Die Corona-Pandemie hat uns die Bedeutung der digitalen Verwaltung auf sehr drastische Weise vor Augen geführt. Wenn Behörden und Ämter geschlossen bleiben, um Kontakte zu reduzieren, sind digitale Prozesse oft der einzige Weg, um das Funktionieren der Verwaltung aufrecht zu erhalten.
Für viele Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen ist es augenblicklich existentiell, dass Verwaltungsleistungen erbracht werden. Es kommt darauf an, notleidenden Unternehmen schnell und unbürokratisch Sonderkredite zukommen zu lassen, um sie vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren. Das gleiche gilt für Ausgleichszahlungen für tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der aktuellen Situation ihrem Beruf nicht nachgehen können. Es ist unsere politische Pflicht, die Arbeit der Verwaltung mit allen möglichen Mitteln zu unterstützen. Und dazu gehören ganz wesentlich flächendeckende, digitale Angebote und eine leistungsstarke IT-Infrastruktur.
Denn vollständig digitale Prozesse haben in Zeiten wie diesen drei wesentliche Vorteile. Erstens können Berechtigte ihre Anträge jederzeit selbständig und ortsunabhängig über das Internet stellen und setzen sich und die Behördenmitarbeiter damit keinerlei Ansteckungsgefahr aus. Zweitens können viele Bearbeitungsschritte automatisiert und damit deutlich schneller erfolgen. Und drittens können auch die Mitarbeiter der Verwaltung die Bearbeitung von Anträgen ortsunabhängig, nämlich bei Bedarf aus dem Home Office heraus erledigen, so wie es angesichts der aktuellen Kontaktbeschränkungen und Abstandsgeboten erforderlich ist und schon jetzt in den meisten Fällen funktioniert.
Krisen erfordern schnelles und entschlossenes Handeln. Corona zwingt uns, die Chance der Digitalisierung zu ergreifen. Denn wir haben gar keine andere Wahl. Nur mit Hilfe der schnellen, umfassenden Digitalisierung sämtlicher Verwaltungsleistungen können wir Deutschland am Laufen halten und für künftige Krisen besser aufstellen.
Corona hat auch für die OZG-Umsetzung wie ein Katalysator gewirkt. Wir haben in den Digitalisierungsprogrammen sofort reagiert und gesundheits- und krisenrelevante Leistungen mit höchster Priorität digitalisiert. Prozesse, die vorher Monate dauerten, konnten wir nun in wenigen Wochen realisieren.
Drei Beispiele für rasche Verwaltungsdigitalisierung:
- Innerhalb von vier Wochen haben wir ein Online-Verfahren für völlig neue Leistungen auf die Beine gestellt. Die „Corona-Entschädigungen für Arbeitgeber und Selbstständige“ wurde in einem Express-Labor digitalisiert. Wer unter Quarantäne gestellt wird oder wegen einer eigenen Infektion nicht arbeiten darf und kann erhält nach § 56 des IfSG Entschädigung für seinen Verdienstausfall, auch bei Kita- oder Schulschließungen. Seit Mai sind Anträge online möglich.
- Der Online-Antrag für das Arbeitslosengeld II wurde ebenfalls beschleunigt fertig gestellt. Seit Juni können alle 104 kommunalen Jobcenter ein Verfahren nutzen, das in Niedersachen und Hessen entwickelt wurde. Damit werden sowohl die kommunalen Jobcenter als auch Millionen von Antragstellenden entlastet.
- Seit Juni ist zudem der Antrag auf Corona-Überbrückungshilfe online möglich. Kleine und mittelständische Unternehmen können beim Bund eine Corona-bedingte Liquiditätshilfe beantragen. Diese Leistung wurde als Teil des Konjunkturpakets beschlossen und ebenfalls in wenigen Wochen digitalisiert.
Digitalisierungsschub muss zum nachhaltigen Nutzen werden
Diese Beispiele sind Ausdruck einer veränderten Einstellung, auch in der gesamten Gesellschaft. In der Krise ist Digitalisierung kein „nice-to-have“, sondern ein „must have“. Jetzt kommt es darauf an, diesen Digitalisierungsschub in einen nachhaltigen Nutzen zu überführen.
Markus Richter ist seit Mai Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik (Bundes-CIO). Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) war er Vizepräsident und zuvor CIO und Abteilungsleiter für Infrastruktur und IT.
Am Creative Bureaucracy Festival spricht er heute über seinen Neun-Punkte-Plan und stellt sich anschließend den Fragen von Tagesspiegel Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron.