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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Warum es bei einer autoarmen Innenstadt nicht um Autos geht

Steffen Krach, Regionspräsident Hannover
Steffen Krach, Regionspräsident Hannover Foto: Region Hannover / Anne Hufnagl

Im September hat der Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay, seinen Vorschlag für eine autoarme Innenstadt 2030 präsentiert. Das Konzept hat hohe Wellen geschlagen und wurde bundesweit diskutiert – gut so! Wir brauchen eine Offensive für nachhaltige Mobilität und vor allem die Diskussion darüber.

von Steffen Krach

veröffentlicht am 24.10.2023

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Schaut man zu den europäischen Nachbarn, zeigt sich: Die Debatte über die autoarme Innenstadt ist überfällig. Viele Städte wie Utrecht, Ljubljana, Amsterdam oder Kopenhagen sind viel weiter als Deutschland. Doch beim Blick auf europäische Großstädte fällt noch etwas Anderes auf: Die Städte haben sich über viele Jahre erneuert und nicht zuerst den Verkehr betrachtet, sondern sich auf das Umfeld fokussiert, in dem die Erneuerung stattfindet. 

Das sollte auch hierzulande im Vordergrund stehen, wenn es um autoarme Innenstädte geht: Am Anfang steht die Frage der Attraktivität von Innenstädten für die Menschen. Es braucht Vorfahrt für Handel und Gastronomie, Kunst und Kultur, danach geht es um einen nachhaltigeren Verkehr.

Die Innenstädte sind krisengebeutelt – keine Zeit für Experimente

Wenn in Deutschland von der Verkehrswende gesprochen wird, fallen in Berlin, Tübingen oder Hannover schnell Wörter wie Experimentier- oder Laborräume. Doch die lange Zeit der Corona-Pandemie, den zunehmenden Leerstand vor allem der großen Gebäude von Galeria Kaufhof und Karstadt oder die Inflation haben die Innenstädte nicht gut verkraftet.

Das ist nicht nur in Hannover zu sehen, viele Städte sind krisengebeutelt, Handel und Gastronomie kämpfen mit Personalmangel und gegen den Online-Handel. Es hilft nicht allein, wenn die Autos nicht mehr in der Innenstadt fahren dürfen. Anstelle von Experimenten müssen wir für Planungssicherheit und feste Strukturen sorgen. Und auch bei Sicherheit und Sauberkeit gibt es viel zu tun. Nur sichere und saubere Innenstädte sind attraktiv. 

Autos runter, Blumenkübel rauf das ist kein Mobilitätskonzept

In der aktuellen Situation darf es also nicht nur um die Frage gehen, wie die Menschen in die Innenstadt kommen. Es muss darum gehen, welcher Grund ihnen geboten wird, überhaupt die Innenstädte aufzusuchen. In Hannover gibt es seit Jahrzehnten große verkehrsberuhigte oder sogar vollständig autofreie Bereiche, doch die sind nicht automatisch eine Augenweide. Nur die Autos zu verbannen ist nicht die Lösung.

Es braucht gleichzeitige Maßnahmen für den Umbau von Flächen, für die Begrünung, für gastronomische Angebote, Kunst und Kultur oder Sport. Nur Konsum ist nicht die Antwort, das haben die vergangenen Jahre gezeigt. Wir sollten von vornherein mit der Kunst- und Kulturszene sprechen, Sportmöglichkeiten und einen Ort schaffen, an dem Menschen gerne zusammenkommen und an dem Kinder und Familien ihren Platz finden.

Dabei müssen soziale Aspekte mitgedacht werden: Die Innenstadt sollte immer ein Zentrum für alle sein, in dem auch Menschen mit kleinem Geldbeutel oder Wohnungslose willkommen sind. Das alles ist besonders in der nassen Jahreszeit, wenn nicht alles blüht und strahlt, eine echte Herausforderung. Und ja, es braucht Raum. Deswegen ist es gut, wenn Innenstädte autoarm sind, aber das allein reicht nicht. Auch das sieht man in Städten wie Utrecht oder Barcelona.

Verkehrswende wird im ländlichen Raum entschieden

Wer glaubt, Innenstädte nur über den Verkehr attraktiver zu machen oder aber die Verkehrswende über die Innenstädte zu schaffen, liegt völlig falsch. Für die Menschen, die in der Stadt oder nah daran wohnen, ist es kein Problem, das Auto stehenzulassen. Doch die Frage ist: Was ist mit den Menschen, die weiter weg wohnen und bislang auf das Auto angewiesen sind?

Die Kommunen der Region Hannover sind – ausgenommen von der Landeshauptstadt – zu einem großen Teil ländlich geprägt. Der ÖPNV, der in der Verantwortung der Region liegt, wird immer besser ausgebaut. In diesen Wochen expandiert unser On-Demand-Angebot Sprinti, ein Rufbus-System, mit dem wir eine Fläche zweimal so groß wie Berlin an den ÖPNV anschließen.

Das ist die Basis dafür, dass der Autoverkehr in der Stadt und insgesamt reduziert wird. Die Verkehrswende beginnt nicht in der Innenstadt und endet im Umland, es ist genau andersherum. Das gilt für die Region Hannover ebenso wie für Berlin und seine Außenbezirke und die angrenzenden Teile Brandenburgs. Wir brauchen auch eine höhere Taktung und faire Preise – nur, wenn die Alternativen gut sind, werden die Menschen umsteigen. Dazu tragen wir als Region gerne bei.

Kulturkampf vermeiden

Je länger man über die autoarme Innenstadt nachdenkt, desto klarer ist, dass es schon bei der Herangehensweise hakt. Es sollte eben nicht um die Autos gehen, sondern um die Menschen. Sätze wie „Wir geben den Menschen die Stadt zurück“ wirken für viele verhöhnend. Was soll das aussagen? Wer war denn bisher in den Städten unterwegs? Wer in Autos die Probleme von Innenstädten sieht, verschließt die Augen vor der Realität und macht ein wichtiges Thema zum Kulturkampf gegen das Auto.

Die Idee des Konzeptes ist gut, aber es endet, wo es eigentlich erst losgeht. Nämlich bei der Frage: Was passiert, wenn die Autos weg sind? Wofür wollen wir den Raum, den wir gewinnen, in Zukunft nutzen? Wir werden nur erfolgreich sein, wenn die Innenstädte deutlich an Attraktivität gewinnen und insgesamt neu gedacht werden – gemeinsam mit den Menschen, die die Stadt mitgestalten und allen, die in ihr leben.

Das Wichtigste: Es darf nicht zu einem Kulturkampf gegen das Auto verkommen. Es geht um Innenstädte, in denen sich Menschen gerne aufhalten und in denen sie ihren Interessen nachgehen können. Städte, in denen es ein vielfältiges gastronomisches Angebot gibt, schöne Flaniermeilen und Flächen zum Ausruhen und Verweilen sind. Wenn uns das mit vereinten Kräften gelingt, wird es ein Leichtes sein, die Menschen zu überzeugen, das Auto stehenzulassen.

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