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Standpunkte Firmen sollen mehr wiederaufbereitete IT-Geräten nutzen

Alexander Jauns, Geschäftsführer der Green IT Solution GmbH
Alexander Jauns, Geschäftsführer der Green IT Solution GmbH Foto: Felix Finger/PromoData Gmbh

Mit dem „Right to Repair”-Gesetz macht die EU einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Ein entscheidender Hebel bleibt dabei aber noch ungenutzt, findet Alexander Jauns, Geschäftsführer von Green IT Solution. Auch Unternehmen sollten mehr dazu angeleitet werden, verantwortungsbewusst mit ihrer IT-Hardware umzugehen.

von Alexander Jauns

veröffentlicht am 03.12.2024

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62 Millionen Tonnen – so viel Elektroschrott ist allein im Jahr 2022 weltweit entstanden. Die Zahlen aus dem aktuellen „Global E-waste“-Monitor der Vereinten Nationen sind erschreckend. Damit hat die Menge an jährlich produziertem Elektroschrott einen traurigen Rekord erreicht. Zum Abfall zählt alles, was einen Stecker oder Batterien benötigt; auch ausrangierte IT-Hardware trägt also einen entscheidenden Teil zum steigenden Müllberg bei.

Diesem Problem hat sich die Europäische Union inzwischen angenommen. Im April dieses Jahres hat das Europäische Parlament das „Right to Repair“ verabschiedet. Seit 1. Juli 2024 ist diese Richtlinie nun in Kraft. Damit sind die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht zu überführen. Das Recht auf Reparatur soll dazu beitragen, dass es für Verbraucherinnen und Verbraucher künftig einfacher ist, technische Geräte reparieren zu lassen. Weist ein Elektrogerät beispielsweise innerhalb von zwei Jahren nach dem Kauf in der EU einen Mangel auf, kann eine Person vom Verkäufer die Reparatur oder den Austausch des Gerätes verlangen. Wenn beides nicht möglich ist, muss der Kaufpreis erstattet werden.

Aber auch bei Geräten, deren Frist für die gesetzliche Gewährleistung bereits abgelaufen ist, sieht die Richtlinie nun ein Recht auf Reparatur vor. Dieses Recht richtet sich entweder an den Hersteller oder – wenn dieser keinen Sitz in der EU hat – an den Importeur der Ware. Wie lange diese Reparaturpflicht je Gerät gilt, ist allerdings von Produkt zu Produkt unterschiedlich. Darüber hinaus soll es in Zukunft eine europäische Online-Plattform geben, mit deren Hilfe Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU Werkstätten und Reparaturcafés finden können.

Herstellung von IT-Geräten sehr CO2-intensiv

Aus meiner Sicht ist die EU-Richtlinie zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Gegenüber den nachfolgenden Generationen ist es einfach unverantwortlich, wenn wir nichts gegen die seit Jahren steigende Menge an Elektroschrott unternehmen. Leider greift das Gesetz für meinen Geschmack aber trotzdem noch zu kurz. So gilt die Richtlinie nicht für Geräte, die als „wasserdicht“ eingestuft werden. Inzwischen ist es aber so, dass beispielsweise viele Hersteller ihre Smartphones als wasserdicht ausweisen. Mit der Ausnahme im Gesetz muss befürchtet werden, dass auch Hersteller von Laptops und anderen Geräten dieses Schlupfloch nutzen werden, um mit dem Label „wasserdicht“ die Reparaturpflicht zu umschiffen.

Außerdem sieht die Richtlinie lediglich die Reparatur und den Austausch von Batterien in Elektrogeräten vor und das obwohl in vielen Handys oder Laptops viele weitere Komponenten verbaut sind, die ebenso verpflichtend ausgetauscht werden sollten. Dazu zählen zum Beispiel RAM, Datenträger und Prozessoren wie GPU und CPU. Würden auch diese Teile künftig im Rahmen einer Reparatur ersetzt, würde das den Lebenszyklus der Geräte entscheidend verlängern.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Recyclingfähigkeit von Batterien. Leider wird dieses Thema im „Right to Repair“-Gesetz so nämlich noch nicht behandelt. Dabei enthalten Batterien wertvolle und seltene Metalle wie Lithium, Kobalt oder Nickel, die erstens nicht unbegrenzt verfügbar sind und die deshalb zweitens umso mehr geschützt werden sollten. Dafür ist es wichtig, dass die EU entsprechende Anreize schafft, um die Sammlung und das Recycling von Altbatterien zu fördern. So sieht es auch der Bundesverband Nachhaltig Wirtschaften.

