Das Interesse am deutschen Markt für Großbatterien ist riesig. Ein Markthochlauf findet jedoch bislang lediglich auf dem Papier statt. Die Menge der Netzanschlussanfragen (>300 Gigawatt) übersteigt die tatsächlich in Betrieb befindlichen Anlagen (1,6 GW) etwa um den Faktor 200. Zwar gibt es keine politischen Ausbauziele für Batteriespeichersysteme (BESS), doch die Richtung scheint eindeutig: Über alle politischen Lager hinweg herrscht Einigkeit, dass Deutschland dringend mehr netzdienliche Speicher benötigt, um die volatile Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auszugleichen und die ausufernden Netzkosten zu begrenzen.
Angesichts einer drohenden Versorgungslücke und hoher Strompreise käme der Aufschwung der Großbatterie-Branche genau zur richtigen Zeit. Flexibilität ist die „schlafende Schönheit“ des künftigen Strommarkts und entwickelt sich immer mehr zur Leitwährung der Energiewende. Trotz des großen potenziellen Systemnutzens von BESS wird der Markt bislang noch durch einen unsicheren Rechtsrahmen und einen Flickenteppich an Einzelfallregelungen zurückgehalten.
Mehr Investitionssicherheit und fairer Wettbewerb
Durch den politischen Schlingerkurs beim Strommarktdesign rückt das Zielbild des energiepolitischen Zieldreiecks aus Versorgungsicherheit, Kosteneffizienz, und Klimaverträglichkeit in immer weitere Ferne. Von der scheidenden Regierung auf den Weg gebrachte Initiativen wie die Kraftwerksstrategie (KWS) und die Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) beschränken sich auf Wasserstoffkraftwerke und Erdgaskraftwerke mit anschließender CO2-Abscheidung (CCS) und klammern technologisch ausgereifte und schnell aktivierbare Flexibilitätsoptionen wie BESS weitestgehend aus.
Ein weiteres Hemmnis für den Markthochlauf von BESS sind unklare und nicht hinreichend harmonisierte energierechtliche Begriffsdefinitionen, wie etwa das Konzept der Systemdienlichkeit bzw. Netzdienlichkeit. In verschiedenen Gesetzestexten wird für den Zubau von steuerbaren Kapazitäten eine systemdienliche Fahrweise vorausgesetzt, um den steigenden Anteil volatiler EE-Erzeugung auszugleichen und Netzengpässe zu entschärfen. Bislang ist jedoch nicht verbindlich und einheitlich definiert, was das genau für die Betriebsweise von Anlagen bedeutet.
Um die großen Herausforderungen des künftigen Stromsystems bewältigen zu können, muss im anstehenden Koalitionsvertrag ein Level Playing Field für BESS geschaffen werden, indem die Grundlagen für einen technologieoffenen Wettbewerb und einen stabilen Investitionsrahmen für gesicherte Leistung geschaffen werden.
Netzdienlichkeit: Ein vages Konzept mit weitreichenden Folgen
Bisher fehlt jedoch eine klare und einheitliche Definition dessen, was Netzdienlichkeit tatsächlich bedeutet. Weder Regulierungsbehörden noch Projektentwickler wissen, welche Anforderungen Großspeicher konkret erfüllen müssen, um als netzdienlich eingestuft zu werden. Derzeit ist es einzelnen Netzbetreibern vorbehalten, spezifische Vorgaben zu einer netzdienlichen Fahrweise zu treffen, welche Betriebsweisen für Großspeicher optimal und somit netzdienlich sind.
Das zentrale Problem dabei ist die Fragmentierung: In Deutschland gibt es über 900 Netzbetreiber, die jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Netzdienlichkeit von Speichern stellen können. Diese Kleinteiligkeit stellt Projektentwickler vor große Herausforderungen, sodass am Ende nur ein Bruchteil der geplanten Projekte tatsächlich umgesetzt wird. Ohne verbindliche Standards bleibt unklar, wie und wo Speicherstandorte den größten systemischen Nutzen entfalten können; eine Lose-Lose Situation für Netzbetreiber und Projektierer. Dabei könnten allgemeingültige Begriffsdefinitionen für mehr Planbarkeit bei Netzbetreibern und Projektentwicklern sorgen und somit Netzanschlussverfahren beschleunigen bzw. den bestehenden Genehmigungsstau auflösen.
