Des einen Leid ist des anderen Freud. Während Millionen Menschen insbesondere in den ländlichen Gebieten den Glasfaserausbau herbeisehnen, ist die Vorstellung zahlloser Breitbandbaustellen in Deutschland für viele ein Szenario, das Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Insbesondere die kommunalen Bauämter sehen häufig argwöhnisch auf den Glasfaserboom, der über Deutschland hereingebrochen ist und die nächsten Jahre anhalten wird.
Klar ist: Um das Tempo des Ausbaus der digitalen Infrastruktur in Deutschland zu halten oder gar noch weiter zu beschleunigen, müssen zahlreiche Herausforderungen gemeistert werden. Es gilt, Defizite bei der Verwaltungsdigitalisierung aufzuholen, die Überförderung des Glasfaserausbaus zu vermeiden, den Fachkräftemangel zu beheben – und nicht zuletzt die Engpässe bei den erforderlichen Tiefbauarbeiten zu bewältigen. Letztere machen etwa 80 Prozent der Investitionskosten aus und erhöhen diese stark in einem generell überhitzten Markt.
Ausbauziele sind mit Tiefbauarbeiten allein nicht erreichbar
Würde man Deutschland allein mit konventionellem Tiefbau, also in offener Grabenbauweise mit einer Tiefe von mindestens 60 Zentimetern erschließen wollen, wären die Ziele der Bundesregierung (bis zum Jahr 2030 soll es flächendeckend Glasfaser bis zum Haus geben) aus der im Juli veröffentlichten Gigabitstrategie nicht erreichbar und würden um etliche Jahre verfehlt.
Die dringend notwendige Digitalisierung in allen Bereichen funktioniert nur mit einer leistungsfähigen und allen gleichermaßen zur Verfügung stehenden Infrastruktur. Ein weiteres Zurückfallen kann sich Deutschland nicht leisten. Die Lösung ist der konsequentere Rückgriff auf sogenannte alternative Verlegetechniken – so will es auch die Bundesregierung in besagter Gigabitstrategie.
Konkret gemeint sind damit etwa das Kabelpflugverfahren, grabenlose Verlegemethoden wie Erdraketen und Spülbohrungen, diverse Säge-, Schleif- und Fräsverfahren (Trenching) und nicht zuletzt die oberirdische Verlegung der Glasfaserleitungen über Masten. Geht es nach der Regierung, müssten diese Verfahren viel häufiger in der Praxis eingesetzt werden.
Weniger Kosten, weniger Lärm bei alternativen Verlegemethoden
Allen Methoden ist gemein, dass sie den Glasfaserausbau deutlich beschleunigen können. In gleicher Zeit kann ein Vielfaches an Strecke bei bis zu 80 Prozent geringeren Kosten zurückgelegt werden. Im Vergleich zum konventionellen Tiefbau werden Feinstaub und Lärm vermieden, Beeinträchtigungen für Verkehr, Anwohner und Umwelt sowie die CO2-Emissionen sind in der Bauphase geringer. Zudem braucht es bei alternativen Verlegemethoden oft nur ein Viertel der Arbeitskräfte.
Wo liegen also die Probleme?
- Ein relativ kleiner Teil der Baubranche engagiert sich beim Glasfaserausbau und verfügt über die notwendige Erfahrung. Die vielen lokalen Einzelbaustellen sind für die großen Baukonzerne häufig uninteressant.
- Viele Kommunen lehnen simple Lösungen wie den Anschluss entlegener Gehöfte über oberirdische Masten – von denen allein die Deutsche Telekom über 3 Millionen Stück unterhält – kategorisch ab. Stattdessen bemühen sie sich aus Gründen der Landschaftsästhetik und Wartungsfreiheit darum, solche oberirdischen Leitungen rückzubauen. Andere Länder sind uns unter anderem deswegen digital weit voraus, weil sie Glasfasern deutlich pragmatischer ausgerollt haben.
- Innovative Verlegetechniken erfordern, sich mit neuer Ausrüstung auseinanderzusetzen. Der jahrzehntelange Fokus auf konventionellen Tiefbau lässt so manches Bauunternehmen zweifeln, ob diese Investitionen notwendig sind – zumal Fachkräfte weiterhin Mangelware und Aufträge aus anderen Branchen genügend vorhanden sind.
- Die Bauindustrie und deren Interessenverbände werden nicht müde, die neuen Verfahren als Flickwerk, Hauruck-Verfahren oder Billig-Lösungen zu diffamieren und etwa dem Trenching eine vermeintlich höhere Mängelanfälligkeit nachzusagen. Kommende Merkblätter und Normen des DIN – wichtig für die Bauämter vor Ort – drohen aufgrund dieses Einflusses zu scheitern.
- Auch deswegen scheinen sich viele Ordnungsbehörden und Bauämter gegen alternative Verlegetechniken zu sträuben. Häufig ist das Erdreich allerdings schlichtweg voll mit Gas-, Wasser- und Stromleitungen. Denn die öffentliche Hand hat es früher versäumt, dezidierte Trassen für eine zukunftsfähige Digitalinfrastruktur vorzusehen und will nun keine Glasfaserleitungen darüberlegen lassen.
Fakt ist: Durch das Ende 2021 überarbeitete Telekommunikationsgesetz (TKG) wurden die Möglichkeiten des Einsatzes alternativer Verlegetechniken vom Gesetzgeber abermals ausgebaut. Wohlwissend um die Vorbehalte, die in den Amtsstuben diesen gegenüber herrschen. So ist bei den oben genannten Freileitungen der Kostenvorteil und Beschleunigungsaspekt bei einer Ermessensentscheidung der Kommune zwingend zu berücksichtigen.
Regeln und Vorsätze des Bundes kommen nicht in Kommunen an
Diese Regeln kommen aber vor Ort häufig nicht an – wie zahlreiche weitere Vorgaben, die so manche Kommune wiederum mangels Ressourcen in der Umsetzung schlichtweg überfordern. Dazu gehört zum Beispiel, eine Glasfaserkabel- und Leerrohr-Mitverlegung durch die Kommune in einem Neubaugebiet sicherzustellen. Der Föderalismus, die mehrgliedrigen Kommunalebenen und das Recht auf kommunale Selbstverwaltung werden abermals zum Hemmschuh der Digitalisierung.
Niemand braucht sich zudem vor ausländischen Bautrupps und einem qualitativ minderwertigen Ausbau sorgen. Die Arbeiter haben viel Erfahrung beim Glasfaserausbau in ihren Heimatmärkten gesammelt und bedienen hochtechnisierte Gerätschaften. Damit ist der Einsatz alternativer Techniken auch kein „Neuland“, sondern für Millionen Anschlüsse im Ausland die bewährte Regelbauweise. Diese Erkenntnisse und die ganz überwiegend guten Erfahrungen sollten entscheidend sein und nicht das Pochen auf eine DIN oder einen möglichen Entschädigungsfond bei Schäden an den kommunalen Infrastrukturen, der das Scheitern bereits impliziert.
Es bedarf jetzt eines Rucks bis runter in die kommunalen Verwaltungen, um die Herkulesaufgabe Glasfaserausbau in der gebotenen Geschwindigkeit zu bewältigen. Nur mit dem Willen der Akteure vor Ort kann die Aufholjagd gelingen.
Frederic Ufer ist seit Mai 2022 zweiter Geschäftsführer beim Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). Zuvor leitete er seit Juli 2007 den Bereich Recht und Regulierung des Verbandes.