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Standpunkte Die Cybernation braucht eine Allianz zwischen Staat und Wirtschaft

Rebecca Beigel, Expertin für Cyber Capacity Building & Ferdinand Gehringer, KAS
Rebecca Beigel, Expertin für Cyber Capacity Building & Ferdinand Gehringer, KAS Foto: PD - Berater der öffentlichen Hand GmbH | privat

Deutschland soll zur Cybernation werden. Mit der Allianz für Cyber-Sicherheit (ACS) hat das BSI eine Plattform geschaffen, die den Informationsaustausch zwischen dem öffentlichen Sektor und Unternehmen ermöglichen soll. Von einer vertrauensvollen Allianz zwischen Staat und Wirtschaft sei man aber noch weit entfernt, argumentieren Rebecca Beigel und Ferdinand Gehringer.

von Rebecca Beigel und Ferdinand Gehringer

veröffentlicht am 02.12.2024

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Deutschland soll zur Cybernation werden, wie es die Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Claudia Plattner immer wieder betont (Tagesspiegel Background berichtete). Seither wird dieses Bild in Diskussionen über die Cybersicherheit in Deutschland aufgegriffen.

Cybernation klingt ein wenig so, als sollen alle mitwirken, als sei es ein Projekt der Gemeinschaft; es klingt nach etwas Inklusivem und Partizipativem. So manch einer dürfte eventuell beim erstmaligen Hören eine eigene Vorstellung entwickelt haben, was das denn bedeuten kann (Tagesspiegel Background berichtete).

Mehr Kooperationen zwischen Staat und Wirtschaft notwendig

Ein zentrales Element auf dem Weg zur Cybernation ist die staatliche Cybersicherheitsarchitektur Deutschlands. Diese muss durch effektive Strukturen, klar definierte Schnittstellen und eine präzise Kooperationsstrategie optimiert werden. Um die Sicherheit und Resilienz angesichts der Bedrohungslage im Cyberraum zu verbessern, sind sektor- und ressortübergreifende Kooperationen, unter anderem zur Bündelung von Ressourcen und zum Austausch von Informationen, unumgänglich. Es braucht nicht nur mehr Kooperation innerhalb der staatlichen Strukturen, sondern vor allem auch eine vertrauensvolle Allianz zwischen Staat und Wirtschaft.

Allianz für Cybersicherheit als Public-Private-Partnership-Modell

Mit der Allianz für Cybersicherheit (ACS) hat das BSI eine Plattform geschaffen, die den sektorübergreifenden Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Institutionen des öffentlichen Sektors, Unternehmen und anderen Organisationen ermöglicht. Teilnehmende Institutionen können über die ACS ihre Cybersicherheitskompetenzen ausbauen und ihr Netzwerk erweitern. Alle deutschen Organisationen haben kostenlosen Zugang. Sie ermöglicht einen einfachen Informations- und Erfahrungsaustausch durch ein inklusives Modell, skalierbare Partizipationsmöglichkeiten und staatliche Unterstützung, fördert den Wissensaufbau und erweitert das Know-how, besonders bei kleineren Mitgliedern.

Die ACS spricht Institutionen aller Art an, darunter zivilgesellschaftliche und universitäre Einrichtungen, große Verbände, DAX-Unternehmen und Kleinstunternehmen. Für kleinere Organisationen bietet sie einen unverbindlichen Einstieg in die IT- und Cybersicherheit. Mitglieder können auf BSI-Informationen zugreifen, sich als Partner engagieren und als Multiplikatoren fungieren. ACS bietet spezielle Expertenkreise für gezielten Austausch. Die Mitgliedschaft kann je nach Interesse und Ressourcen angepasst werden. Das BSI nutzt die ACS als Kommunikationskanal und bietet über verschiedene Formate wie Podcasts, Konferenzen und Newsletter gezielte Informationen an. Die ACS ist im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik angesiedelt, was den Mitgliedern Zugang zu staatlichen Informationen und Ansprechpartnern im BSI ermöglicht, besonders relevant für KMUs und unerfahrene Institutionen im Bereich Cybersicherheit.

