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Digitalisierung & KI

Standpunkte Verteidigungsfähigkeit neu denken

Sven Weizenegger, Leiter des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw)
Sven Weizenegger, Leiter des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw)

Mehr Mut zur Innovation, offene Schnittstellen, softwarezentriertes Denken – drei zentrale Verbesserungen, die 2025 das Denken über die Modernisierung der Bundeswehr bestimmen sollten, fordert Sven Weizenegger. Doch auch bei Struktur und Mittel erkennt der Leiter des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) Nachholbedarf.

von Sven Weizenegger, Leiter des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr

veröffentlicht am 03.01.2025

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Die jüngsten Landtagswahlen haben gezeigt, wie schwierig die Mehrheitsbildung in unserem Land geworden ist. Das Parteien- und damit auch das Meinungsspektrum sind so weit gespreizt, dass es mitunter unmöglich scheint, die unterschiedlichen Interessen auszugleichen. Dabei ist es genau das, was uns als Gesellschaft, als Land und als Europa stark macht: Die Einigung auf einen gemeinsamen Kurs, das Besinnen auf gemeinsame Werte und Ideale.

Darauf sollten wir uns und sollte sich die neu zu wählende Regierung im nächsten Jahr fokussieren. Denn wir stehen vor tiefgreifenden geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Dass wir auch weiterhin günstige Energie haben werden, ist fraglich. Selbiges gilt für die Frage, ob unsere exportbasierte Wirtschaft den Wohlstand weiterhin sichert. Und auch der bisher als selbstverständlich wahrgenommene Schutz durch die Nato ist keineswegs mehr so sicher, wie lange Jahre angenommen. Die politischen Unsicherheiten in den USA stellen die militärische Handlungsfähigkeit der Nato aktuell infrage. Darauf muss die nächste Regierung reagieren: Sie muss deutlicher in unsere Verteidigungsfähigkeit investieren. Damit wir unabhängiger werden. Damit wir selbstständiger werden.

Innovation spielt dabei eine zentrale Rolle. Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) ist als Schnittstelle zwischen Bundeswehr, Start-ups und Politik entscheidend, um zivile sowie militärische Technologien und Produkte in die Truppe zu bringen und so die Siegfähigkeit zu erhöhen. Wir bringen Agilität und Kreativität in die hochregulierte Verteidigung und übersetzen neue Technologie in militärische Anwendungen. Allerdings können wir unsere volle Wirkung noch nicht entfalten. Wenn wir die Bundeswehr im Schulterschluss mit dem Bundesverteidigungsministerium und dem Startup-Ökosystem zu einer modernen Armee ausbauen wollen, benötigen wir eine andere finanzielle Ausstattung.

Soldat:innen zu Innovator:innen machen

Ein wichtiger Ansatz zur Modernisierung der Bundeswehr ist, in der Truppe gezielt die Innovatoren zu identifizieren, die Ideen zur Lösung aktueller militärischer Herausforderungen haben. Wir müssen ihre Ideen prüfen, iterativ weiterentwickeln und in konkrete Projekte umsetzen, mit denen wir die Siegfähigkeit der Truppe erhöhen. Ein Werkzeug dafür ist unser „Intrapreneurship-Programm“, das Soldatinnen und Soldaten niederschwellig die Möglichkeit gibt, ihre Ideen einzubringen und umzusetzen.

Wir geben ihnen in unseren Workshops die nötigen Werkzeuge an die Hand, um erfolgreich zu sein. Wir schulen sie zum Thema „Design Thinking“, und wir unterstützen sie auf ihrem kompletten Weg als Bundeswehr-Innovator:innen. Im Moment konzentriert sich dieses Programm noch ausschließlich auf den Cyber Innovation Hub in Berlin. Mit sogenannten „Spark Cells“ sollte das Programm auch in den Streitkräften verankert werden, um die Handlungsfähigkeit der Truppe nachhaltig zu stärken. Auch dafür müssten allerdings die Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Offene Schnittstellen ermöglichen

Ein weiterer wesentlicher Punkt für das Jahr 2025 ist die Entwicklung softwarezentrierter Verteidigungssysteme. Wir brauchen einen regelrechten Paradigmenwechsel hin zu einer „Software Defined Defence“. In einem zunehmend gläsernen Gefechtsfeld, in dem teilautonome und zunehmend autonome Plattformen Unmengen an Daten produzieren, müssen alle Systeme digital vernetzt sein. Und das gilt insbesondere auch für die bereits in Nutzung befindlichen Waffensysteme und Plattformen, denn auch bei diesen Systemen ist ein schneller Fähigkeitsaufwuchs nur über Software möglich.

Ergo brauchen wir offene Schnittstellen, um zum Beispiel Start-ups die Möglichkeit zu geben, über Software mit hoher Agilität die Kampf- und Wirkkraft bestehender Systeme zu erhöhen. Wir als Cyber Innovation Hub arbeiten bereits nach diesem Ansatz. Die große Aufgabe ist nun, „Software Defined Defence“ flächendeckend zum Standard in der Bundeswehr, bei Start-ups und etablierten Rüstungsunternehmen zu machen.

Als Digitalisierungseinheit arbeiten wir in einem hochpolitischen Umfeld für die Bundeswehr – und in einer geopolitisch angespannten Lage. Einer unserer wesentlichen Erfolgsfaktoren ist, dass wir die politische Legitimität für Veränderungen in der Truppe innehaben. Mit unserer einzigartigen Governance-Struktur verbinden wir politische Verantwortung, militärische Anforderungen und privatwirtschaftliche Innovationskraft. Eine kommende Regierung sollte diese Struktur stärken und deutlich ausbauen und damit die notwendige Modernisierung der Bundeswehr vorantreiben.

Diese Modernisierung hat keinen Selbstzweck, was übrigens auch für Innovationen an sich gilt. Beides soll unsere Siegfähigkeit sicherstellen. Damit wir die gemeinsamen Werte und Ideale verteidigen können, die uns als Teil Europas stark gemacht haben.

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