Refurbishment birgt großes Potenzial

Ich will außerdem gerne noch einen Schritt weitergehen. Denn so gut es ist, dass mit der EU-Richtlinie – bei allen Lücken, die sie noch aufweist – immerhin schon mal ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, wie wir verantwortungsbewusst mit unseren Elektrogeräten umgehen können, so lässt das Gesetz einen entscheidenden Hebel noch außen vor: das Potenzial von wiederaufbereiteten IT-Geräten für Unternehmen.

Selbst jedes kleinste Unternehmen nutzt heutzutage oft eine ganze Reihe an IT-Geräten: von Smartphones angefangen über Laptops bis hin zu Servern. All diese IT-Hardware lässt sich mit Hilfe eines standardisierten und zertifizierten Prozesses nach einer gewissen Nutzungsdauer wieder so aufbereiten, dass ihr ein zweites Leben geschenkt wird. Möglich wird das durch das sogenannte „Refurbishment“. Dabei werden die IT-Geräte äußerlich und innerlich je nach Zustand wieder so flottgemacht, dass sie entweder sogar wie neu sind oder zwar Gebrauchsspuren aufweisen, trotzdem aber noch funktionstüchtig sind.

Pfandsystem für wiederaufbereitete IT-Geräte?

Unternehmen, die sich alle paar Jahre neue Laptops und Smartphones anschaffen, können ihre ausrangierte IT-Hardware refurbishen lassen und sorgen so ebenfalls dafür, dass die Kreislaufwirtschaft in der IT-Branche gestärkt wird. Dass ein zirkuläres Wirtschaften dringend nötig ist, zeigt auch der Digital Economy Report 2024 der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD). Demnach machen die Produktion und die Nutzung digitaler Geräte zwischen sechs und zwölf Prozent des globalen Stromverbrauchs aus.

Die Auswirkungen davon sind insbesondere für Entwicklungsländer verheerend, schließlich liefern sie vor allem die Rohstoffe für digitale Technologien zu. In Folge bekommen sie nicht nur die Umweltbelastungen durch den Rohstoffabbau zu spüren, sondern müssen auch noch den digitalen Abfall handeln, den sie von den Industrienationen wieder zugeliefert bekommen.

Was wir deshalb brauchen, ist ein grundsätzliches Umdenken in Unternehmen – nämlich weg von einer linearen Wirtschaftsweise, die rein auf Produktion und Entsorgung ausgelegt ist, hin zu einer zirkulären Wirtschaftsweise. Das Refurbishment von ausrangierten IT-Geräten zahlt genau darauf ein, denn durch die Wiederaufbereitung der Hardware wird gezielt eine bewusstere Konsumkultur in Unternehmen gestärkt. Leider nutzen aktuell aber noch viel zu wenige Firmen diese Möglichkeit. Zum Teil haben sie die Sorge, ihre Daten könnten nicht vollständig von den IT-Geräten gelöscht werden. Das ist aber falsch, denn ein ISO-zertifizierter Refurbishment-Prozess garantiert eine absolut revisionssichere Löschung der Daten.

Dieses Potenzial müssen wir endlich ausschöpfen. Denkbar wäre dafür etwa eine Art Pfandsystem für Firmen-IT-Geräte. Jedes Unternehmen, das seine gebrauchten Laptops wiederaufbereiteten lässt, würde standardisiert einen Betrag X zurückerhalten. So könnte jede Firma immer noch selbst entscheiden, wie sie mit dem Thema umgeht. Gleichzeitig erhielte die Möglichkeit des Refurbishments aber endlich die Aufmerksamkeit, die wir so dringend für eine verbreitete Circular Economy benötigen.

Alexander Jauns ist Geschäftsführer der Green IT Solution GmbH, einem IT-Dienstleister aus Inning am Ammersee, der Unternehmen ganzheitlich bei ihrem Umgang mit gebrauchter IT-Hardware unterstützt.

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