit dem Geld von heute weiter auf dem Stand von gestern.

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