Standpunkte 6G wird zur Schlüsseltechnologie für Sicherheit und digitale Souveränität

6G soll ab 2030 eingeführt werden und verspricht bis zu hundertfach schnellere Übertragungsgeschwindigkeit als bisher. Deutschland hat beste Chancen, frühzeitig einen Spitzenplatz in diesem Geschäft einzunehmen, meint der Geschäftsführer des Projektträgers VDI/VDE-IT, Peter Dortans.
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Jetzt kostenfrei testenDer Mobilfunkstandard 6G ist weit mehr als nur der nächste Schritt nach 5G. Es geht nicht einfach nur um noch mehr Bandbreite. Es geht um eine völlig neue Stufe der digitalen Vernetzung. 6G wird zur Schlüsseltechnologie für Wirtschaft, Sicherheit und digitale Souveränität.
Deutschland hat in vielen Bereichen – Maschinenbau, autonome Mobilität, Medizintechnik sowie Künstliche Intelligenz (KI) – eine starke technologische Basis. 6G wird diese Bereiche entscheidend vorantreiben und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts deutlich stärken. 6G ermöglicht es, Daten in Echtzeit zu verarbeiten, Maschinen nahtlos zu vernetzen und dient als Plattform für KI-Dienste. Das eröffnet neue Geschäftsmodelle und sollte die digitale Souveränität Deutschlands stärken.
USA, China und Südkorea investieren Milliarden in 6G-Forschung
Der Wettbewerb ist hart. Die USA, China und Südkorea investieren Milliarden in 6G-Forschung. Wir in Deutschland verfügen mit Instituten wie dem Fraunhofer-Heinrich-Hertz-Institut, der TU München, der TU Kaiserslautern oder der TU Dresden über eine exzellente Forschungslandschaft. All diese Einrichtungen arbeiten bereits an 6G. Zudem haben wir eine starke mittelständische Industrie, die 6G für sich nutzen kann.
Deshalb: Wir müssen weiter in die Forschung investieren. Und: Wir sollten früh den Mittelstand einbinden, damit innovative Anwendungsfälle entstehen. Die enge Kooperation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft entscheidet darüber, wie wir uns erfolgreich als Innovationsführer positionieren können.
Trotz des Wettbewerbs sind alle Länder an einem gemeinsamen internationalen 6G-Standard interessiert, um Skaleneffekte zu nutzen. Die großen Hersteller von Netzkomponenten und Endgeräten treiben den Ausbau der notwendigen Infrastruktur am Ende voran. Nur über eine hohe Zahl an 6G-Endgeräten beziehungsweise 6G-Netzkomponenten lassen sich ausreichende Gewinne erzielen. Ein internationaler Standard schafft also gleichzeitig einen entscheidenden Anreiz für den Erfolg von 6G.
Davon profitiert der Endkunde, der ähnlich viel für seine Mobilfunkverträge und -geräte zahlen wird und sein Smartphone weiter weltweit nutzen kann. Deutschland steht in engem Kontakt mit der Europäischen Union und internationalen Partnern wie Japan, um die Vision eines gemeinsamen 6G-Standards zu fördern.
Es braucht starke Stimme in Standardisierungsgremium
Bilaterale Abkommen, wie zwischen den USA und Finnland aus dem Jahr 2023, sollen negative Abhängigkeiten in der Lieferkette, wie wir sie während der Corona-Pandemie erlebt haben, vermeiden. Die aktuelle geopolitische Lage zeigt: Wir als Europa tun gut daran, in europäische Alternativen und vertrauenswürdige Netzwerkkomponenten „made in Europe“ zu investieren, um weder von China noch von den USA abhängig zu sein.
Die veränderten Bedingungen stehen allerdings nicht im Gegensatz zu einem globalen 6G-Standard. Unternehmen aus verschiedensten Ländern kommen in dem Standardisierungsgremium Third Generation Partnership Project (3GPP) zusammen, um einen gemeinsamen 6G-Standard zu spezifizieren. Hier sollten wir als Europa mit unseren Wertepartnern mit einer starken, geschlossenen Stimme sprechen, um wichtige Standards zu setzen.
