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Energie & Klima

Standpunkte Auch Deutschland muss finanzielle Verantwortung für die Schäden der Klimakrise übernehmen

Kathrin Henneberger, Bundestagsabgeordnete der Grünen
Kathrin Henneberger, Bundestagsabgeordnete der Grünen Foto: Grüne im Bundestag / S. Kaminski

Die Industriestaaten stehen in der Pflicht, die Schäden der maßgeblich von ihnen verursachten Klimakrise abzumildern – auch Deutschland. Nach nur einem Jahr Verhandlungen liegt ein Vorschlag zur Operationalisierung des globalen „Loss and Damage Fund“ vor. Auf der anstehenden COP28 könnte die Umsetzung beschlossen werden – aber die Gelder fehlen noch. Nun ist es Zeit für konkrete Ergebnisse, meint die grüne Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger in ihrem Standpunkt.

von Kathrin Henneberger

veröffentlicht am 13.11.2023

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Der Inselstaat Tuvalu im Pazifik verliert aufgrund der Klimakrise seine Landfläche – und die Menschen, die hier leben ihr Zuhause. Verluste und Schäden durch die Klimakrise beinhalten nicht nur die Zerstörung materieller Infrastruktur – es sind die immateriellen Folgen, der Verlust von Gemeinschaft, Geschichte und Kultur, die noch viel zu wenig im öffentlichen Diskurs stehen.

Tuvalu hat nun mit Australien ein Abkommen unterzeichnet, demzufolge Menschen von bedrohten Inseln nach Australien umsiedeln können (begrenzt auf 280 Menschen pro Jahr). Es liest sich wie die Lösung eines Problems, bedeutet jedoch nichts anderes, als dass wir im Jahr 2023 bereits den Verlust ganzer Kleinstaaten in den internationalen Beziehungen verankern müssen.

Flucht und Vertreibung sind bereits die grausame Realität der Klimakrise – durch verstärkte Wetterextreme werden ganze Dörfer und Städte von Fluten mitgerissen. Anhaltende Dürren und Hitzewellen beraubt Menschen ihrer Lebensgrundlage in der Subsistenzlandwirtschaft. 2023 wird laut Experten:innen wohl zum heißesten Jahr seit 125.000 Jahren. Grund für diese vermehrt auftretenden Extremwetterereignisse sind die Folgen der Klimakrise sowie in diesem Jahr zusätzlich des Klimaphänomens El Niño, das in seinen Auswirkungen ebenfalls von der Klimakrise verstärkt wird.

Die dadurch entstehenden materiellen Schäden wie zerstörte Infrastruktur, aber auch immateriellen Verluste wie eine verlorene Heimat, nehmen weltweit immer mehr zu. Das liegt zum Teil daran, dass in vielen Regionen die Anpassung an die Folgen der Klimakrise wegen fehlender Ressourcen und Möglichkeiten noch nicht ausreichend umgesetzt werden konnte. Einige Regionen sind sogar besonders exponiert, selbst aufwändige und teure Klimaanpassung stößt dort an Grenzen.

Loss and Damage zentrales Thema der COP28

Angesichts des drastischen Fortschreitens der Klimakrise rückt das Thema „Loss & Damage“, also klimabedingte Schäden und Verluste, immer mehr in den Fokus. Aus diesem Grund wurde auf der vergangenen Klimakonferenz (COP27) auf großen Druck des Globalen Südens und der Zivilgesellschaft vereinbart, einen Fonds für Schäden und Verluste („Loss and Damage Fund“) aufzusetzen. In nur einem Jahr wurde ein Vorschlag erarbeitet, der nun auf der diesjährigen Weltklimakonferenz (COP28) verhandelt und beschlossen werden soll.

Dieser Entwurf ist ein großer Erfolg – auch unserer Bundesregierung. Allerdings wären einige Nachbesserungen bei der Ausgestaltung wünschenswert.

Erstens: Im aktuellen Vorschlag fehlt bisher eine finanzielle Verpflichtung der Hauptverursacher der Klimakrise. Zwar sind alle Staaten – nicht nur die Industrienationen – eingeladen, den Fonds finanziell zu befüllen. Einen festen staatlichen Beitrag oder eine gemeinsame völkerrechtliche Verpflichtung gibt es allerdings noch nicht. Nicht nur Staaten, sondern auch insbesondere fossile Konzerne, die massiv zur Erderhitzung beitragen, sollten sich finanziell an dem Fonds beteiligen. Dies ist in der bisherigen Fassung derzeit nicht vorgesehen. Der Fonds, so die Bundesregierung, soll allein über politischen und moralischen Druck gefüllt werden.

Zweitens: Ebenso wichtig wie die Klärung der Einzahlungen ist Klarheit bei den Auszahlungen. Wem genau Mittel durch welchen Mechanismus zugesprochen werden, ist noch nicht abschließend geklärt. Fest steht aber, dass die vulnerabelsten Regionen und Menschen prioritär Zugriff erhalten sollen. Für mich ist besonders wichtig, dass der Zugang zu den Mitteln möglichst unbürokratisch und direkt erfolgen sollte, damit auch indigene Gemeinschaften und lokale Akteure, die von der Klimakrise besonders betroffen sind, einfache Hilfen erhalten können.

Die Verwaltung des Fonds muss klimagerecht sein

In dem aktuellen Vorschlag wurde sich darauf geeinigt den Fonds erstmal für vier Jahre bei der Weltbank anzusiedeln. Dies wird vor allem von den am meisten betroffenen Regionen sowie vielen Akteuren der Zivilgesellschaft kritisch gesehen. Es fehlt Vertrauen zur Weltbank, da diese auch viele fossile Vorhaben finanziert. So hat die Weltbank laut NGO-Recherchen allein im Jahr 2022 mit zirka 3,7 Milliarden US-Dollar Öl- und Gasprojekte gefördert.

Stattdessen wird von den Kritikern eine Ansiedlung des Fonds direkt beim UNFCCC vorgeschlagen. Wenn der Fonds nun tatsächlich bei der Weltbank angesiedelt wird, benötigt es zur Eröffnung noch eine Anfangsfinanzierung von 200 Millionen Dollar. Diese müssen schnell bereitgestellt werden und hier müssen Industrienationen liefern, denn die aktuellen Auswirkungen der Klimakrise, gehen auf ihr historisches Konto an Treibhausgasemissionen.

Ebenso wichtig ist es, die meistbetroffenen Menschen an den Entscheidungstisch zu bringen. Nach dem aktuellen Vorschlag für den Fonds sollen zwar indigene Gemeinden und Akteure der Zivilgesellschaft beratend involviert werden, haben jedoch keinen festen Sitz im Verwaltungsrat. Auch die Einhaltung von Menschenrechten bei der Mittelvergabe muss noch zentraler gefestigt werden. Menschenrechtsverletzungen müssen ein Ausschlusskriterium für Gelder sein.

Insgesamt ist es wichtig, dass der Fonds für die Regionen und Menschen aufgesetzt wird, die bisher zu wenig Unterstützung bei der Bewältigung von Schäden und Verlusten der Klimakrise erhalten. Es darf nicht noch eine zusätzliche Finanzfazilität werden, die zu bürokratisch und langsam auf extreme Klimaereignisse reagiert. Wir sind es den betroffenen Menschen und Regionen schuldig, sie bestmöglich zu schützen und ihnen langfristig eine Perspektive zu bieten.

Kathrin Henneberger ist Berichterstatterin für globale Klimagerechtigkeit der Fraktion B90/Die Grünen im Bundestag und Mitglied in den Ausschüssen für Klimaschutz und Energie sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

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