Batteriespeicher auf Augenhöhe mit erneuerbaren Energien
Auch müssen Batteriespeicher als Schlüsseltechnologie der Energiewende endlich auf ein „Level-Playing-Field“ mit anderen marktreifen Schlüsseltechnologien des Stromsystems gehoben werden. Das Bauplanungsrecht (Baugesetzbuch) bietet hierfür eine schnell umsetzbare Möglichkeit. Während Photovoltaik- und Windkraftanlagen bereits eine Privilegierung im Außenbereich genießen und somit ohne einen aufwendigen Bebauungsplan errichtet werden können, gelten für Batteriespeicher weiterhin dieselben Regelungen wie für alle anderen Gebäude im Außenbereich.
Eine ähnliche Ungleichbehandlung zeigt sich beim Thema Baukostenzuschüsse (BKZ): Während Wind- und Solaranlagen stets kostenlosen Zugang zum Netz haben, müssen sich Batteriespeicher an den Netzkosten beteiligen. Dies ist der Fall, da Batteriespeicher weiterhin als Verbraucher eingestuft sind, während die Erzeugerseite Befreiungstatbestände genießt. Eine solche Diskriminierung zulasten von BESS ist vor allem deshalb fragwürdig, da Speicher deutlich netzdienlicher sind als erneuerbare Energien, die häufig nach dem Prinzip „produce and forget“ einspeisen. Folgerichtig hat das OLG Düsseldorf kürzlich einer Beschwerde eines Speicherbetreibers zum Baukostenzuschuss stattgegeben.
Das Ergebnis sind unnötig langwierige und komplizierte Planungs- und Genehmigungsverfahren, die den Ausbau dieser wichtigen Technologie erheblich verzögern. Die Gleichstellung mit erneuerbaren Energien ist umso wichtiger, da Großbatterien als einzige klimaneutrale Flexibilitäts-Option dazu in der Lage sind, sich am Markt zu refinanzieren und frei von Subventionstatbeständen sind, sodass sie auch ohne die Aufnahme neuer Schulden wirtschaftlich und skalierbar sind. Damit erneuerbaren Energien zeitnah in den Markt entlassen werden können, bedarf es kosteneffizienter Komplementärtechnologien, die den Haushalt nicht zusätzlich belasten und damit die Umsetzung der Energiewende erschweren.
Ein Appell an die kommende Bundesregierung
Im bevorstehenden Koalitionsvertrag gilt es, das Prinzip der Technologieneutralität bei der Beschaffung gesicherter Leistung zu verankern, um Pfadabhängigkeiten zu vermeiden und sich abzeichnende Ziellücken zu einem kosteneffizienten, versorgungssicheren und klimaneutralen Stromsystem zügig zu schließen.
In diesem Zuge muss das Kraftwerkssicherheitsgesetz technologieoffen ausgestaltet werden und die Entwicklung eines Konzepts für einen Kapazitätsmarkt zügig vorangetrieben werden, um die notwendige Investitionssicherheit für steuerbare Kapazitäten zu schaffen.
Des weiteren müssen zentrale Konzepte wie Netzdienlichkeit, Vergabemechanismen und Baukostenzuschüsse unmissverständlich definiert und vereinheitlicht werden, so dass Netzanschluss-Prozesse zunehmend verschlankt und standardisiert erfolgen können. Im Sinne der De-Regulierung sollten Speicher daher analog zu anderen marktreifen Zukunftstechnologien nach § 35 BauGB baurechtlich privilegiert werden. Nur so können Großspeicher als Schlüsseltechnologie des Strommarkts der Zukunft mit denselben „Planungs- und Genehmigungs-Turbo“ erfahren wie Wind und PV in den letzten Jahren.
Großspeicher sind eine Schlüsseltechnologie für die Erreichung des energiepolitischen Zieldreiecks. Werden die Chancen und die Potenziale der Technologie von der neuen Regierung nicht besser erkannt und Markthemmnisse nicht zügig beseitigt, droht eine Kaskade an Zielverfehlungen, die nicht zuletzt auch Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Resilienz gefährdet.
Thorsten Klöpper ist Managing Director Deutschland bei Voltwise Power. Das Unternehmen entwickelt, baut und betreibt Projekte für Batteriespeichersysteme.