Eine noch ausbaufähige Allianz

Klingt nach viel Teilhabe, Mitwirkung, danach, dass jeder mitmachen kann, also irgendwie so ein bisschen schon nach Cybernation? Allerdings fehlt da noch einiges.

Zwar sind mit circa 8000 Mitgliedern schon eine große Zahl von Unternehmen, Organisationen und Einrichtungen vertreten, doch längst noch nicht alle Bereiche, sodass man nicht von einer Allianz DER Wirtschaft und DEM Staat sprechen kann. Demnach sollte die ACS in bisher unerschlossenen Branchen proaktiv neue Mitglieder gewinnen. Durch zielgruppengerechte Werbeformate und Kontaktaufnahmen auf branchenüblichen Messen und Konferenzen kann dies gelingen.

Zudem muss der Austausch weiter verstetigt werden. Bisher wirkt die ACS eher wie ein einseitiger Kommunikationskanal, in dem die Mitglieder größtenteils passiv Inhalte konsumieren, die zu spät für die Bedarfe der meisten Mitglieder geteilt werden. Durch ein Anreizmodell für die aktivere Beteiligung bspw. über außenwirksame Auszeichnungen (z.B. beim IT-Sicherheitskongress) oder einen Partnerstatus und die Teilnahme an BSI-Übungen zur Netzverteidigung kann die Interaktivität und Verbindlichkeit der Teilhabe gesteigert werden.

Mehr Möglichkeiten der Partizipation

Außerdem sollten die Feedback-Prozesse für Mitglieder weiter professionalisiert werden. Über ein mögliches Bewertungstool mit vorgegebenen Feedbackoptionen könnten Mitglieder im Nachgang ihre Zufriedenheit bei der Nutzung konkreter Informationsangebote oder Dienstleistungen angeben. Die Bedarfe der Mitglieder könnten systematischer erfasst werden und so Interessen von teilnehmenden Institutionen zielgerichteter adressiert werden – zum Beispiel könnte eine skalierbare Suchfilterfunktion mit Schlagwortkategorien den Grad der Individualisierung auf der ACS-Website erhöhen. Diese Maßnahmen steigern das partizipative Element und würden auch ein weiterführendes Interesse des BSI am stetigen Ausbau und der Verbesserung der ACS untermauern. Zudem wäre eine zumindest partielle Integration oder Verknüpfung des Information Sharing Portals bzw. seiner Inhalte mit der ACS wünschenswert, um Doppelangebote und -strukturen zu verhindern.

Noch ist die ACS keine Allianz zwischen Wirtschaft und Staat, doch kann sie es werden. Sie hat das Potenzial zum Vorreiter einer vertrauensvollen und engen Zusammenarbeit, zu einem Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Staat. Denn ohne eine effiziente und starke Public-Private-Partnership wird Deutschland nicht zur Cybernation.

Rebecca Beigel ist Senior Consultant bei der PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH. Sie betreut Projekte im Geschäftsbereich Strategische Verwaltungsmodernisierung mit dem Schwerpunkt öffentliche Sicherheit und Cybersicherheit. Zuvor war sie als Projektleiterin und Projektmanagerin bei der Stiftung Neue Verantwortung e. V. (jetzt Interface) tätig und mit Projekten und Aufgaben im Bereich Cyber Capacity Building und deutscher Cybersicherheitspolitik betraut. Die in diesem Beitrag geäußerten Ansichten und Meinungen sind ausschließlich die privaten Meinungen der Autorin Rebecca Beigel und repräsentieren in keiner Weise die Positionen oder Meinungen ihres aktuellen Arbeitgebers.

Ferdinand Gehringer ist sicherheitspolitischer Berater bei der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Jurist und zertifizierter Mediator. Er berät Politikerinnen und Politiker aus dem Deutschen Bundestag und dem Europäischen Parlament sowie internationale Organisationen und Regierungen vor allem zu Cyber- und Informationssicherheit, hybriden Bedrohungen und dem Schutz kritischer Infrastrukturen.

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