6G in Deutschland
Vier Punkte sind aus deutscher Sicht kritisch:
- Netzausbau: Denn ohne leistungsfähige Infrastruktur kann 6G seine Potenziale nicht entfalten.
- Cybersicherheit und Resilienz: Denn mit 6G entstehen neue Angriffspunkte für Cyberkriminalität und Spionage.
- Fachkräftemangel: Es fehlt an Ingenieur*innen und IT-Experten*innen, die die Technologien entwickeln und einsetzen.
- Bei der Nutzung von 5G in der Industrie haben wir gelernt, dass sowohl ein funktionaler Mehrwert als auch der Return-on-Investments für die industrielle Nutzung klar ersichtlich sein sollten.
Die Bundesregierung hat mit Förderprogrammen, insbesondere den 6G-Forschungs-Hubs, den 6G-Industrieprojekten und der 6G Platform Germany bereits wichtige Impulse gesetzt. Aber es muss mehr passieren – vornehmlich eine engere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.
Besonders profitieren von 6G können Unternehmen aus den Sektoren Industrie 4.0, Automatisierung und Logistik. Mit 6G können Menschen und Maschinen in Echtzeit kommunizieren. In der Medizintechnik ermöglicht 6G Telechirurgie mit extrem niedriger Latenz. Jede Millisekunde Verzögerung oder Fehler bei einer Übertragung können hier über Leben und Tod entscheiden. Auch der Landwirtschaft bieten 5G und 6G neue Möglichkeiten, durch Sensoren Pflanzen zu überwachen oder (teil-)autonome Landmaschinen einzusetzen.
Chancen und Risiken für die Cybersicherheit
Die zunehmende Vernetzung durch 6G und die zu erwartende Cloud-Architektur macht Cybersicherheit zu einer noch größeren Herausforderung. Wenn Milliarden von Geräten miteinander kommunizieren, entstehen neue Angriffsflächen für Kriminelle und feindliche Staaten. Herkömmliche Verschlüsselungsmethoden könnten durch Quantencomputer entschlüsselt werden, weshalb wir auf Post-Quantum-Kryptografie umsteigen müssen.
Zudem brauchen wir eine teils selbstorganisierende Netz-Architektur, die Sicherheitsvorfälle erkennt. Die gute Nachricht ist: 6G macht im gleichen Zuge sicherere Kommunikation im Netz möglich. Die vollständige Kontrolle über unser Netz haben wir jedoch nur, wenn wir auf vertrauenswürdige Netzkomponenten aus Europa und anderen Wertepartnern setzen.
Revolution für die militärische Kommunikation
6G wird auch die Kommunikation in militärischen und sicherheitskritischen Bereichen revolutionieren. Der Standard ermöglicht eine nahezu verzögerungsfreie Steuerung autonomer Systeme, sei es in der Luft, an Land oder im Wasser. KI und sensorische Fähigkeiten des 6G-Netzes können in Echtzeit Bedrohungen wie Spionagedrohnen erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten.
Die östlichen Bundesländer haben sich in den vergangenen Jahren in weiten Teilen zu einem Hightech-Standort entwickelt. Dresden ist mit dem 5G Lab Germany, der TU Dresden und der starken Halbleiterindustrie eine führende Region in der Mobilfunkforschung und Start-up-Schmiede. Leipzig treibt Smart-City- und Mobilitätsprojekte voran, auch in Sachsen-Anhalt gibt es innovative Unternehmen in der Mikroelektronik.
Durch gezielte Investitionen kann die Region eine bedeutende Rolle in der 6G-Entwicklung einnehmen und in eine Schlüsseltechnologie investieren. Nutzen wir unsere Chance!
Peter Dortans, Jahrgang 1962, schloss sein Studium der Betriebswirtschaftslehre in Köln 1988 als Diplomkaufmann ab. Ab 1989 war er jahrelang in verschiedenen Positionen für Esso in Deutschland und den Benelux-Ländern tätig. Seit 1999 ist er Geschäftsführer der VDI/VDE-IT. Der Projektträger veranstaltet am Montag, den 19. Mai, auch eine Paneldiskussion zu 6G in Bad Saarow.
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