Mineralische Rohstoffe stehen nun auch im Fokus politischer Debatten zur Sicherung unseres Wohlstandes. Auf der Jahres-Rohstoffkonferenz, Critical Raw Materials Week, der EU-Kommission im Dezember 2024 beschrieb der Präsident der EU-Innovationsplattform EIT Raw Materials, Bernd Schäfer, diesen Zusammenhang wie folgt: „Ein Versagen im Rohstoff-Sektor wird die gesamte industrielle Zukunft der EU aufs Spiel setzen“. Denn bei Kobalt, Kupfer und Co. handelt es sich um Metalle, die ganz entscheidend für den Erfolg der Energiewende und der Transformation der Industrien sind.
In den nächsten Jahren wird es daher zu den Aufgaben gehören, zu analysieren, welche Rohstoffe bis wann in welchen Industriesektoren der EU gebraucht werden. Einer dieser Sektoren ist der Luftverkehr. Um diesen bis 2050 im Einklang mit den europäischen Klimazielen CO2-neutral zu betreiben, müssen nachhaltige Luftfahrttreibstoffe (sogenannte Sustainable Aviation Fuels, kurz SAF) in großer Menge hergestellt und eingesetzt werden.
Um den Einsatz dieser voranzutreiben, gelten laut der ReFuel EU Aviation-Verordnung, in der EU seit diesem Jahr verpflichtende Beimischquoten. Das heißt, dass Bio- und E-Kerosin zu den fossilen konventionellen Düsentreibstoffen zugetankt werden müssen. Diese Quoten steigen bis 2050 stufenweise an. Trotz des garantierten Marktes nimmt die Produktion alternativer Luftfahrttreibstoffe nicht richtig Fahrt auf.
Das PtX Lab Lausitz hat nun in einer Studie zusammen mit dem DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. untersucht, welche mineralischen Rohstoffe für die Produktion von E-Kerosin, auch PtL-Kerosin genannt, gebraucht werden.
Verschiedene Verfahren können kombiniert werden
In der Studie identifizierten wir insgesamt 144 unterschiedliche Herstellungswege für das strombasierte Kerosin. Die große Zahl deutet an, dass es in der Produktionskette verschiedene Prozesse gibt, die alternativ hintereinandergeschaltet werden können. Dazu zählen unterschiedliche Elektrolysewege um Wasserstoff herzustellen, mehrere CO2-Abscheidetechnologien und die Wahl zwischen dem Fischer-Tropsch(FT)- und dem Methanol-to-Jet(MtJ)-Verfahren. Die im FT- oder MtJ-Reaktor neu zusammengesetzten Kohlenwasserstoffe ergeben nach einer Aufbereitung hauptsächlich E-Kerosin aber auch Rohbenzin und Diesel.
Aus Ressourcensicht greift die MtJ-Synthese auf die besser verfügbaren Rohstoffe Kupfer und Zink als Katalysatoren zurück, die FT-Synthese auf die kritischeren Metalle Kobalt und Platin. Allerdings gibt es auch FT-Synthesen mit dem gut verfügbaren Eisen als Katalysator. Als kritisch werden von der EU die Mineralien definiert, die von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sind und ein hohes Versorgungsrisiko aufgrund unsicherer Lieferketten mit sich bringen. So wird Iridium für die Polymerelektrolytmembran-Elektrolyse (PEM) genutzt, während die alternative alkalische Elektrolyse (AEL) auf dem unkritischeren Nickel basiert.
In der Studie betrachten wir neben der Kritikalität auch den gesamten Materialaufwand (Total Material Requirement, TMR), der bei der Förderung und Verarbeitung der notwendigen Rohstoffe entsteht. Dazu zählen die Erze für die Metallgewinnung genauso wie der Abraum, also das ungenutzte Material.
Kritikalität und Materialaufwand sind relevant
Den kleinsten TMR-Wert der untersuchten Varianten erzielt aus den 144 möglichen Herstellungswegen für E-Kerosin die Kombination aus der PEM-Elektrolyse mit der CO2-Gewinnung aus einer Bioethanolanlage und der MtJ-Synthese bei einem Produktionsvolumen von 500.000 Tonnen pro Jahr. Der gesamte Materialaufwand beträgt dann – immer noch – etwa zweieinhalb Tonnen pro Tonne E-Kerosin. Werden einzelne Schritte ausgetauscht steigt der Wert.
Wählt man etwa für die CO2-Gewinnung das Direct-Air-Capture(DAC)-Verfahren und kombiniert es mit einer AEL bei einem Produktionsvolumen von nur noch 10.000 Tonnen pro Jahr, dann sind etwa fünf Tonnen Material pro Tonne Kerosin notwendig. Der Unterschied zwischen der MtJ- und FT-Synthese ist bei den untersuchten Varianten noch der geringste.
Für die Bewertung des Rohstoffbedarfes müssen sowohl die Kritikalität der Metalle als auch der gesamte Materialaufwand, der entsteht, betrachtet werden. Im Moment stehen noch die Lieferrisiken im Vordergrund, da Europa bei vielen Metallen auf Importe aus wenigen Ländern wie beispielsweise China angewiesen ist. Dagegen sind die Umweltschäden aus dem Blick geraten, da sie in entfernt liegenden Bergbauländern entstehen. Die Geisteshaltung „Not in my backyard“ wird aber nicht mehr funktionieren. Schließlich soll sich mit dem Inkrafttreten des europäischen Kritischen-Rohstoff Gesetzes (Critical Raw Materials Act, CRMA) im letzten Jahr die Bergbauförderung und -verarbeitung in der EU ausweiten. Das wird erfahrungsgemäß zu Akzeptanzproblemen führen.
Kritisch sind vor allem Kobalt, Platin und Iridium
Um die RefuelEU Aviation-Quote zu erfüllen, müssen im Jahr 2050 mindestens fünf Millionen Tonnen E-Kerosin an deutschen Flughäfen zugetankt werden. Mit der ressourcenschonendsten Anlage bräuchte es für diese E-Kerosinmenge kumulativ, also die zugebauten Neuanlagen in den Jahren bis 2050 miteingerechnet, das Dreifache an Material: rund 16 Millionen Tonnen Rohstoffe inklusive Abraum.
Darunter sind viele Metalle, die gleichzeitig in anderen transformativen Industrien nachgefragt werden. Das könnte so die Studie zu Knappheiten unter anderem bei Kobalt, Platin und Iridium führen. Das PtX Lab Lausitz wird vertiefende Studien dazu initiieren.
Die Gesellschaft muss künftig neben der technologischen Machbarkeit und den Finanzierungshürden auch die Ressourcenrisiken beim Hochlauf der E-Kerosinproduktion bewerten. Außerdem wird sie sich um die Priorisierung der Nutzung der Produkte kümmern müssen. Letztlich zeigen internationale Szenarien, dass ohne eine Beschränkung der Menge an Flügen langfristig auch keine nachhaltige Gesellschaft möglich ist.