Standpunkte Von Österreich und der Schweiz lernen

Aus rechtlicher Perspektive ist der Weg von den kreditfinanzierten 500 Milliarden Euro im Sondervermögen zu einem leistungsfähigeren Schienennetz noch weit. Hilfreich ist ein Blick nach Österreich und in die Schweiz, weil sie mit ihren Rahmenbedingungen für die Eisenbahninfrastruktur einen erkennbar erfolgreicheren Weg eingeschlagen haben.
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Jetzt kostenfrei testenMit dem neuen Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz, dessen verfassungsrechtliche Grundlage nun gelegt ist, scheinen auch die dringenden Investitionen in das deutsche Schienennetz auf das richtige Gleis gesetzt. Mit dieser Weichenstellung kann der Bund nun seiner Gewährleistungsverantwortung gerecht werden, die auch verfassungsrechtlich fundiert ist.
Es sei daran erinnert, dass das Grundgesetz in Artikel 87e den Bund verpflichtet, „Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes“ zu gewährleisten. Und nicht zuletzt im Interesse des Klimaschutzes ist ein leistungsfähiges Eisenbahnverkehrssystem verfassungsrechtlich geboten.
Allerdings stellt sich aus rechtlicher Perspektive der Weg von den kreditfinanzierten 500 Milliarden Euro zu einem leistungsfähigeren Schienennetz als herausfordernd dar.
Das liegt zunächst daran, dass sich die Schiene gegen eine Vielzahl konkurrierender Investitionsbedarfe wird behaupten müssen, wenn es in der zwölfjährigen Laufzeit um die Verteilung der 300 Milliarden Euro geht, die nach Abzug der beiden anderen Fünftel für die Länder und für den Klima- und Transformationsfonds verbleiben. Dieser verbleibende Betrag steht sehr breit für zusätzliche Investitionen in die „gesamtstaatliche Infrastruktur“ und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der künftig im Grundgesetz verankerten Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 zur Verfügung.
Lange Liste konkurrierender Investitionsbedarfe
Selbst wenn man berücksichtigt, dass nicht alle in der Gesetzesbegründung genannten „Infrastruktur“-Projekte (z.B. Krankenhäuser, Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur) in die Finanzierungskompetenz des Bundes fallen, bleibt die Liste der mit der Schiene konkurrierenden Investitionsbedarfe lang.
Umso mehr wird es darauf ankommen, dass die Schiene gut vorbereitet im Wettbewerb mit anderen berechtigen Ansprüchen bestehen kann – dass sie mit Fug und Recht behaupten kann zu wissen, warum, wofür und wie sie die beanspruchten Mittel einsetzen wird. Dazu sind Hürden aus dem Weg zu räumen, die derzeit noch zielgerichtete und wirksame Investitionen in das deutsche Schienennetz behindern.
Diese Hürden sind ohne Zweifel in den zu wenig aufeinander abgestimmten Verfahren und defizitären Regeln zu suchen, nach denen bisher die Investitionen in Instandhaltung, Modernisierung und Ausbau des deutschen Schienennetzes geplant, finanziert und umgesetzt werden. Hilfreich ist hier ein Blick nach Österreich und in die Schweiz, weil diese beiden Staaten mit ihren Rahmenbedingungen für die Eisenbahninfrastruktur einen erkennbar erfolgreicheren Weg eingeschlagen haben.
Der Blick zu unseren südlichen Nachbarn fördert eine Gemeinsamkeit dieser beiden Systeme zutage, die zugleich das wohl entscheidende Defizit der deutschen Schienenplanung und finanzierung offenlegt: Sowohl in Österreich als auch in der Schweiz findet sich nämlich ein Verfahren, in dem auf mittlere Sicht von sechs bis fünfzehn Jahren über die Auswahl, die Priorisierung und die Finanzierung der Schienen-Projekte integriert entschieden wird.
Abstimmung zwischen Planung und Finanzierung
Dieses Verfahren ist in Österreich als „Rahmenplan“ und in der Schweiz als „Ausbauschritt“ im Rahmen des Strategischen Entwicklungsprogramms Bahninfrastruktur (STEP) gesetzlich etabliert. Das Besondere beider Instrumente ist die verlässliche Abstimmung zwischen Projektplanung und -finanzierung. Sie führt im Ergebnis dazu, dass nur finanzierte Projekte in die Planung aufgenommen und nur solche finanziert werden, die das Verfahren zur Aufnahme in die Planung erfolgreich durchlaufen haben.
Ein vergleichbares Instrument fehlt in Deutschland bislang. Der Umstieg auf eine langfristige zielfahrplanbasierte Infrastrukturentwicklung (Zielbild Deutschlandtakt), ihre schrittweise Umsetzungsplanung (Etappierung) und deren Überführung in Leistungsziele für die DB InfraGO (Infraplan) weisen zwar in die richtige Richtung.
Diesem Konzept fehlen bislang aber noch die notwendige Abstimmung mit der Finanzierung, die dabei erforderliche Beseitigung der Parallelfinanzierung von Projekten durch Bund und Länder und schließlich die ausreichende gesetzliche Verankerung.
Denn auf Seiten des Bundes setzt die überjährige Verlässlichkeit der Schienenfinanzierung voraus, dass die für die „Etappe“ erforderlichen Mittel entweder in einem entsprechend ausgestatteten „Schienenfonds“ reserviert oder jedenfalls für die Zukunft dem Infrastrukturbetreiber rechtlich verbindlich zugesichert werden.
Schienenfonds kaum zu erwarten
Die Schweiz hat mit dem – verfassungsrechtlich auskömmlich und gesichert ausgestatteten – „Bahninfrastrukturfonds“ den ersten Weg eingeschlagen. Österreich folgt der zweiten Variante, indem das Parlament durch „Vorbelastungsgesetze“ die Zusage von Zuschüssen zur Deckung der Verbindlichkeiten erlaubt, die der Infrastrukturbetreiber zur Finanzierung der im Rahmenplan bestimmten Projekte eingehen darf.
In Deutschland wird das neue Sondervermögen die Funktion des Bahninfrastrukturfonds nach dem Schweizer Modell kaum übernehmen können, weil es auf zwölf Jahre befristet ist und weil die Konkurrenz mit anderen Investitionsbedarfen eine ausreichende Verlässlichkeit für die Schiene noch nicht erlaubt. Da die Einrichtung eines Schienenfonds mittels einer weiteren Ergänzung des Grundgesetzes kaum zu erwarten ist, bleiben nur einfachgesetzliche Instrumente zur Herstellung der notwendigen Verlässlichkeit.
Durch Gesetz könnten zum Beispiel Mittel aus dem neuen Sondervermögen einem neu einzurichtenden Schienenfonds für Aus- und Neubau sowie für Erhalt und Modernisierung des Bestandnetzes (inklusive Digitalisierung) zugeführt werden. Oder das Verkehrsministerium wird – nach dem österreichischen Vorbild – durch (Haushalts-)Gesetz ermächtigt, in Verträgen mit der DB InfraGO die Kosten beziehungsweise Verbindlichkeiten für die jeweiligen Investitionsvorhaben aus dem Sondervermögen zu übernehmen (Verpflichtungsermächtigung).
DB InfraGO braucht abgesicherte Planung
Nicht weniger weitreichende Änderungen werden erforderlich sein, um die Umsetzung dieser finanziell verlässlich abgesicherten Planung durch die DB InfraGO zu gewährleisten. Entsprechend dem österreichischen Vorbild sollte die zwischen Politik und Infrastrukturunternehmen abgestimmte Planung bindend für die unternehmerische Investitions- und Finanzierungsplanung und auch zu einem festen Bestandteil des Geschäftsplans der DB InfraGO werden.
Ergänzende Steuerungswirkung sollten reformierte Finanzierungsverträge insbesondere für das Bestandsnetz erbringen, die der Bund mit dem Infrastrukturunternehmen abschließt. Und schließlich muss dieses Unternehmen in die Lage versetzt werden, seine Strategie allein an dem Erhalt und der Verbesserung der Eisenbahninfrastruktur – nach Maßgabe der infrastrukturpolitischen Planung und Finanzierung des Bundes – auszurichten. Wenn es bei der DB-Konzernstruktur bleibt, wäre deshalb jedenfalls der Beherrschungsvertrag zwischen DB und DB InfraGO aufzuheben.
Schließlich können viele einzelne Maßnahmen nur dann erfolgreich zu einem leistungsfähigeren Eisenbahnsystem beitragen, wenn sie an einem leitenden Ziel ausgerichtet sind, welches dann auch die Orientierung für die Ableitung mittelfristiger Schritte (Etappen) bietet.
Österreich und Schweiz orientieren sich langfristig
Auch insoweit bieten Österreich mit dem „Zielnetz 2040“ und die Schweiz mit der „Perspektive Bahn 2050“ zwei unterschiedliche Varianten der langfristigen Orientierung. In beiden Varianten leitet sich die gesamte Infrastrukturplanung aus einem Gesamtverkehrskonzept ab, das sowohl den Personenfernverkehr als auch den Personennahverkehr und den Güterverkehr auf der Schiene berücksichtigt.
Mit dem bisherigen Verfahren der Bundesverkehrswegeplanung ist Deutschland von einem solchen Ansatz weit entfernt und das Konzept des Deutschlandtaktes bedeutet insoweit eine grundlegende und erfolgversprechende Neuorientierung. Sie bedarf allerdings noch der Übersetzung in gesetzliche Strukturen, ohne die Verlässlichkeit und Verbindlichkeit für den Sektor nicht zu erreichen sind.
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